Unsere Gesellschaft die in ihrer Gesamtheit das Motto „Geiz ist geil“ zum Lebensprinzip erhob, hat sich die Tempel dafür geschaffen; die großen Supermärkte der Discounter, in denen akribisch jeder Cent umgedreht wird, um soviel wie möglich zu sparen. Zu sparen an was? Was hat das eigentlich für Folgen hier und anderswo? Hat das möglicherweise sogar Auswirkungen auf Krieg oder Frieden? Dieser Frage möchte ich in folgendem Beitrag nachgehen.


Der große Siegeszug der Billigmärkte begann in den 1970iger Jahren. „Billigmarkt“ klingt auch billig, vielleicht wurde ja gerade deshalb eine fremde Sprache herangezogen, um den Begriff „Discounter“ zu etablieren. Die Ableitung aus dem Englischen von count = (hoch)zählen nach discount = (herunter)zählen, beschreibt also einen Händler, der „von Haus aus“ Rabatt gibt (vom Preis „herunterzählt“). Nun stellt sich die Frage des Warum. Und ich möchte im Folgenden den gesunden Menschenverstand sprechen lassen – statt den uns eingebleuten Deutungen aus der Betriebswirtschaft und Finanzökonomie. Welche Notwendigkeiten gab es, im Konsumbereich einen Sektor zu schaffen, dessen Ziel darin bestand, Preise zu unterbieten?

Vielleicht, weil es Menschen gab, die sich die Waren nicht mehr leisten konnten?

Zugegeben, die Frage klingt absurd, ja lächerlich, aber warum tut sie das? Sind wir schon so Gehirn gewaschen, dass wir gar nicht mehr in der Lage sind, vernünftige Fragen zu stellen? Stattdessen nehmen wir einfach die Begründung hin, dass es ein Erfordernis des Marktes war und ist – quasi ein Naturgesetz. Wieso? Als das Konzept der Billigmärkte im Einzelhandel Fuß fasste, ging es den Menschen in Deutschland (in ihrer Gesamtheit) wirtschaftlich so gut wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Die Deutschen waren in den 1970iger Jahren überversorgt. Die ersten „Butterberge“ und „Milchseen“ entstanden (1,a1). Das Land hatte alles, was es brauchte.


Nur an einem mangelte es, doch war dieser Mangel künstlich, wie auch das Begehrte an sich künstlich ist. Doch ist es jederzeit und in beliebiger Menge erschaffbar: Geld!


Dahinter steckt eine Ideologie (siehe auch unten). Da wir uns dem Götzen Geld unterworfen haben, machen wir dieses künstliche Sekret zur Voraussetzung, um leben zu können. Wir wagen es gar nicht, an eine Welt ohne Geld zu denken. Dieses Geld, das wir ohne weiteres in jeder beliebigen Menge erzeugen können, davon herrscht ständig Mangel. Im Gegensatz zu den natürlichen Ressourcen dieser Erde, von denen wir nehmen, als gäbe es kein Morgen. Wir haben unseren primären Blick auf etwas Künstliches gelegt und halten dieses in seiner Künstlichkeit in beliebiger Menge Herstellbare künstlich knapp (2). Und müssen deshalb schrankenlos Menschen und Natur ausbeuten. Das ist schon – salopp gesagt – ein Fall für den Psychiater.

Mit welchem Konzept stiegen die Discounter so erfolgreich am Markt ein?: 

„Die erfolgreiche Niedrigpreispolitik der Discounter beruhte in der Anfangszeit hauptsächlich auf rigorosen Kosteneinsparungen bei allen eingesetzten Betriebsfaktoren.“ (3)

Betriebswirtschaft als Wissenschaft – was sie nicht ist! (4) – klingt nicht nur kalt und menschenfeindlich, sie ist es auch! Sie kalkuliert einzig nach Quantitäten – in Geld. Rigoros heißt, dass die Einsparungen ohne wenn und aber und ohne Kompromisse durchgeführt werden und hinter Betriebsfaktoren verbergen sich vor allem – Menschen. In solchen betriebswirtschaftlichen Kalkulationen sind Menschen Kostentreiber und die ultimative Lösung ist, diese mit den geringsten Kosten schrankenlos auszubeuten oder als Kostenfaktor schlicht abzuschaffen.

Hinter „den notwendigen Einsparungen um im Wettbewerb bestehen zu können„, steckt eine Lüge. Es wird einfach die durch nichts bewiesene Annahme voraus gesetzt, dass Unternehmen und Menschen im Wettbewerb bestehen müssten. Wozu?! Man begnügt sich mit der in keiner Weise geprüften Behauptung, dass es halt die Gesetze des Marktes so fordern. Diese Gesetze sind aber keine Naturgesetze sondern willkürlich von Menschen Geschaffene! Sie sind keine Ergebnisse von Erkenntnis – wie uns vorgespielt wird – sondern Ergebnis von Macht!

Die Gesellschaft hat alle materiellen Ressourcen, die Produktivkräfte und die Technologien, um im Überfluss Dinge zu produzieren. Und sie tut das auch. Sie produziert über jeden Bedarf hinaus und die Gesellschaft (als Ganzes) fragt nicht: Warum machen wir einen solchen Unsinn? Stattdessen nimmt sie einfach das Postulat hin: „Wir müssen neue Märkte erschließen, um das immer Mehr was wir produzieren, irgendwie verscherbeln zu können“. Und ich frage mich: Was tun wir hier?! Haben wir nichts besseres zu tun, als Dinge zu produzieren, die wir und andere nicht benötigen?

Diese Fragen sind simpel, doch wir haben verlernt sie zu stellen, woran man erkennt, dass sie überhaupt keine Rolle im gesamtgesellschatlichen Kontext spielen. Im Gegenteil, die Ideologie des knappen Geldes, des Wettbewerbes, des notwendigen Wachstums, der Auflösung aller Hindernisse zur sogenannten „Wertschöpfung“, wird in keiner Weise kritisch hinterfragt. Die Politik, aber auch die Menschen außerhalb von ihr, sind mehr noch gehorsamer Diener dieser Ideologie; warum? 


