Das Buch „Mein Kampf“ zu lesen, ist natürlich nicht gesetzlich verboten. Vielmehr ist es die Schere im Kopf, die viele durchaus neugierige Menschen daran hindert, sich mit den Ansichten Adolf Hitlers auseinander zu setzen. Heutzutage genügt es, Menschen zu verteufeln oder zu verklären, um sich ein Bild im sattsam bekannten Schwarz-Weiß-Denken machen zu können. So aber wird man Geschichte nicht verstehen und deren Lehren auch nicht für eine friedvolle Gegenwart und Zukunft begreifen. 


Vorab: Hier geht es zu Teil 1 dieser Artikelreihe.

Es ist kaum überraschend, dass auch Adolf Hitlers Kindheit und Jugend richtungsweisend für die Entwicklung seines Charakters war. Seine Selbstdarstellung im ersten Kapitel von „Mein Kampf“ steht zu dieser erworbenen Persönlichkeit. Das wirkt nachvollziehbar wie authentisch und der Autor war sichtbar stolz auf das, was er ausprägte:

„Ich glaube, daß schon damals mein rednerisches Talent sich in Form mehr oder minder eindringlicher Auseinandersetzungen mit meinen Kameraden schulte. Ich war ein kleiner Rädelsführer geworden, der in der Schule leicht und damals auch sehr gut lernte, sonst aber ziemlich schwierig zu behandeln war.“(1)

Schon als Junge hatte er eine auffällige Herrschsucht entwickelt, die er offenbar auch bereits mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit anstrebte, was sich in Jähzorn ausdrückte. Außerdem erzählt uns Hitler sehr glaubwürdig, wie Werte in jungen Menschen ausgebildet werden. Wenn die Umgebungsbedingungen Macht und Herrschaft lobpreisen, bleibt das für junge Menschen nicht ohne Folgen und so erfuhr Hitler die Sozialisierung, die ihn, wie viele tausend Altersgefährten beizeiten kriegstauglich (im Geiste) machte:

„Beim Durchstöbern der väterlichen Bibliothek war ich über verschiedene Bücher militärischen Inhalts gekommen, darunter eine Volksausgabe des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71. Es waren zwei Bände einer illustrierten Zeitschrift aus diesen Jahren, die nun meine Lieblingslektüre wurden. Nicht lange dauerte es, und der große Heldenkampf war mir zum größten inneren Erlebnis geworden. Von nun an schwärmte ich mehr und mehr für alles, was irgendwie mit Krieg oder doch mit Soldatentum zusammenhing.“(2)

Der Krieg war so für den Jungen kein Ereignis, dass sich mit Grauen, Tod, Verwüstung und Verlust verband, sondern der Feldzug heldenhafter Ritter für das Edle und Gute auf der Welt. So wurde Ende des 19.Jahrhunderts zum Kriege gelockt und so tut man es noch immer im Deutschland des 21.Jahrhunderts.


Womit ein weiterer Einschub mit Blick auf die deutsche Gegenwart passend erscheint. Denn Heldengemälde werden heute technisch anders realisiert. Aber die Methoden, Menschen geistig in eine Märchenwelt ethisch reiner Friedenskrieger hineinzuziehen und ihnen zu verschweigen, für wen und für was sie da Waffen einsetzen sollen und wie traumatisch die Konsequenzen – nicht zuletzt für sie selbst ausfallen, die sind geblieben. Denn das System aus Macht und Herrschaft ist ja in seinem Wesen auch geblieben. Da möge noch so viel von demokratischen Werten fabuliert werden. Heute sieht Kriegspropaganda so aus (b1):

Wenn es um Krieg geht, um seine Legitimierung, feiert die Vergewaltigung der Sprache einen Triumph nach dem Anderen. Das Bild strahlt uns entgegen, wenn wir die Seite des sogenannten(!) Bundesministeriums für Verteidigung öffnen (3). Sie werden allein mit diesem Bild mehrfach betrogen – also böse manipuliert.


Eine Armee die sich Bundeswehr nennt, posiert auf einem Bild – aufgenommen auf einem anderen Kontinent. Bundeswehr bedeutet, dass es sich um eine Wehr, eine militärische Macht zur Verteidigung des Bundesgebietes handelt. So jedenfalls lässt es sich über die saubere semantische Interpretation eines deutschen Wortes herauslesen.


