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Kritik zur Sicht eines Nahost-Korrespondenten der ARD.


Es ist die emotionale Verstrickung in den Konflikt, die es dem so Betroffenen unmöglich macht, tatsächlich vorurteilsfrei über die damit verbundenen Geschehnisse berichten zu können. Tief im Hinterkopf sitzt die Parteinahme, die es zulässt, dass man Informationen von ebenso verstrickten Quellen für glaubwürdig hält – Informationen deren Inhalt bar jeder Logik und deren emotionale Absichten dafür um so klarer sind.


Nachfolgend ein weiterer offener Brief an Jürgen Stryjak, aus Kairo berichtender Nahost-Korrespondent der ARD, seinerseits als Antwort auf dessen Text an mich vom 28. Mai 2019:


Sehr geehrter Herr Stryjak,

an dieser Stelle eine ausführliche Befassung mit Ihrem Antwortschreiben vom 28. Mai 2019, für das ich mich nochmals herzlich bedanke. Ich möchte diesem Text einen Rahmen geben, genannt:

Framing durch emotionale Verstrickung.

Zu Ihrer dankenswerter Weise gegebenen Aufhellung des redaktionellen Hintergrundes, was Beiträge von Journalisten und Korrespondenten betrifft: Mir war das Verfahren, bei dem der Journalist oder Korrespondent einen Text liefert, der dann von der Redaktion betitelt und mit einem Vortext versehen wird, zwar durchaus schon bekannt, aber im Falle des Studiums Ihres – und nicht nur Ihres – Berichts nicht bewusst. Daher ist es gut, dass Sie das erwähnten. Auch gilt das für den Hinweis, dass es sich um die Verskriptung eines Beitrags für den Hörfunk handelt.

Doch steht der Beitrag für sich. Man darf erwarten, dass im Prinzip jeder Leser den Bericht immer, so wie er da veröffentlicht ist – mit Ihnen, Herr Stryjak als Autor – auch als in seiner Gänze von Ihnen verfasst ansehen wird. Wenn Sie selbst nicht hinter dem Titel stehen, dann ist da etwas faul! Wenn Sie das trotzdem zulassen, sind wir beim Thema Opportunismus. Sie werden triftige Gründe haben, das für sich zuzulassen. Aber als Außenstehender sehe ich hier eine Unterwerfung innerhalb einer Redaktions-Hierarchie.

Ich selbst schreibe auch gern mal für andere Plattformen, auch für solche, die Titel und Einleitung der Beiträge selbst gestalten. Doch habe ich selbst das letzte Wort. Wird durch die enorm wirkmächtige Überschrift das Anliegen oder auch nur die Information verzerrt, dann habe ich die Möglichkeit, zu intervenieren und letztlich sogar die, den Beitrag zurückzuziehen.

Wir haben immer eine Wahl. Aber nicht immer ist die bequemere die bessere Wahl.

Sie und ich, Herr Styjak, wissen um gewisse manipulative Hebel, die es erlauben, Menschen in ihren Gedanken zu formen. Die stärksten Waffen sind Bilder und Überschriften, der sozusagen erste Eindruck. Weil ja vor jeder reflektierenden Auseinandersetzung mit einem Thema die emotionale Wahrnehmung steht – und nicht nur die sondern auch die emotionale Verarbeitung. Egal, wie wir etwas reflektieren, immer wird in erster Instanz die Halle der Emotionen in unserem Kopf jeden emotionalen Reiz verarbeiten und abspeichern. So lernt nun mal seit Jahrmillionen das Unterbewusste der Säuger, zu denen wir ja zählen.

Wenn also meine Kritik sehr stark und gleich anfangs auf den Titel und die dortige Aufführung des Begriffes „Rebellenhochburg“ fiel, dann hängt das genau mit der entscheidenden propagandistischen Macht zusammen, die damit auf den Leser wirkt. Sie erzeugt eine dominante Wirkung, die beim Empfänger im gesamten anhängenden Text nachhallt. Gewissermaßen schwimmt Ihr Text, Herr Stryjak, in der Suppe der manipulierenden Überschrift, geht praktisch in deren Botschaft auf.