Der Sinn einer Ideologie besteht genau darin, sie nicht zu hinterfragen, denn die Träger der jeweiligen Ideologie sind in ihrem Selbstverständnis die Besserwissenden. Ihre Ideologen werden nicht diskutiert, sondern verbreitet und als Machtmittel zur absoluten Wahrheit erhoben.


Und die Gesellschaft nimmt das an. Sie unterwirft sich „den Besseren“. Der Leser zweifelt? Nun, kommen ihm solche Sätze bekannt vor?:

  • „Ich verstehe das in seiner Komplexität sowieso nicht“.
  • „Ich hab eh keine Möglichkeit zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden.“
  • „Wir sind doch nur kleine Lichter“.
  • „Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen“.
  • „Was kann ich denn dagegen schon tun?“

Wir sollen auch gar nichts dagegen und schon gar nicht etwas anderes tun, was die Ideologie wirkungslos machen würde. Wir sollen eine Ideologie nicht hinterfragen. Sich nicht die Mühe dessen machen zu müssen, wird uns sogar als Vorteil verkauft. Die Propaganda der Meinungsführer (sprich Ideologie-Träger) ist dafür unermüdlich aktiv. Für solch komplizierte Dinge gibt es ja die Experten, hören wir. Nur, wenn wir soweit sind, dass wir dieses Hinterfragen nicht einmal mehr in Erwägung ziehen. Dann sind wir (Mit-)Träger dieser Ideologie geworden, ganz im Sinne ihrer Erfinder.

Und wissen Sie, das genau spiegelt sich im Erfolg der Discounter wider.

Die Discounter sind ein Wahrzeichen für den Siegeszug des Neoliberalismus. Sie versinnbildlichen den geschaffenen weltweiten, immer mehr die Grenzen aufhebenden Markt. Ohne Discounter gäbe es heute keine Diskussion um CETA und TTIP oder anders gesagt: Die Billigmärkte als Erfolgsmodell haben dieses Siegel von uns, den Bürgern, den Konsumenten erhalten. Wir sind es, die darauf „drängen“, dass es weitergeführt wird. Wir sind nicht außen vor, denn wir kaufen über die Hälfte aller Waren des täglichen Bedarfs über diese Betriebsform.

Damit sind wir nicht nur die Benutzten, Verführten und Augebeuteten. Wir sind außerdem Benutzende, Missbrauchende und Ausbeutende! Die „Reform“ des Arbeitsmarktes haben wir indirekt gewollt, denn der „Preisvorteil“ fordert natürlich auch Abstriche bei den Kosten, den Personalkosten. Gesteigerte Effizienz, ein unter der Maßgabe von Kostensenkung ebenso zweifelhaftes Argument der Betriebswirtschaft, geht heutzutage fast nur noch über Einsparungen bei den Mitarbeitern. Aber der Kunde muss das natürlich auch akzeptieren, andernfalls ließe sich ein solches Geschäftsmodell nicht umsetzen. Und tut er es? Wirtschaftswissenschaftler nennen ein solches Verhalten nicht egoistisch oder unempathisch, sie verklausulieren es in etwa so: 

„ein Symptom für ein sich abzeichnendes höheres Preisbewusstsein“ (5)

Aus einem „Hauptsache ich“-Verhalten wird ein positiv konnotiertes „Preisbewusstsein“. Das ist Missbrauch der Sprache in praktischer Ausführung. Doch für dieses „Preisbewusstsein“ muss es auch Ursachen geben. Das Folgende mag als Versuch zu verstehen, angesehen werden.


Spare in der Not …

Ich stelle mir das Deutschland in den Jahren nach 1945 vor. Ein Großteil der Menschen steht vor dem Nichts. Fast jeder trauert um den Verlust von Angehörigen (allein 5,3 Millionen deutsche Soldaten sind gefallen [6]). Mit der Niederschlagung des Dritten Reiches stehen die Menschen vor einem ideologischen Scherbenhaufen, kaum fähig zu begreifen, was sie zwölf Jahre lang passiv und/oder aktiv mit trugen. Vor allem die Städte und die Industrieanlagen sind zerstört und die Wirtschaft liegt darnieder. In den ersten Jahren nach Kriegsende gibt es Hungerwinter. Der Schutt wird teilweise mit bloßen Händen beräumt.

Kriminalität und Schattenwirtschaft sind allgegenwärtig. Millionen aus Osteuropa vertriebene Deutsche verschärfen noch die Mangelsitiuation in praktisch allen Bereichen. Es herrschen also katastrophale Zustände und dazu ziehen erneut dunkle Wolken eines neuen Krieges auf. Der Kalte Krieg beginnt, kaum dass der große heiße Krieg zu Ende gegangen ist.

Die Menschen haben keine Zukunft, keine Perspektive, keine Visionen. Sie sind traumatisiert und beschäftigt, das tägliche Überleben zu sichern. Mit geringstem Einsatz das maximale zur Sicherung der Existenz zu erlangen, Vorräte für noch schlechtere Zeiten anzulegen – das ist der Lebensinhalt. Dieses Elend brennt sich tief in das Bewusstsein ein. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ wird zu einer Lebensmaxime – und bleibt es.

Das Sprichwort hat natürlich seinen Sinn. Es mahnt, langfristig zu denken und es impliziert aus meiner Sicht keinesfalls ein egoistisches Motiv. Was jedoch für die Menschen zu einer unbewussten Selbstverständlichkeit wurde, war die Regel: „Spare um jeden Preis, dann hast du in der Not“. Egoismus als Überlebensrezept; akzeptiert und in die Zukunft getragen durch ein System, was die Menschen darin immerfort bestätigte.