Der Widerspruch zwischen Behauptung und Realität ist so deutlich, dass der Verstand hier sofort sein Veto einlegen müsste. Tut er aber nicht. Denn das erfordert die vorherige Reflexion. Wenn die aber ausbleibt, wird die rein emotionale Botschaft in Ihnen haften bleiben. Besonders abstoßend empfinde ich, wie Kinder missbraucht werden, um Schuldgefühle zu erzeugen und die Notwendigkeit von Gewalt zur Friedenssicherung in den Menschen zu verinnerlichen.


Friedenssicherung mit militärischer Gewalt – das dürfte eigentlich jedem Menschen klar sein – ist ein Widerspruch in sich. Denn militärische Gewalt ist ja eben Krieg und ein Bruch des Friedens.


Die Bundeswehr hat einen Auftrag zur Landesverteidigung. Dieser Auftrag wird verletzt, indem sie zur Interventionsarmee umgewandelt wird. Es gab in der jüngeren deutschen Vergangenheit schon einmal eine Wehrmacht. Auch diese ist – semantisch gesehen – eine Verteidigungsmacht gewesen. Und auch diese hat ihre Interventionen immer mit der selbst definierten Ethik der Macht als Verteidigung begründet. Und auch in dieser Armee marschierten junge Menschen, denen zuvor ein Heldengemälde vom guten Krieg in die Köpfe gebrannt wurde.

Die stärkste Prägung erfahren Menschen in ihrer Kindheit und Jugend und ein Adolf Hitler unterschied sich mit großer Wahrscheinlichkeit kaum von den anderen Zeitgenossen. Das schon ist eine große, wertvolle Botschaft in „Mein Kampf“; nämlich das Aufzeigen der singulären Ursachen, die Krieg möglich machen. Heute erfahren wir eine Gesellschaft, deren Eliten in zunehmender Selbstüberhebung Politik und Militär weltweit als legitime Ordnungsmacht auftreten lassen. Erkennen Sie die Parallelen zum aufstrebenden deutschen Kaiserreich Ende des 19.Jahrhunderts?

Zufällig stieß ich auf einen Paragraphen im Strafrecht, den ich Ihnen keinesfalls vorenthalten möchte (4):

§ 109d
Störpropaganda gegen die Bundeswehr

(1) Wer unwahre oder gröblich entstellte Behauptungen tatsächlicher Art, deren Verbreitung geeignet ist, die Tätigkeit der Bundeswehr zu stören, wider besseres Wissen zum Zwecke der Verbreitung aufstellt oder solche Behauptungen in Kenntnis ihrer Unwahrheit verbreitet, um die Bundeswehr in der Erfüllung ihrer Aufgabe der Landesverteidigung zu behindern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Da stellt sich mir aber eine dringende Frage: Was versteht das Strafrecht unter Landesverteidigung? Sind wir so weit, dass die Auslandseinsätze der Bundeswehr, weit außerhalb ihres Territoriums, als Landesverteidigung verstanden werden MÜSSEN? „Natürlich nicht“, das ist leicht daher gesagt. Denn wenn es alle so hinnehmen. Wenn wir uns der Orwellschen Sprache beugen, die eine Sprache der Deutungshoheit, ein Symbol von Herrschaft ist. Dann  lautet die Antwort nämlich JA!

Es ist ja so, dass ich ganz klar diesen Blog unter anderem auch betreibe, um die Bundeswehr an ihren Einsätzen im Ausland zu hindern. Und zwar genau deshalb, weil eben diese Art Einsatz rein gar nichts mit Landesverteidigung zu tun hat. Die Bundeswehr trägt ihren Auftrag im Namen. Aber sie verletzt ihren Auftrag aufs Gröblichste.

Stellen Sie sich einfach vor, diese da in Afrika unter dem Vorwand einer „Stärkung der Zivilgesellschaft“ praktizierenden deutschen Bundeswehreinheiten(5,a1) würde sich nennen:

  • „deutsche Kolonialarmee“ oder
  • „deutsche Eingreiftruppe zur Sicherung globaler Handelswege“ oder
  • „deutsch-militärischer Rohstoffsicherungsverband“,

was ihre Aufgabe ziemlich präzise beschreiben würde. Befriedet – im Sinne der Herstellung von Friedhofsruhe und Disziplinierung der verbleibenden Bevölkerung – haben deutsche Truppen ja bereits vor über 100 Jahren in Südwestafrika (6).