Daher lässt sich diese Botschaft nicht einfach zu den Akten legen, um nonchalant zum Text überzugehen. Wir haben es hier mit einem außerordentlich starken psychologischen Hebel zu tun. Einer der uns aufzeigt, dass Journalismus eine tatsächliche fortwährende Herausforderung ist. Denn dort sind wir permanent gefordert, die eigene unbewusste (!), als Propaganda gefasste Manipulation zu reflektieren und dann aus der Arbeit zu entfernen.

Es gilt, die geistig gewalttätige Manipulation der Überschrift zu dekonstruieren und deshalb werde ich im Folgenden auf dieser Begrifflichkeit intensiv „herumkauen“.

Zuerst einmal geht es mir nicht um das Anfachen einer Diskussion, wie wir Rebellen konnotieren. Die Objekte der Rebellion werden diese naturgemäß negativ wahrnehmen. Die sich solidarisieren, sehen die Rebellion positiv. Aber rebellieren, auflehnen, sich widersetzen, ist gegen eine – vom Rebellierenden so wahrgenommene – Druck ausübende Ordnung gerichtet, die jenen vor Ort (!) in die Rebellion treibt. Es sind also Einheimische, die für eine Rebellion infrage kommen.

Bereits an dieser Stelle kann uns klar werden, warum „Rebellen“ und ihre Ableitungen durch die Meinungsführerschaft so gern benutzt werden. Denn damit stützen sie, wie auch „Aufständische“ die Geschichte eines angeblichen Bürgerkrieges in Syrien, der mit einem Volksaufstand begonnen haben soll. Die ständige Verwendung von „Rebellen“ und „Aufständischen“ hat also einen ideologischen Hintergrund und ist im Falle Syriens ein Indikator von Parteinahme.

Beide Begriffe werden in der eindeutigen Absicht gebraucht, Gefühle von Solidarisierung bei den Empfängern zu erzeugen. Die Begriffe werden nicht irrtümlich, sondern mit Vorsatz immer wieder in den Ring geworfen, um gerichtete emotionale Stimmungen aufrecht zu erhalten. Es ehrt Sie, Herr Stryjak, dass Sie das zumindest für sich nicht mehr mittragen.

Die entscheidenden Akteure vor Ort in Syrien,  welche damals, 2011, Gewalt wählten, auslösten und eskalierten, waren die syrischen Muslimbrüder. Framing – die eingeschränkte Wahrnehmung durch das kritiklose Hinnehmen eines Narratives – kann nicht nur mit den verschiedenen Aspekten gegenwärtiger Prozesse betrieben werden, sondern auch in der Zeit. Wer die Rolle der Muslimbrüder – nicht nur in Syrien – ausblendet, kann das, was 2011 in diesem Land los getreten wurde, nicht vollständig begreifen. Was aber bleibt ihm dann noch übrig, als zu glauben, dass es immer nur besonders böse Menschen sind, gegen die nun die Guten aufbegehren – kurz gesagt der „Volksaufstand gegen Assad“?

Es gilt zu erkennen: Die Proteste in Syrien im Jahre 2011 waren keine gewaltsame (!) Rebellion des syrischen Volkes. Die Proteste und Demonstrationen damals waren ein beredter Ausdruck von Unzufriedenheit, hatten sehr wohl handfeste Gründe und tatsächlich sind hunderttausende Syrer für Reformen in ihrem Land auf die Straße gegangen. Doch die Masse der Syrer war auch damals nicht an einem gewaltsamen Sturz ihrer Regierung interessiert.

Aber wenn man damals irgend Jemanden vielleicht als Rebellen hätte bezeichnen können, dann waren es die syrischen, radikal-islamistischen Muslimbrüder, die nämlich mit ihrer Ideologie rebellierten und mit ihrer Ideologie die Rebellion rechtfertigten. Doch sehe ich Menschen, die sich einer gewalttätigen Ideologie verschreiben, um mit Terror eine Gesellschaft umzugestalten nicht als Rebellen, sondern als Terroristen.