Aus dem so sinnvollen: „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“, der Mangelgesellschaft wurde ein „Geiz ist geil“ in der Überflussgesellschaft.


Damit kann die Ursachenforschung nicht zu Ende sein, denn es stellen sich weitere Fragen. Die Erste: War diese Maxime in beiden Teilen Deutschlands anzutreffen? Ich meine schon. Doch gab es in beiden Teilen Deutschlands eine zweite Maxime, die der Solidarität, der uneigennützigen Unterstützung anderer, des Zusammenhalts. Sowohl das Empathische und Kooperative steckt in den Menschen, wie auch das Selbstsüchtige, Egotistische. Für beide Verhaltensweisen gibt es triftige Gründe, gerade in Notsituationen. Wenn aber Zweitere in eine Zeit getragen wird, in der sie gar nicht benötigt wird, schlicht weil keine Not mehr herrscht, dann muss noch etwas anderes eine Rolle spielen. Und damit kommen wir zurück zur Ideologie.


Der Marshallplan

Was hat der Marshallplan mit Ideologie zu tun? War er nicht eine Hilfe zum Wiederaufbau der im Krieg zerstörten europäischen Staaten?:

„Der Marshallplan, offiziell European Recovery Program (kurz ERP) genannt, war ein großes Wirtschafts-Wiederaufbauprogramm der USA, das nach dem Zweiten Weltkrieg dem an den Folgen des Krieges leidenden Westeuropa zugute kam. Es bestand aus Krediten, Rohstoffen, Lebensmitteln und Waren. Das 12,4-Milliarden-Dollar-Programm wurde am 3. April 1948 vom Kongress der Vereinigten Staaten verabschiedet und am selben Tag von US-Präsident Harry S. Truman in Kraft gesetzt; es sollte vier Jahre dauern. Im gesamten Zeitraum (1948–1952) leisteten die USA bedürftigen Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OEEC) Hilfen [sic] im Wert von insgesamt 13,12 Milliarden Dollar (entspricht heute rund 129.000.000.000 Dollar).“ (7)

Die vielen Nullen am Ende (statt einfach 129 Milliarden zu schreiben; sie sind eins zu eins so aus Wikipedia entnommen) dienen der Aufwertung einer „guten Tat der USA“, mit dem Ziel, dies dem Leser eindringlich ins Bewusstsein zu bringen. Es handelt sich also um einen manipulativen Trick. Aber Hilfe? Wie definiert sich Hilfe? Aus meiner Sicht so:

„Das Wort Hilfe bezeichnet in der Umgangssprache ein altruistisches, das heißt selbstloses oder uneigennütziges Verhalten und meint die Unterstützung einer anderen Person ohne Gegenleistung.“ (8)

Maßgeblich ausgearbeitet wurde der Marshallplan vom Leiter des Planungsstabes, einem gewissen George F. Kennan. Kennan arbeitete im US-Außenministerium und war eng mit der US-amerikanischen Denkfabrik Council on Foreign Relations verbunden, so schrieb er Artikel für deren Hausblatt Foreign Affairs. Diese private (!) Denkfabrik von Wirtschaftseliten hatte sich in den Jahren des Zweiten Weltkrieges äußerst eng mit dem US-Außenministerium vernetzt und nahm in gewisser Weise die Rolle einer Schattenregierung wahr. (9) Von ihr kam die Idee des Marshallplans, der vieles war; nur eines war er nicht: Hilfe. Vielmehr basierte er auf rein macht- und wirtschaftspolitischen Erwägungen im Sinne des US-amerikanischen Establishments.

Deshalb lagen seine Ziele:

  • nicht darin der notleidenden und teilweise hungernden Bevölkerung Europas zu helfen (wie Wikipedia das in seinem ersten Anstrich zu den Zielen des Marshallplans unterstellt)
  • sondern (wie Wikpedia im weiteren richtig vermerkt) in der Eindämmung der Sowjetunion und des Kommunismus (Containment-Politik) sowie
  • der Schaffung eines Absatzmarktes für die US-amerikanische Überproduktion.
  • Und – was noch einmal herausgehoben werden muss: In der Vergabe von verzinsten Krediten – verzinsten Krediten

Der Marshallplan war also Teil eines ideologischen Feldzuges gegen seine (selbsternannten) Gegner und zuvor sollte er natürlich die Köpfe der Menschen vereinnahmen. Was nun hat das mit den Discountern zu tun? Geduld, wir lösen das „Geheimnis“ gleich auf. Zuvor noch das:

„Am 15. Dezember 1949 schlossen die Bundesrepublik Deutschland und die USA das „Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika“ (BGBl. 1950 I S. 10). Bundestag und Bundesrat ratifizierten das Abkommen per Gesetz vom 31. Dezember 1949 (BGBl. 1950 I S. 9), wodurch es am 1. Februar 1950 wirksam wurde. Bei diesem Abkommen handelte es sich um einen Staatsvertrag, den die Bundesrepublik erstmals als gleichberechtigter Vertragspartner unterzeichnete. Das Abkommen bestimmte die Verwaltung einer Summe von damals 6 Mrd. DM als sogenanntes Sondervermögen.“ (10)

Die Einrichtung dieses Sondervermögens (das bis heute existiert) war Bestandteil des Marschallplans.

Bleiben wir neugierig. Wenn die BRD damals ein gleichberechtigter Vertragspartner war, also in gewisser Weise souverän, warum musste sie dann die Verwaltung eines Sondervermögens in der (neuen) Deutschen Mark über ein Abkommen mit den USA umsetzen? Hatte sie gar keine Hoheit über ihre eigene Währung? Musste die BRD den „Partner“ fragen, wenn sie Geld schöpfen wollte (denn um etwas anderes geht es hier nicht)? Oder war die Geldschöpfung zweckgebunden? Und kann der Leser in diesem Vorgang Hilfe, also uneigennützige Unterstützung erkennen? Ich nicht.