Die junge Generation um Adolf Hitler herum hat damals erfahren, dass den Eingeborenen erstmal Kultur und vor allem Arbeiten beigebracht werden müsste. So förderte man die Überhebung von Menschen, die sich ansonsten klein und bedeutungslos vorkamen. Dort ordne ich den Begriff Rassismus ein und der „Stärkung der Zivilgesellschaft“ in afrikanischen Staaten durch die Europäische Union heute liegt genau das gleiche rassistische Denken zugrunde, welches meint, den Mohren da unten beibringen zu müssen, wie man ordentlich zusammenlebt. Vor über 100 Jahren wie heute wurden im Prinzip die gleichen westlichen Werte exportiert und die Ressourcen der geplünderten Gebiete unter minimalisierten Kosten importiert (7).

Was bitte ist also heute in der Argumentation anders?

Vom Grundsatz her gar nichts. Man nennt das Ganze „Europäische Sicherheitspolitik“, was ich wiederum nenne: Gewaltpolitik – verbrämt mit wohlfeilen Worten. Wenn ich Verantwortung wahrnehme und mich daher als Teil einer Gesellschaft begreife, die sich dem Frieden verpflichtet fühlt, dann kann ich gar nicht anders, als die Mittel, die ich für mich erkenne, einzusetzen, um zu verhindern, dass „meine“ Armee Krieg führt.

Es darf daher an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen werden, dass der Auftrag der Bundeswehr weder von der Politik definiert wird noch von Wirtschaftsverbänden, noch von Denkfabriken und auch nicht von Bündnispartnern (was immer man darunter auch verstehen möge). Der Auftrag der Bundeswehr ist im Grundgesetz festgeschrieben und im Sinne einer Demokratie der Auftrag seiner Bürger, die Sicherheit der Grenzen des Landes zu gewährleisten. Wenn das nicht mehr gilt, dann ist das ein weiteres Symptom, dass wir es nur mit einer Fassadendemokratie zu tun haben. Gilt es noch?

Haben Sie es gemerkt? Ich habe Sie gerade angelogen.

Nichts ist im Grundgesetz zum Mandat der Bundeswehr festgeschrieben. Die Fassadendemokratie existiert und funktioniert. Die politische Macht selbst – in hohem Maße abhängig von politischen, ideologischen und wirtschaftlichen Funktionsträgern – hat den Kolonialismus längst wieder zur Staatsdoktrin erhoben. Eine desinformierte Bevölkerung, die in ihrer Gesamtheit nicht willens ist, was sie da liest, zu hinterfragen, schluckt daher solche Kröten:

„Risiken und Bedrohungen entstehen vielmehr aus zerfallenden und zerfallenen Staaten, aus dem Wirken des internationalen Terrorismus, terroristischen und diktatorischen Regimen, Umbrüchen bei deren Zerfall, kriminellen Netzwerken, aus Klima- und Umweltkatastrophen, Migrationsentwicklungen, aus der Verknappung oder den Engpässen bei der Versorgung mit natürlichen Ressourcen und Rohstoffen, durch Seuchen und Epidemien ebenso wie durch mögliche Gefährdungen kritischer Infrastrukturen wie der Informationstechnik. […]“(8)

Das ist zitiert aus den verteidigungspolitischen Richtlinien vom 18. Mai 2011 und ich habe auf die Schnelle neun Lügen erkannt. Neun Lügen, mit denen ganz offiziell geostrategische Konzepte eines globalen Einsatzes deutscher Streitkräfte begründet werden. Neun Lügen, die Jedermann mit relativ wenig Aufwand aufdecken kann, so er den Willen dafür entwickelt.

„Deutsche Sicherheitsinteressen ergeben sich aus unserer Geschichte, der geographischen Lage in der Mitte Europas, den internationalen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen des Landes und der Ressourcenabhängigkeit als Hochtechnologiestandort und rohstoffarme Exportnation.“ (9)

Sehen Sie, was da (übersetzt) steht?

„Wir haben es nicht, also holen wir es uns.“

In was für einer Demokratie leben wir? Richtig, in einer Fassadendemokratie. In dieser muss gelogen werden, andernfalls würden nämlich die wirklichen Ursachen zur Sprache kommen müssen.

Übrigens stand zu Hitlers Jugendzeiten draußen dran, was es drin zu kaufen gab: Kolonialwaren. Wohlstand für eine breite, aber für das basierende Elend anderswo blinde nennenswerte Bevölkerungsschicht gab es schon damals, wenn auch auf bescheidenerem Niveau (10). Heute finden wir die Kolonialwaren (natürlich nicht mehr so verdächtig gekennzeichnet) im Supermarkt, wie beruhigend für das schlechte Gewissen.