Natürlich wären die syrischen Muslimbrüder allein niemals in der Lage gewesen, diese Katastrophe in ihrem Land auslösen zu können. Doch hatten sie starke Gönner.

Die Muslimbrüder waren und sind also in Syrien seit Jahrzehnten als Terroristen aufgefallen. Diese Terroristen, Herr Stryjak, wurden jahrelang in den Hallen der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) hofiert. Sie wissen, dass die SWP der deutschen Regierung nahe steht und von ihr finanziert wird. Die Muslimbrüder waren gedacht als Teil einer neuen demokratischen Regierung in Syrien. Lässt Sie das nicht stutzig werden? Wie soll das funktionieren – mit Terroristen? Vor allem: Wer kommt auf so eine Idee?

Militante Islamisten in Syrien in eine neue „demokratische“ Regierung zu lancieren, war tatsächlich eine Idee US-amerikanischer und deutscher Politik. Das finde ich beunruhigend. Volker Perthes und Jeffrey Feltman verlieren darüber gegenwärtig nicht allzu viele Worte, aber sie wären dafür die geeigneten Ansprechpartner. Wenn ich aus Syrien berichte, halte ich es für notwendig, Informationen aus dieser großen Perspektive zu gewinnen und regelmäßig in diese zu wechseln. Das hilft mir ungemein, eine gesunde Skepsis gegenüber angebotenen Nachrichten zu pflegen. Denn ich kann eine mögliche Absicht hinter der Verbreitung der Nachricht erkennen.

Die Muslimbrüder hatten aus unterschiedlichen Gründen von jeher eine respektable soziale Basis in verschiedenen Gegenden Syriens. Aber die Masse der Bevölkerung wusste sehr wohl, was sie verkörperten: eine sektiererische, somit intolerante und zu Gewalt neigende Ideologie, eine Gefahr für den inneren Frieden des Landes. Aber genau diese Leute waren durch Nicht-Syrer, eben westliche, darunter deutsche Politiker, dazu auserkoren worden, an die Spitze eines „transformierten“ Syriens zu gelangen. Die syrischen Muslimbrüder könnte man also – mit Bauchschmerzen – als Rebellen bezeichnen. Aber das Herbe, was da zum Vorschein kommt ist, dass es auch unsere Rebellen sind. Islamistische Extremisten waren schon im Jahr 2011 unsere Rebellen. 

Unsere Rebellen waren also die Frontkämpfer des damals ausbrechenden syrischen „Bürgerkrieges“. Ohne Rebellen kein Bürgerkrieg, also mussten jene, die die Gewalt in Syrien entfachten, getauft werden – zu Rebellen und Aufständischen. Schon stimmt es wieder, das Narrativ vom bösen Diktator und dem guten Volk – ganz wie im Märchen. Wichtiges Merkmal von Märchen ist, dass sie extrem framen.

Was sind Rebellen? Ausländische und inländische islamistische Kämpfer sind Rebellen? Nein, das sind natürlich keine Rebellen, keine guten und keine schlechten Rebellen. Daher ist Idlib auch keine Rebellenhochburg. Idlib ist eine Hochburg islamistischer Söldner, die komplett aus dem Ausland finanziert und ausgerüstet werden. Denn eine funktionierende Wirtschaft gibt es in Idlib schon lange nicht mehr.

Warum stellt kein ARD-Journalist ernsthafte Untersuchungen über dieses Thema an? Also, wie finanziert sich Idlib eigentlich? Warum ist Idlib, die „Rebellenhochburg“ von den EU-Sanktionen ausgenommen und ein großer Teil deutscher Hilfsgelder fließt in dieses Gebiet? Wegen der armen Menschen? Glauben Sie das wirklich, Herr Stryjak? Was ist mit den armen Menschen im größten Teil Syriens, dort wo 90 Prozent der Syrer heute leben? Haben die keine Hilfe verdient?