Im Zuge des Marshall-Plans machten die USA auch Bargeld-Geschenke – allerdings mit Bedingungen, also wiederum eigennützig. Denn die „Geschenke“ waren zweckgebunden an den Erwerb von Gütern und Leistungen auf dem US-amerikanischen Markt. Das Geld wanderte also umgehend in die USA zurück und erfüllte so die Rolle eines Konjunktur-Treibers für die USA (!) – und dazu eines Exporteurs des „American Way of Life“ nach Europa. Denn mit den US-Waren stellte sich die glitzernde Fassade des „amerikanischen Traumes“ wie ein Garten Eden, vor allem als eine nachahmenswerte Kultur, den von Krieg und Not geplagten Europäern vor.

Mit jenen über den Marshall-Plan eingekauften Gütern und Leistungen kam die Ideologie der „einzigartigen Nation“ auf den alten Kontinent und in die Köpfe der Menschen. Die Illusion, dass bei fleißiger Arbeit unter den Bedingungen der freien Konkurrenz ein Jeder reich und damit glücklich werden könne, nahm von Herzen und Hirnen Besitz. Das Licht, welches das Ende des Mangels der Nachkriegszeit erhellte, strahlte unwiderstehlich. Aber mit ihr nahm eine Ideologie der Gier und des Geizes Platz in der Gesellschaft. Genau die Merkmale, welche Unternehmer wie die Gebrüder Albrecht benötigten, um mit ihrem neuen Geschäftsmodell erfolgreich zu sein.


Die Armut des „Geiz ist geil“

Die Marke Aldi (hergeleitet aus Albrecht Discounter) steht als herausragendes Symbol des Betriebskonzepts von Discountern. Sie setzte etwas um, auf was die Menschen – ideologisch vorbereitet – gewartet hatten. Und die Gebrüder Albrecht wurden damit nicht nur extrem reich, sondern auch sehr mächtig. Warum erhielten sie das Votum des Konsumenten?:

„Aldi-Fazit: Keine breiten und tiefgestaffelten Sortimente (nur schnelldrehende Grundnahrungsmittel, keine Doubletten), keine leicht verderblichen Frischwaren (damit keine kostenintensive Warenpflege, keine Bedienung, keine teuren Kühlmöbel, geringer Energieverbrauch), kein Preisetikett auf jedem Artikel (die Kassiererinnen hatten die Preise, zusammengefasst in relativ wenigen Preisgruppen, auswendig zu lernen, später über PLU-Nummern aufzurufen), kein Auspacken der Ware (verkauft wurde aus den aufgeschnittenen Versandkartons), keine teure Ladeneinrichtung (verkauft wurde von Paletten oder selbstgefertigten Holzregalen), keine Ladendekoration und Werbung, kein Kreditverkauf, keine damals üblichen Rabattmarken. Das knapp bemessene Filial-Personal wurde für alle anfallenden Arbeiten ausgebildet, so dass es bei hoher Arbeitsdichte ständig ausgelastet war. Dieses Weglassen von wesentlichen Einzelhandelsfunktionen brachte den Aldi-Märkten große Kostenvorteile gegenüber der Supermarkt-Konkurrenz. Diese Kostenvorteile ermöglichten es Aldi, trotz eines von Anfang an gut kalkulierten Gewinns den Verbrauchern große Preisvorteile zu bieten.“ (11)

Alles das, was über das Kriterium „Preis“ hinausgeht, ist unwichtig geworden. Einheitsware; gesichtslos und herkunftslos für den Verbraucher, Wühltische mit Niedrigstpreisen, lieblos, unempathisch. Die Menschen dahinter, sie zählen nicht. Wo es herkommt? Wieviel Blut und Schweiß an der Ware klebt? Egal. Der Preis reißt alles raus. So sieht „Geiz ist geil“ in der Praxis aus. Und die „Experten“ sind beeindruckt: 

„Die Verbraucher nahmen die neuen, sehr preiswerten ALDI-Märkte in kürzester Zeit an. Die Umsatzleistung pro Mitarbeiter war fast zehnmal höher als in den Albrecht-Supermärkten. Die Umsatz- und Renditewerte der ersten Serienmärkte und die schnelle Akzeptanz dieser Läden bei den Verbrauchern waren so überzeugend, dass die Albrecht-Brüder wenige Monate nach Eröffnung dieser ersten Märkte in die überregionale Multiplikation gehen konnten.“ (12)

Das Ausleben des Prinzips durch Jene, die weit weg vom Mangel leben, hat aber schlimme Konsequenzen für die zunehmende Anzahl von Verlierern der sogenannten Wohlstandsgesellschaft! Denn es gibt eine Schicht in unserer Gesellschaft, die keine Wahl mehr hat; die gezwungen ist, das Billigste zu wählen, um existieren zu können.

So anachronistisch es klingen mag, gibt dieser Zustand den Discountern sogar noch einen Wettbewerbsvorteil, denn die sinkenden Sozialtransfers werden zwangsläufig in deren Kassen umgeleitet. Das hat man schon einmal getan, als man die niedrigen Einkommen der italienischen – und türkischen Gastarbeiter, die man für das „Wirtschaftswunder“ ins Land geholt hatte (13), auf diese Weise abschöpfte.

Die Verlierer stützen das System, weil sie es müssen, die große Mehrheit aber tut es durchaus in freier Entscheidung, dabei aber im akzeptierten Denkmuster des „Geiz ist geil“ verharrend. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist der kleinteilige Handel, regionale und lokale Produzenten, die für ihre Produkte fair bezahlt werden und damit auch ihren Mitarbeitern faire Löhne zahlen können.