Es muss uns aber auch klar sein: Wenn wir weiter so konsumieren wollen wie bisher, wenn wir unsere Mobilität nicht ändern wollen. Wenn wir auch zukünftig mindestens zweimal im Jahr in den Urlaub düsen möchten. Wenn wir unser Wertesystem nicht hinterfragen. DANN BRAUCHEN WIR GENAU SOLCH EINE POLITIK. Und so gesehen, ist es mir sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass die zunehmend aggressive deutsche Außenpolitik letztlich doch den Wählerwillen honoriert.


Der weiter oben zitierte Paragraph des Strafgesetzbuches – das sei noch festgehalten – würde auf mich und damit auf jeden anderen Menschen, der in dieser Richtung Verantwortung wahrnimmt, allerdings nicht anwendbar sein, denn er bezieht sich ja auf die Tätigkeiten, die geeignet sind:

„um die Bundeswehr in der Erfüllung ihrer Aufgabe der Landesverteidigung zu behindern“ (11).

Davon kann weder in Afghanistan noch in Syrien und im Irak, noch in Afrika und auch nicht im Kosovo die Rede sein.


Zurück zu Adolf Hitler und „Mein Kampf“:

Es ist auffällig, dass Hitler kaum über seine Mutter spricht, obwohl er doch das erste Kapitel seines Buches mit „Mein Elternhaus“ überschreibt. Mehr noch spielen seine Eltern als wichtigste soziale Bindung insgesamt keine wirkliche Rolle. Es fehlen jedwede emotionale Eindrücke aus dieser Zeit. So etwas nennt man auch Verdrängung und das hatte sehr triftige Gründe:

„Er [Adolf Hitlers Vater] war streitsüchtig und reizbar geworden. Zum Hauptobjekt der väterlichen Missstimmung wurde Alois jr. [Adolf]. Zeitweise lag der Vater, der absoluten Gehorsam verlangte, mit diesem Sohn in dauerndem Streit, weil der Junge sich weigerte, diese Fügsamkeit zu zeigen. Später beklagte Alois jr. sich bitter darüber, dass sein Vater in häufig ‚unbarmherzig mit der Nilpferdpeitsche geschlagen‘ habe, aber im damaligen Österreich waren schlimme körperliche Züchtigungen von Kindern keinesfalls unüblich; man erachtete eine solche Behandlung als günstig für die seelische Entwicklung eines Kindes.“ (12)

Kindheit und Jugend reduziert sich in der Erinnerung Hitlers auf Machtthemen. Die Herrschsucht hat der junge Adolf mit großer Wahrscheinlichkeit durch die Sozialisierung seines Elternhauses verinnerlicht, in dem die Mutter sich ihrem Mann unterwarf und in diesem Konflikt der Sohn ungenügend Liebe durch die Mutter erfuhr. Sie findet seine Erwähnung erst am Ende des Kapitals und auch da erfährt der Leser eher beiläufig, dass sie lange an einer Krankheit litt (Brustkrebs) und daran auch verstarb (13).

Seinen Vater und das Verhältnis zu ihm beschreibt er absolut glaubhaft im Konflikt um die Entscheidung über den eigenen zukünftigen Weg:

„Endlich wäre es seiner in dem bitteren Existenzkampfe eines ganzen Lebens herrisch gewordenen Natur aber auch ganz unerträglich vorgekommen, in solchen Dingen etwa die letzte Entscheidung dem in seinen Augen unerfahrenen und damit eben noch nicht verantwortlichen Jungen selber überlassen. Es würde dies auch als schlecht und verwerfliche Schwäche in der Ausübung der ihm zukommenden väterlichen Autorität und Verantwortung für das spätere Leben seines Kindes unmöglich zu seiner sonstigen Auffassung von Pflichterfüllung gepaßt haben.“(14) 

Das ist ziemlich eindeutig. Hitler ging in den Machtkampf mit dem Vater. Trotz der Schuldgefühle ihm gegenüber, die er auch ein viertel Jahrhundert später sichtbar werden ließ (a1): Der Junge rebellierte gegen die oft in blinde Wut ausbrechende Autorität des Vaters:

„Als der Junge einmal an drei Tagen nicht zur Schule gegangen war, weil er ein Spielzeugboot fertigstellen wollte, wurde er von seinem Vater, der ihn durchaus zu diesem Hobby ermutigt hatte, mit der Peitsche traktiert und so lange mißhandelt, bis er das Bewußtsein verlor.“ (15)

Wenn Macht verinnerlicht ist, was bei ihm ganz offenbar beizeiten geschehen war, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Unterwerfung oder Auflehnung. Der Junge gewann den Machtkampf – trotz regelmäßiger Prügelorgien des Vaters  (16), was ihn in der Ausformung seines Charakters bestärkte.