Dort stehen Syrer tagelang mit ihren Autos in kilometerlangen Schlangen an Tankstellen, um eine rationierte Menge an Benzin zu bekommen. Parallel dazu muss Syrien bei den US-finanzierten und gelenkten sogenannten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) um das eigene syrische Öl betteln und es auch noch bezahlen. Denn Ostsyrien ist ja nicht befreit, wie Sie vielleicht annehmen, sondern es ist okkupiert – von fremden Truppen und in deren Auftrag handelnden Milizen. Während die USA und die EU auf allen nur denkbaren ökonomischen und monetären Ebenen das Land knebeln und es so komplett vom Außenhandel abzutrennen suchen, wird Syrien der Zugang zu seinem Öl verwehrt (1).

Wo ist der Aufschrei aus der ARD-Redaktion? Nach deren Berichten geht es doch immer nur um die armen Menschen – oder etwa nicht? Die Wichtung Ihres Beitrags geht ganz eindeutig in diese Richtung. Ihre Berichte gehen nicht über das hinaus, was mit Angriffen des Regimes auf Rebellen – inzwischen von Ihnen auch als Extremisten erkannt – zu tun hat und wie darunter die armen Zivilisten leiden. Darüber hinaus kommt nichts. Nichts von dem, was ich weiter oben andeutete. Das nenne ich Framing – eine eingeschränkte wie zielorientierte Wahrnehmung beziehungsweise ein so an andere Menschen, Ihre Hörer und Leser, vermitteltes Bild.

So wird die Wahrheit zugekleistert. Eine blutige Intervention verschwindet hinter der „Sorge um die Menschen“, wegen dem „Assad-Regime“. Wie von Zauberei ist das im Grunde Offensichtliche hinter der Fassade unseres westlichen Wertekodex verschwunden. Ironisch bezogen auf Ihren von mir kritisierten Beitrag: Dann muss man ja wohl auch Jemanden zu Wort kommen lassen, der diese furchtbaren Fassbomben überlebt hat. Darauf komme ich im weiteren noch zurück.

Die Militanten in Idlib haben modernste Waffen in Hülle und Fülle und sie verfügen auch noch permanent über ganz vorzügliche Informationen von diversen Nachrichtendiensten. Denn ansonsten würde es diese Söldner schon längst nicht mehr in Idlib geben. Um so einen Krieg über Jahre durchzustehen, wie es die Islamisten in Idlib tun, reicht keine Ideologie, kein Todesmut und keine Brutalität. Was so ein Krieg benötigt, sind Ressourcen, unglaublich viele Ressourcen. Es braucht zudem Geld und Zugang zu SWIFT, um Geld überhaupt vernünftig transferieren zu können. All das funktioniert in Idlib tadellos, so wie es auch beim Islamischen Staat in Syrien funktioniert hat. Warum beunruhigt Sie das nicht, Herr Stryjak? Oder wissen Sie das alles?


Wenn Sie sich das bewusst machen: Fällt Ihnen dann immer noch nicht auf, dass eine Überschrift, die von der „letzten Rebellenhochburg“ spricht, keinen Irrtum sondern eine blanke Lüge darstellt? Ist Ihnen nicht klar, dass damit Ihr gesamter Text unter diesem Dach der „Rebellenhochburg“ vereinnahmt wird?


Sie und Ihre Kollegen fokussieren beim Thema Idlib auf die armen Zivilisten und nehmen jede Möhre an, auf der Krankenhaus steht. Wissen Sie warum? Weil das emotional zieht und alles das, was ich gerade zu den „Rebellen“ in Idlib sagte, wirkungsvoll zudeckt. Denn wie gesagt, vor jeder Arbeit unseres Großhirns steht erst mal die Verarbeitung durch unser limbisches System. Dort aber, Herr Stryjak, sehe ich Sie in der Verantwortung – nämlich in der aufwändigen und kritischen Verarbeitung der emotional aufgeladenen Informationen. Das ist ohne Frage eine große Herausforderung.