Als die Globalisierung, sprich der Wegfall von Handelshemmnissen, immer mehr Fahrt aufnahm, bekamen die Discounter einen neuen Schub. Wegfall von Handelshemmnissen ist dabei ein weiterer Euphemismus, denn das ist gleichbedeutend mit dem Wegfall des Schutzes von Binnenmärkten, zum Beispiel durch Zölle, was in vielen Staaten der Dritten Welt zu einem regelrechten Zusammenbruch von regionalen – und lokalen Wirtschafts-Kreisläufen, ja zum Zusammenbruch sozialer Gemeinschaften führte. Auch das honorierte der Verbraucher in Europa, er belohnte dieses Vorgehen durch die eigene Kaufentscheidung. Und jene Verbraucher, die nun überrascht sind, dass der „attraktive Preis“, zuvor von anderen Menschen sehr, sehr teuer bezahlt wird, belügen sich nur selbst.


„Untersuchungen der Wissenschaftlerin Ingeborg Wick von der globalisierungskritischen Organisation Südwind zufolge wird in Asien massiv gegen Arbeitsrechte verstoßen. Für die aktuelle Studie befragte Wick rund 80 Beschäftigte aus sechs chinesischen Fabriken im Perlflussdelta, die Elektronikprodukte, Haushaltswaren, Kosmetika und Textilien an die Aldi-Gruppe liefern. Das Perlflussdelta gilt als exportintensivste Region Chinas. „Nicht überraschend ist die Tatsache, dass es in keiner der untersuchten Fabriken irgendein funktionierendes System organisierter Arbeitsbeziehungen oder Organe zur Interessenvertretung der Beschäftigten gibt“, heißt es in der Studie. Geprüft wurden chinesische Betriebe verschiedener Branchen, in denen Aktionswaren für den größten deutschen Discounter hergestellt werden, berichtete das Südwind-Institut am Dienstag in Siegburg bei Bonn.

Pro Jahr bietet der Discounter rund 2500 Aktionsprodukte zu niedrigen Preisen an, beispielsweise Fahrräder, Gitarren, Computer, aber auch Küchengeräte und Textilien. Mit 40 Prozent wird ein Großteil der Angebote in China hergestellt. Die „Schnäppchenhits“ seien aber mit systematischen Verletzungen von Arbeits- und Frauenrechten bei globalen Zulieferern erkauft, bilanziert die Autorin der Studie nach Recherchen in dem Land. Der Vorwurf: In China würden Arbeits- und Frauenrechte, wie sie in der arbeitsintensiven Industrie durch den Preisdruck von deutschen Importunternehmen typisch seien, verletzt. „Die meist weiblichen Beschäftigten arbeiten bis zu 91 Stunden pro Woche und können dennoch von ihren kargen Löhnen kaum leben“, berichtet Wick. Der Arbeitsdruck sei enorm, Fehler würden mit Geldbußen bestraft. Zudem würden grundlegende Rechte verletzt. Und: „Die Frauen erhalten weder Mutterschutz noch können sie unabhängige Gewerkschaften gründen“, so Wick weiter.“ (14)


Dass die Menschen im Osten des vereinigten Deutschland keineswegs edler handelten und handeln, bezeugt deren Kaufverhalten nach dem Untergang der DDR. Viele Betriebe im Osten waren sehr wohl konkurrenzfähig und boten Produkte guter Qualität an. Sie gingen dennoch unter und das liegt auch daran, dass die – obwohl doch im sozialistischen Sinne erzogenen – Bürger im Ostteil der Bundesrepublik diese Produkte mieden wie der Teufel das Weihwasser. Sie gaben ihre eigene Wirtschaft unter eigener aktiver Mithilfe dem „Klassenfeind“ preis und übernahmen ohne Umschweife das Konsumverhalten der „Brüder und Schwestern“ im Westen. Menschen, die damals Verantwortung übernahmen und die Betriebe in Eigenregie führten, wurden schlicht im Stich gelassen. Damit hatte die Treuhand mit ihrer beispiellosen Zerschlagung von Betrieben der ehemaligen DDR leichtes Spiel. (15)

Der durch die eigene Philosophie begründete Kostendruck der Discounter macht auch vor dem eigenen Personal nicht halt. Auszubildende werden dauerhaft in Tätigkeiten beschäftigt, die nicht zur Ausbildung gehören, Teilzeitstellen und Minijobs werden angeboten. Wo höher qualifizierte Beschäftigte benötigt werden, lockt man mit hohen Gehältern und mobbt nach einigen Jahren die Menschen wieder aus dem Unternehmen [16]: 

„Die Mitarbeiterinnen einer Aldi-Filiale galten beim Management lange als die Callgirls des Einzelhandels, weil sie jederzeit abrufbereit ihren Dienst anzutreten hatten, wenn sie gebraucht wurden. Intern nannte man dieses System lange „Kapovaz“, die Kurzform von kapazitätsorientierter variabler Arbeitszeit. Daran entzündet sich inzwischen die Hauptkritik der Gewerkschaft: zu viel nicht bezahlte Arbeitszeit und chronische Unterbesetzung der Filialen. Im Durchschnitt arbeiten an der Basis nur drei Beschäftigte, die dann alles machen müssen: kassieren, einräumen, putzen – häufig außerhalb ihrer offiziellen Arbeitszeiten.“ (17)

Und ein ehemaliger Aldi-Manager verriet dem Blatt „Süddeutsche Zeitung“:

Andreas Straub, 27, hat von 2007 bis 2011 als Nachwuchsmanager bei Aldi Süd gearbeitet. Nach nur dreieinhalb Jahren endete seine Karriere beim Discounter. Nun rechnet der Buchautor mit den Praktiken im Lebensmittel-Einzelhandel ab, er berichtet über Kontrollwahn und hohen Druck auf die Mitarbeiter bei Aldi.

SZ: Herr Straub, Hand aufs Herz, wie viele Mitarbeiter haben Sie in Ihrer Zeit bei Aldi entlassen?