Dieser Charakter legte sich nun über seine natürlichen Interessen und Begabungen. Denn Adolf Hitler hatte als Elfjähriger den Beschluss gefasst, Kunstmaler werden zu wollen. Dieses Ziel hat er später lange und ernsthaft verfolgt und dahinter verbirgt sich das Wahrhaftige seines Wesens, was jedoch systematisch verdrängt wurde. Dieses nachfolgende Leben wider die Natur wird insgesamt als Versagen wahrgenommen und dafür hassen sich die Betroffenen. Ausleben tun sie es dann allerdings in Zynismus – und ein extremer Zyniker, der damit seine Schuldgefühle nach außen kanalisierte, wurde Hitler zweifellos.

An dieser Stelle wird gern geäußert: Wäre er es nur geworden – Kunstmaler, dann wäre der Welt viel erspart geblieben.

Das glaube ich nicht. Hitler war als Mensch einzigartig. Das gilt aber für alle Menschen. Gut, Hitler war prädestiniert, in einem Machtsystem rücksichtslos Interessen durchzusetzen. Dafür wurde er in die Rolle lanciert, die er letztlich mit aller Konsequenz ausfüllte. Hitler hat sich jedoch die Macht viel weniger erobert, als allgemein kolportiert wird.

Hitler wurde in Macht gebracht. Er wurde gesucht und gefunden.

Sind doch in einem Macht- und Herrschaftssystem jederzeit andere Kandidaten vorhanden, die sich Strategen mit pathologischen Neigungen anbieten. Die Geschichte wird von Menschen geschrieben, natürlich. Aber auch Adolf Hitler ist nicht schuld – schon gar nicht allein schuld, dass es zum Weltenbrand kam. Und das deutsche Volk ist es natürlich auch nicht. Denn Schuld wird von Herrschaft definiert und delegiert.


In seiner Rolle als Brandstifter eines großen Krieges wäre Hitler allemal ersetzbar gewesen. Dass es Hitlers Charisma gewesen wäre, was das deutsche Volk hörig anbetete und ihn so auf den Thron des Diktators hievte, ist eine Mär. Mehr noch ist es Geschichtsklitterung, weil es die komplexe Geschichte (samt Vorgeschichte) der beiden Weltkriege auf das Phänomen einer Herrscherfigur zurechtstutzt.


Genauso aber sind ein Großteil der Dokumentationen aufgesetzt, die sich mit dem Nazi-Regime befassen. Da denke ich vor allem an Guido Knopps TV-Serie „Hitlers Helfer“. Die kaschiert, dass Hitler selbst ein Helfer war – wessen Helfer? Das wird uns noch mehrfach beschäftigen.

Was bleibt über Hitlers Kindheit zu sagen? Eines bekam er ganz offensichtlich nicht: Liebe und Verständnis. So bekam er auch nicht gelehrt, empathisch zu sein. Er hatte ein äußerst distanziertes Verhältnis zu seinen Eltern und seine Talente wurden nicht gefördert. Sein Lebensweg wurde von Anderen entschieden, Rebellion dagegen wurde mit Gewalt bestraft.

Hitler bekam über sein Elternhaus, das die gesellschaftlich als Norm begriffene Unterwerfung vor Autoritäten lebte, die Fähigkeiten, die unabdingbar sind, um rücksichtslos Machtpolitik zu betreiben. Er wurde für Herrschaft konditioniert. Dabei war er als Mensch für immer zutiefst verletzt. Er bekam später nicht mehr die Gelegenheit, sein Kindheitstrauma zu verarbeiten, wie er sich wohl eine solche Chance auch selbst nicht gab. Den Tod seiner Mutter kommentierte Hitler mit folgenden Worten:

„Es waren die glücklichsten Tage, die mir nahezu als ein schöner Traum erschienen(a2); und ein Traum sollte es ja auch nur sein. Zwei Jahre später machte der Tod der Mutter all den schönen Plänen ein jähes Ende.“ (17)

Und aus meiner Sicht sprach er die Wahrheit, als er sagte:

„Dennoch traf besonders mich der Schlag entsetzlich. Ich hatte den Vater verehrt, die Mutter jedoch geliebt.“ (18)

So ist das mit durch Gewalt traumatisierten Kindern. Sie küssen die Hand, die sie schlägt und geloben besser zu werden, damit sie nicht mehr geschlagen werden müssen. Denn sie fühlen sich schuldig und solidarisieren sich mit den Tätern. Und sie lieben (hier die Mutter), auch wenn sie die Liebe nicht zurückbekommen. Doch diese fehlende Liebe schlägt sich im weiteren Leben in Gefühlsarmut nieder, weil als Kind nicht gelernt wurde, mit den Gefühlen anderer umzugehen und die eigenen Gefühle nicht erwidert wurden.

Bleiben Sie in dem Sinne weiterhin aufmerksam.

(Fortsetzung folgt)


Anmerkungen

(a1) Nachdem unter maßgeblicher Teilhabe zweier EU-Staaten Libyen verheert und dort die terroristischen Milizen des Islamischen Staates implementiert wurden, was sofort zu einer Destabilisierung der Staaten in der Sahel-Zone führte, ist man in der EU nun dreist genug, von einer Stärkung der Zivilgesellschaft in jenen Staaten durch Militär (unter anderem) Deutschlands und Frankreichs zu reden. Wohlweislich werden dabei die wirtschaftlichen Interessen der europäischen Mächte in diesen afrikanischen Staaten tunlichst verschwiegen.

(a2) Das Zitat (12) lässt erkennen, dass Hitler noch Jahrzehnte später seinen Vater gewissermaßen um Verständnis bittet, für das, was er – Hitler – in seinem subjektiven Ehrenkodex verletzt hat; und zwar die Autorität des „Vorgesetzten“. Das bedeutet aber auch, dass er diese Schuldgefühle niemals verarbeiten konnte.

(a3) Infolge eines bei Adolf Hitler festgestellten Lungenleidens rieten die Ärzte von einer Beamtenlaufbahn für den Jungen ab, sodass ihn die Mutter von der Realschule nahm und ihn zur Akademie (mit künstlerischer Ausrichtung) schickte. Dies geschah, nachdem der Vater verstorben war.

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Letzte Überarbeitung: 18.5.2019.

Quellen

(1) Mein Kampf, Erster Band – Eine Abrechnung; Adolf Hitler; Kapitel 1: Im Elternhaus, S.3; Zwei Bände in einem Band; ungekürzte Ausgabe; Zentralverlag der NSDAP., Frz. Eher Nachf., G.m.b.H., München; 851.–855. Auflage 1943 (im Weiteren kurz als MKAH genannt)

(2) MKAH; S.4; Kap. Im Elternhaus

(3) 9.1.2018; Webseite des sogenannten Bundesministeriums für Verteidigung; https://www.bmvg.de/de

(4,11) 7.1.2018; Strafgesetzbuch; https://dejure.org/gesetze/StGB/109d.html

(5) 29.6.2016; https://ec.europa.eu/germany/news/europ%C3%A4ische-union-verst%C3%A4rkt-ihre-unterst%C3%BCtzung-f%C3%BCr-mali_de

(6) 16.2.2016; http://www.deutschlandfunk.de/voelkermord-deutschland-verhaandelt-ueber-entschaedigung-der.724.de.html?dram:article_id=345814

(7) 10.1.2018; http://namib.info/namibia/de/geschichte/aufstand_der_herero_und_nama/index.php

(8,9) 10.1.2018; https://de.wikipedia.org/wiki/Verteidigungspolitische_Richtlinien

(10) http://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Kolonialwaren.htm

(12,15) Alice Miller; Am Anfang war Erziehung; 1980, Suhrkampf-Verlag; S. 180; entnommen bei: https://wize.life/themen/geschichte/42585/vom-verborgenen-zum-manifesten-grauen-kindheit-und-jugend-adolf-hitlers

(13) 10.1.2018; https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Hitler#Schulzeit

(14) MKAH; S.5-6: Kap.1: Im Elternhaus

(16) Brigitte Hamann: Hitlers Wien. München 1998, S. 21 f.