Andreas Straub: Wir haben das intern immer „rausnehmen“ genannt, das klingt irgendwie souveräner. Bei mir hielt sich das in Grenzen, aber ein paar waren es schon. Wer in diesem System als Manager länger überleben will, muss gelegentlich ein Tyrann sein. Das war ich auch. Ich habe etliche Abmahnungen geschrieben, für Aldi-Verhältnisse war ich trotzdem fast schon luschig. Es gab Kollegen, die waren mit einer Art Abreißblock für Abmahnungen unterwegs.

SZ: Gibt es denn bei Aldi Abmahnungen schon für Kleinigkeiten?

Straub: Das sowieso. Ziel vieler Aldi-Manager ist es, die Personalakten der Mitarbeiter mit Abmahnungen anzufüttern. Jeder Mitarbeiter hat dadurch eine Vorgeschichte. In sich jährlich wiederholenden Schulungen haben uns Aldi-Anwälte die Tricks beigebracht.

SZ: Wie provoziert Aldi die Abmahnungen genau?

Straub: Der Kreativität der Bereichsleiter sind keine Grenzen gesetzt. Es gibt Mitarbeiter, die wurden abgemahnt, weil sie sich nicht rasiert haben, andere weil sie sich beim Verlassen der Filiale angeblich nicht beim Chef verabschiedet haben. Die sicherste Methode sind allerdings Testkäufe. Man lässt zum Beispiel eine stark geschminkte 17-Jährige eine Flasche Wodka kaufen. Der Kassierer muss laut Gesetz nach dem Ausweis fragen. Tut er es nicht, gibt es eine Abmahnung. Selbst wenn er danach fragt, gibt es noch Möglichkeiten ihn zu verwarnen.

SZ: Und wie?

Straub: Es kommt schon mal vor, dass die Testkäuferin dann anfängt, in ihrem Portemonnaie zu suchen und feststellt, dass sie ihren Ausweis angeblich im Auto liegen gelassen hat, zum Beweis wedelt sie mit dem Zündschlüssel. Sie bietet an, den Ausweis holen zu gehen. Die meisten Kassierer knicken ein, sie möchten nicht riskieren, dass die Schlange an der Kasse endlos wächst.

SZ: Weshalb sind Sie überhaupt zu Aldi gegangen?

Straub: Das Unternehmen hat mich fasziniert. Es ist sehr erfolgreich. Nach dem Studium hat mich auch das Gehalt angesprochen – immerhin 60 000 Euro und ein Dienstwagen mit Tankkarte. Vor allem wollte ich aber in ein Unternehmen, in dem ich schnell Verantwortung übernehmen und eigene Entscheidungen treffen kann.

SZ: Und hat sich das bestätigt?

Straub: Teils, teils. Ich hatte schon Verantwortung, allerdings in einem sehr engen Korsett.

SZ: Und wann haben Sie angefangen, zu zweifeln?

Straub: Die ersten Zweifel kamen früh. Ich habe sie aber immer wieder weggewischt, ja sogar ignoriert. Ich war lange Teil des Systems.

SZ: Sie waren Teil eines Systems, das Sie heute kritisieren. Nehmen Sie Rache?

Straub: Natürlich war ich wütend und traurig, nachdem ich entlassen wurde. Ich hatte einige Zeit damit zu tun, mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Ich habe angefangen – zunächst nur für mich – aufzuschreiben, was ich bei Aldi erlebt habe. Sachlich, vielleicht mit einer Prise Humor. Beim Schreiben habe ich dann gemerkt, dass auch die Öffentlichkeit erfahren sollte, wie die wahren Arbeitsbedingungen bei Aldi sind.

SZ: Wie hat Aldi bisher reagiert?

Straub: Allen Kassierern wurde ein Schreiben verteilt, das sie notfalls besorgten Kunden zeigen können. Darin steht, dass Aldi höhere Löhne als die Konkurrenz zahlen würde und die Mitarbeiter außerordentlich zufrieden mit ihren Jobs seien. Ich bekomme aber täglich Dutzende Mails von ehemaligen und aktuellen Aldi-Mitarbeitern, die mir ihre Fälle beschreiben und meine These bestärken: Aldi ist ein menschenverachtendes System.

SZ: Bekommen Sie auch Reaktionen vom Management?

Straub: Eine ganze Menge. Die meisten Führungskräfte bestätigen meine Ausführungen.  (18)

Fazit

Das Ganze ist absurd. Billig um jeden Preis ist ein billiger Kick beim Einkauf – und hat ansonsten nur Verlierer: die eigene Wirtschaft, die Natur und nicht zuletzt die Menschen. Das schwante schon im Jahre 2010 selbst Journalisten des „Spiegel“, als sie in einem Nachruf zum Tod von Theo Albrecht (einem der Aldi-Gründer) schrieben: 

„In keinem anderen Land der Erde gibt es so günstige Lebensmittel wie in Deutschland, nirgends sparen die Kunden mehr am Essen. 1,79 Euro für ein Pfund Hackfleisch, ein frisches Roggenbrot für weniger als einen Euro, 19 Cent für einen Becher Joghurt – in anderen westlichen Ländern wären solche Preise schlicht undenkbar. Aldi ist stolz, sie anzubieten. Noch nie in seiner Geschichte hat das Unternehmen hinterfragt, was es mit dieser Preisspirale angerichtet hat. Was das bisweilen für die Hersteller, die Bauern, die Gesellschaft bedeutet, die allesamt auf „billig“ konditioniert werden. Längst bieten auch die traditionellen Supermärkte „Aldinativen“, wie die Waren in der Preisklasse des Discounters genannt werden. Sie müssen es anbieten, um nicht unterzugehen. Die Kehrseite der niedrigen Preise: Die Milchbauern etwa krebsen am Existenzminimum, den Großteil der Non-Food-Artikel importiert man billig aus Asien, wo sie unter bisweilen menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt werden.“ (19)


Es sollte langsam klar werden: Wenn wir uns über soziale Missstände in anderen Ländern wie auch im eigenen Land echauffieren und die Politik anrufen, um Verbesserungen einzufordern, hinten herum aber ohne Skrupel zur Billigware greifen, dann leben wir eine Doppelmoral, leben einen Selbstbetrug. Denn wir wissen doch: Billigware ist nicht wirklich billig, den Preis zahlen nur andere. Und „nebenbei“ zerstören wir historisch gewachsene Strukturen, Existenzen – und bereiten damit in den betreffenden Regionen (vor allem in der Dritten Welt) alle Zutaten für Kriege vor.


Machen wir uns nichts vor. Die Einschläge kommen näher. Und wenn wir unser Verhalten nicht ändern, werden wir die Auswirkungen der dadurch hervor gerufenen Konflikte am eigenen Leibe zu spüren bekommen.

Und: Was sollen wir nun dagegen tun?

Gar nichts! Aber wir können etwas für uns tun. Und das stellt sich in Kleinigkeiten dar, die das in Wirklichkeit nicht sind. Ein Beispiel? So zeigt es sich im Reflex auf das Angebot der netten Verkäuferin: „Wollen sie eins mehr? Wir haben es heute im Angebot!“

Wenn sie es schaffen, freundlich abzulehnen, dann haben sie die (unbewusst) versuchte Manipulation erkannt, reflektiert und dann frei entschieden. Denn eines weniger als das Angebot wollten sie ja, als sie in den Laden gingen, weil das ihren Bedürfnissen entsprach. Nicht Markt-„Gesetze“ haben dann entschieden, sondern ihr Herz. Und ich verrate noch ein Geheimnis: Wenn sie das schaffen, werden sie sich gut fühlen.

Zum Abschluss: Unsere Art einzukaufen ist eine politische Entscheidung und hat damit Einfluss auf die Handlungen der gewählten und bezahlten politischen Entscheidungsträger. Bewusst und empathisch einzukaufen, macht unser Leben durchaus unbequemer und wird uns nicht vor Fehlern und Irrtümern bewahren. Aber genau so etwas wird mehr Achtung, Solidarität und Wärme in unsere Gesellschaft bringen.

Bleiben Sie in dem Sinne schön aufmerksam. 


Anmerkungen

(a1) Der Wikipedia-Artikel zum „Butterberg“ macht staatliche Eingriffe für dessen Entstehung verantwortlich und begründet das mit Subventionierung. Damit wird die Schuld auf die Politik geschoben, statt als bäuerlicher Betrieb selbst Landwirtschaft zu betreiben, die dem wirklichen Bedarf entspricht. Viele Bauern verstanden die Subventionen nicht als Hilfe, um kostendeckend zu produzieren, sondern als Mittel um Wachstum zu generieren. Damit wurde ein unsinniger Wettbewerb entfacht, bei dem kleine, naturnah und ökologisch arbeitende Wirtschaften auf der Strecke blieben. Es war nicht der Staat, der dies verursachte, sondern eine äußerst schädliche Ideologie, die beschönigt Wettbewerb tituliert wird, aber in Wirklichkeit eine des Egoismus, der Ellenbogenmentalität und Verantwortungslosigkeit gegenüber der Gesellschaft beschreibt. 

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Letzte Aktualisierung: 7.9.2018.

Quellen

(1) 3.9.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Butterberg

(2) 3.9.2016; http://peds-ansichten.de/2015/06/kredite-und-ihre-rolle-im-schuldgeldsystem/

(3) 1.9.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Discounter

(4) http://www.kersti.de/VA136.HTM

(5) Geschichte des deutschen Einzelhandels, Ludwig Berekoven; 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1987, S. 93

(6) 2.9.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Tote_des_Zweiten_Weltkrieges

(7) 2.9.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Marshallplan

(8) 2.9.2016; http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/projekte/slex/seitendvd/konzeptg/l51/l5197.htm

(9) 2.9.2016; http://peds-ansichten.de/2016/05/der-council-on-foreign-relations-und-das-grand-area/

(10) 2.9.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/ERP-Sonderverm%C3%B6gen

(11,12) 2.9.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Aldi

(13) 3.9.2016; http://www.bpb.de/internationales/europa/tuerkei/184981/gastarbeit

(14) Aldi-Angebote und die Arbeitsrechte; 17.10.2010; http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/studie-prangert-missstaende-in-china-an-aldi-angebote-und-die-arbeitsrechte-1.490002

(15) Die Überflüssigen; Jörg Roesler; 1.8.2016; https://www.jungewelt.de/m/artikel/290955.die-%C3%9Cberfl%C3%BCssigen.html

(16) 4.9.2016; http://forum.discounter-preisvergleich.de/viewtopic.php?t=10511

(17,19) Geheimnisse eines Clans; 2.8.2010; http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-72462697.html

(18] 31.5.2012; Christoph Gießen; http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ehemaliger-aldi-manager-ein-menschenverachtendes-system-1.1371439

(Titelbild) Collage mit Firmen-Logos von Discountern; 1.9.2018; Peds Ansichten; Lizenz: CC0 Creative Commons

Von Ped

3 Gedanken zu „Discounter – Spiegel der Gesellschaft“
  1. Eine kleine, im Zusammenhang des Artikels ganz nebensächliche Bemerkung:

    … „vertrieben“ …
    Ped (Zitat): „Millionen aus Osteuropa vertriebene Deutsche verschärfen noch die Mangelsituation in praktisch allen Bereichen“

    Meine Eltern kamen 1945 aus Ostpreußen. Zeit ihres Lebens haben sie sich als „Vertriebene“ bezeichnet. Wenn man ihre Schilderungen aber etwas unter die Lupe nahm, erzählten sie in Wirklichkeit von Flucht.

    Sie waren geflüchtet. Weil sie Angst vor ‚den Russen‘ gehabt hatten.