(17,18) MKAH; S.16: Kap.1: Im Elternhaus

(b1) Screenshot aus Webpräsenz des „Verteidigungsministeriums“; 9.1.2018; Quelle: https://www.bmvg.de/de

(Titelbild) Datum: 16.4.2010; Autor: Trixieliko (Pixabay); Quelle: https://pixabay.com/de/buch-geschichte-m%C3%A4rchen-2341083/; Bild nachbearbeitet von PA; Lizenz: CC0 Creative Commons

Von Ped

6 Gedanken zu „Lesungen aus einem verbotenen Buch (2)“
  1. Hallo PED – und danke für deinen Einsatz im Sinne für mehr freies = souveränes und selbst-bewußtes Menschsein (so verstehe ich auch den Ansatz in diesem Blog-Beitrag):

    Macht entsteht und verwirklicht sich dort, wo der Einzelne seine Macht abgibt oder erst gar nicht zur Wahrnehmung seiner eigenen Mächtigkeit gelangt (hier Beispiel Hitler, bzw. „Erziehungssysteme“).
    Die eigene Mächtigkeit zu erleben und zu entwickeln bedarf (bis auf wenige schicksalshafte Ausnahmen) eines liebenden Umfeldes und die Liebe selbst offenbart sich als die größte Mächtigkeit, eine Kraft, die die ganze Erde hin zu einem erfüllenden Garten aller Wesen wandeln kann.
    HIer ein schönes Beispiel, an dem man diese Urkraft und Mächtigkeit der Liebe wahrnehmen kann: https://www.youtube.com/watch?v=w1sFPqO9tRQ
    Das Machtproblem ist also ein Entfremdungproblem (=Spaltungen). Die Methode der Entfremdung ist Liebesentzug und (anschließende) „Beeindruckung“ des mangels Liebe orientierungslosen, in sich schwachen (auch im Sinne des „gesunden Menschenverstandes“, der sich nämlich selbst reflektieren kann) Menschen.

    Als Ersatz für den Liebesmangel dienen fortan Identifikationen.
    Beispiele in Deinem Beitrag: sich mit physischer Macht, Kontrolle, mit Gewaltanwendungen, letztendlich Krieg, das Recht des Stärkeren (Herrenrasse, die ausbeuten darf usw.), der ja dann auch immer der „Gute“ – Held – ist, zu identifizieren.

    Identifikationen ersetzen die Liebeslücke!
    Die gute Nachricht: da sie ausnahmeslos alle über den Verstand in unser Bewußtsein implantiert werden, kann ich sie durch das Bewußtsein selbst (Aufmerksamkeit, Achtung, Hingabe, Abstandnehmen, Innehalten, Reflexion usw.) entlarven!
    Wir brauchen also die eigene Gedankenpolizei – im griechischen Orakel zu Delphi: „Mensch, erkenne Dich selbst!“ – dann (er)kennen wir den Namen „Rumpelstilzchen“ (=Implantat)

    Wo fangen wir an?
    Z.B. bei der Sprache (auch gute Beispiele in Deinem Text! – Semantik …):
    „Ich muß zur Toilette“ – ist natürlich Quatsch, denn nur mein Körper muß zur Toilette!
    Die Reflektion dieses Satz zeigt mir also, wie sehr ich mich mit meinem Körper identifiziere!

    „Ich stehe dahinten“ (gemeint der Parkplatz meines Autos = Identifiaktion mit dem Auto!)

    So können wir uns beispielsweise eine Klarheit in der Sprache angewöhnen, in dem wir diese Identifikationen bewußt sprachlich umgehen: „mein Auto steht dahinten!“ usw…

    Das Verursachende und die Verantwortung kommt so zum Souverän zurück.
    Wir erkennen, daß zur wirklichen Erkenntnis ich selbst und das Andere ANWESEND sein muß: alles Virtuelle (Bilder, Aussagen über usw.) ist nicht das Wesen selbst, sondern nur ein Abbild – also eine Abspaltung – Medien sind Mittler, doch Mittler sind nie die Dinge selbst!!!
    Lassen wir uns also nichts mehr erzählen UND meinen dies könnte eine Erkenntnis sein.
    Das sind bestenfalls Arbeitshypothesen – also bewußte Identifikationen, die auch deshalb schnell gelöst werden können – statt auf Leben und Tod verteidigt werden zu müssen (Glaubenskriege: ich hab´ Recht).

    Warum Identifikationen zu „schön“ sind:
    Sie geben mir einen Bezugspunkt, einen Standpunkt, füllen das Vakuum. Ich verbinde mein Sein damit, greift jemand meine Identifikation an, dann greift er mich an!
    Dann bin ich kriegsbereit!
    Aber immerhin „weiß ich ja wofür ich das mache“ (natürlich eine gute Sache).
    Und außerdem: ich muß nichts ändern – sonder nur „verteidigen“. Ich bleibe in meiner Trägheit (kein Perspektivwechsel, keine Änderung im Handeln oder Verhalten) in meiner Bequemlichkeit.
    „Das biologische System ist bemüht, den Enerigieaufwand gering zu halten“.

    Wenn ich mir also selbst nicht in den Hintern treten kann, braucht es andere, die es tun.
    Und das sind eben die, die mit meinem Nichtstun, mit meiner Machtabgabe, zu Macht gelangt sind und diese als Prügelstock einsetzen müssen, damit wir Menschen uns dann doch mal bewegen …

    Es ist also tatsächlich egal, ob diese Prügelknaben Hitler oder anders heißen …
    Sie führen nur ihren Job im Weltgeschehen auf auf Grund unserer Trägheit aus …

    1. Sehr schöner Kommentar von Ihnen, danke!
      Was da im Video mit den Löwen zelebriert wird, kann man ja erstmal mit Menschen probieren. 😉
      Aber die Botschaft ist wirklich eindrucksvoll: Mit Liebe zulassen und geben – und damit Ängste überwinden.
      Herzliche Grüße, Ped

      1. PED und Will Uebelherr, danke für Ihre Wertschätzung (auch eine Form der Liebe!) meines Geschreibsels, mit dem ich (oder etwas in mir) das ja vielleicht auch (unbewußt) erhaschen wollte ? 😉
        So kann Anerkennung ja schnell das Ego auf den Plan rufen, sprich: ich identifiziere mich dann doch oder um so mehr mit meinem Geschreibsel …
        Also: „Holzauge sei wachsam“ 😉
        Das nur als ein Beispiel (auch des inneren Beobachters), wie schnell so etwas bei jedem passieren kann …

        Den Aspekt Angst bzw. auch Mut hatte ich nicht explizit herausgearbeitet, aber ist elementar: wir wissen ja, daß Angst einerseits vor Spaltung (Unheil) schützen kann – zu meist aber gerade dazu z.B. von Machthabern benutzt und instrumentalisiert wird: „Angst vor Mangel“ schüren (wenn du dich nicht soundso verhältst, gibt es Repressalien = Mangelsituation).
        So ist Angst der Aufbaukitt jeder Hierarchie (nach unten treten, nach oben beten), weshalb Mut als Herzenskraft im Sinne der Machtagitatoren nie gefördert werden darf (daher Angst als Treiber im Bildungssystem).

        Herzensmut – das war tatsächlich der Grund, das Löwenvideo auszuwählen („Löwenherz“) und ich freue mich, wenn hierdurch diese Urenergien etwas anklingen mögen: das Heilwerden im und durch die Herzensqualität (Überwindung der spaltenden Ängste) – der Heiler sitzt im Herzen …
        möge jeder Mensch seinen Weg dorthin finden 🙂
        herzliche Grüße, Jürgen

  2. Lieber Juergen, ich war auch total begeistert ueber deinen kommentarischen beitrag. Du graebst tief, sehr tief, um die wirklichen kraefte sichtbar zu machen. Dafuer meinen grossen dank.
    mit gruessen, willi
    z.zt. Asuncion, Paraguay

  3. Hallo Ped,

    Zitat: “Und aus meiner Sicht sprach er die Wahrheit, als er sagte:

    „Dennoch traf besonders mich der Schlag entsetzlich. Ich hatte den Vater verehrt, die Mutter jedoch geliebt.“''

    Nicht nur aus Ihrer Sicht. Dem Buch “Hitlers Edeljude. Das Leben des Armenarztes Eduard Bloch“ von Brigitte Hamann kann man entnehmen, dass der behandelnde Arzt seiner Mutter, Dr. Bloch, selten einen Menschen gesehen hat, der so erschüttert war über den Tod seiner Mutter und dass Hitler ihm “ewig“ dankbar war und ihn 30 Jahre später sogar unter seinen persönlichen Schutz gestellt hat. Er durfte in seiner Wohnung bleiben und diese durfte nicht als Judenwohnung gekennzeichnet werden. Das sagt wohl einiges aus. Ebenso, dass Hitler sich das Gedicht “Habe Geduld“ von Georg Runsky notierte, was sich wohl mal jemand von ihm abgeschrieben und Hitler als Autor genannt hat, was heute noch zu Missverständnissen führt.

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