    Auf den ersten Blick klang das eigentlich schlüssig. Allerdings fragte ich nach und erfuhr: nicht alle Ostpreußen sind vor ‚den Russen‘ oder ‚den Sowjets‘ geflüchtet, sondern gar nicht so wenige sind dageblieben. Diese sind, anders, als es in Polen oder der Tschechoslowakei häufig der Fall war, auch später nicht „vertrieben“ worden. (Sie waren, wie ich später herausfand, von da ab halt ‚Russlanddeutsche‘ oder ‚Sowjetdeutsche‘ im Sowjet Kaliningrad, haben nicht selten ‚Nichtdeutsche‘ geheiratet und haben Enkel, Großenkel oder Urgroßenkel. Manche davon sind nach 1990 nach Deutschland oder sonstwohin ausgewandert, manche kehren in letzter Zeit nach Russland zurück)

    Über die „Dagebliebenen“ redeten meine Eltern stets voller Verachtung, ohne sich jemals im geringsten um sie oder ihr mutmaßliches Schicksal zu kümmern. Worauf eigentlich diese Verachtung beruhte, haben meine Eltern nie preisgegeben. Stattdessen besuchten sie „Vertriebenentreffen“.

    Irgendwelchen Sowjets oder Russen, die sie hätten vertreiben können, sind meine Eltern jedenfalls weder vor noch auf ihrer Flucht begegnet. Sie haben den westdeutschen „Lastenausgleich“ (‚Vertriebenen-Entschädigung‘ für verlorenes Vermögen – was selbstverständlich nur die wenigsten betraf ) eingestrichen, was sie und manche andere „Vertriebene“ schnell besser stellte als die meisten im Westteil Deutschlands, die nie Vermögen besessen hatten, egal ob vertrieben, geflüchtet oder nicht.

    Wenn ich meine Eltern fragte, warum sie eigentlich so eine Angst vor ‚den Sowjets‘ gehabt hatten und dafür sogar bereit gewesen waren, ihre angeblich so heißgeliebte Heimat zu verlassen, kam: nichts: Kein Wort, aber böse, überdeutlich strafende Blicken. Die Frage war – und blieb – streng tabu.

    Denn zuzugeben, dass sie R a c h e gefürchtet hatten, Rache für das, was Deutsche gerade noch den Menschen in der Sowjetunion angetan hatten, hätte ja auch bedeutet, dass sie es g e w u s s t haben – v o r der Flucht.

    Demnach kam die beschönigend auf alle und jeden angewandte Umdeutung in „Vertriebene“ gerade recht, solange sie nur aus dem Osten des vormaligen Reichs waren.

    [Über das gesamte Thema der Verbindung – vor allem meines Vaters – zum Nationalsozialismus (und sogar zu Hitler persönlich) haben meine Eltern zeitlebens eisiges Schweigen bewahrt. Was sie erzählten, stellte sich immer als ein Gespinst aus unbedeutenden Teilwahrheiten und krassen Lügen heraus.
    Einiges habe ich nach und nach über Dritte erfahren können, wenn auch bruchstückhaft, denn das Schweigekartell herrschte nahezu überall, sogar aufseiten von (deutschen) Gegnern der Nazis, wie ich herausfand. Denn für diese hätte es vielleicht bedeutet, für sie selbst Schmerzliches wieder lebendig zu machen. Dass dazu nicht jeder bereit sein konnte, verstehe ich.

    Und jetzt sind sowieso alle Zeugen längst tot.]

    1. Danke für diesen wirklich aufschlussreichen Kommentar, Marcus!
      Was ich mir wieder ans Klemmbrett hefte: Hüten wir uns vor leichtfertigen Verallgemeinerungen.
      Bei den „Vertriebenen“ dachte ich auch mehr an die aus Polen und der Tschechoslowakei, als an die aus Ostpreußen.

      Herzliche Grüße, Ped

  2. Am 16. April lief auf ard des Nachts die Doku “Mythos oder Masterplan” – “Die wahre Geschichte des Marshall-Plans”. Online unter dem Link noch bis Mitte Mai zu begutachten. Die Kernaussagen zusammengefasst: Kein einziger Dollar des Marshall-Plans erreichte Deutschland. Wirtschaftswunder war möglich, weil die deutsche Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschädigt war. Denn: Die USA haben sich an der Zerstörung der deutschen Industriegebiete durch ihre Bomber versucht, aber das war zu verlustreich für sie und so gingen sie dazu über, Wohnviertel und Infrastruktur zu bomben. Ursprünglich war für Deutschland der Morgentau-Plan geplant – Deutschland sollte deindustrialisiert und zu einem Agrarland umgeformt werden. Die Sowjetunion war dagegen. Der Marshall-Plan war ein Konjunkturprogramm für die USA. Die USA lieferten kein Geld nach Europa, sondern nur US-Waren, womit sie die eigene Wirtschaft ankurbelten. 70% der nach Deutschland gelieferten US-Waren setzten sich aus Tabak und Baumwolle zusammen. Deutschland musste diese Waren bezahlen. Die US-Baumwolle musste sogar vom deutschen Staat subventioniert werden, weil sie teurer als die ägyptische Baumwolle war und deutsche Unternehmen die US-Baumwolle deshalb gar nicht abnehmen wollten. Der Marshall-Plan war ein PR-Propaganda-Projekt. Reale Wirtschaftshilfen der Alliierten bestanden aus der Reduktion von Demontagen und Reparationszahlungen. Außerdem gaben die Zehntausenden allierten Soldaten ihr Einkommen in Deutschland aus. Während in der BRD das Wirtschaftswunder einsetzte – aus eigener Kraft, wie uns die Doku beibringt – war in der Ostzone weiter alles schlecht und die dortigen Bewohner haben sich nach der BRD gesehnt. Das Wirtschaftswunder ist “nicht das Ergebnis des Marshall-Plans, aber ohne Zweifel eine erstaunliche Erfolgsgeschichte”.

    Siehe hier: https://www.youtube.com/watch?v=8M21-uOQt9s

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