Tausende und abertausende ausländische Kämpfer treiben sich in Idlib herum. Wenn ich mit einer Ideologie und von fremden Mächten bewaffnet, ausgerüstet und bezahlt in ein fremdes Land illegal einreise, um Krieg gegen einen souveränen Staat zu führen, dann bin ich kein Rebell und natürlich auch kein Aufständischer. Dann bin ich schlicht und einfach ein Terrorist. So einfach liegen die Dinge: Idlib ist eine Terroristenhochburg.

Das aber wagen Sie nicht zu sagen und auch nicht in ihren Berichten zu schreiben. Weil Sie Ihren Horizont auf das Syrien-Thema mit Absicht so eingeschränkt haben, dass Sie das Fatale, was trotz dessen noch immer da ist, so nicht mehr beachten müssen.

Denn – und diesbezüglich bin ich eigentlich erleichtert – Sie wissen ja, so wie es die Zeilen Ihrer Antwort aussagen, wer da in Idlib das Sagen hat. Dann muss es aber auch klar dem Rezipienten vermittelt werden. „Rebellen“ ist eine Mogelpackung, eine Falschetikettierung. Idlib ist eben keine – übrigens auch keine letzte – Rebellenhochburg. Es ist, wie gesagt, eine Terroristenhochburg. Hier unterstelle ich Ihrer Redaktion mal Vorsatz, weil „Rebellenhochburg“ eine dieser Krücken ist, um das wahre Problem Syriens zu verschleiern.

Eines kann uns klar sein: Hätten die Syrer tatsächlich ein fundamentales Problem mit der Regierung Assad gehabt, dann hätten sie es auch gelöst. Sie hätten es ohne jede Hilfe von außen selbst gelöst.


Das Problem in Syrien ist nicht Assad, sondern der Terrorismus – und das hat die ARD in acht Jahren niemals geschafft, auszusprechen. Die ARD, Sie Herr Stryjak sind in dem Sinne leider auch tätig, verstecken in ihrer Berichterstattung konsequent, dass der Krieg in Syrien den Syrern mit aller Macht aufgezwungen wurde und das das bis heute so weitergegangen ist.


DAS ist der wahre Grund für die propagandistische Überschrift mit der „letzten Rebellenhochburg“.

Was sind das für Aktivisten, die die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) mit Informationen versorgen? Warum hat SOHR solch einen großen Stellenwert bei den Massenmedien? Wer hat diesen tollen Namen erfunden, der gute Textilhändler aus Mittelengland? Glauben Sie das wirklich, Herr Stryjak? Die Gründung von SOHR erfolgte mit einem präzisen Ziel, dass sich in ein großes Konzept einbettet. Diejenigen, die dieses Konzept entwarfen und hauptamtlich umsetzen, haben sich angelegentlich darum gekümmert, dass SOHR sehr rasch zu einer Pseudo-Nachrichtenagentur aufstieg und dessen Informationen von Reuters, AP, dpa und AFP quasi zu „echten“ Informationen geadelt wurden. Wie passiert so etwas, Zufall? 

Brav streut Ihr Haus seit nun mindestens fünf Jahren die Nachrichten von SOHR – unglaubwürdige Nachrichten! Sie selbst haben auf Volker Schwenck und seine Analyse zu SOHR verwiesen. Er bestätigt es, tut aber so, dass man ja nehmen muss, was man kriegen kann. Es ist ja so schwer, an Informationen zu kommen. Wem soll man schon glauben. 

Genau das ist die große Frage, Herr Stryjak, wem glauben Sie? Woran machen Sie Glaubwürdigkeit fest? Bei SOHR ist die Glaubwürdigkeit schon deshalb nicht angebracht, weil dessen Gesamtberichterstattung eindeutig tendenziös und gegen die amtierende syrische Regierung gerichtet ist. SOHR ist parteiisch und wurde trotzdem umgehend in der westlichen Politik und deren Medien zur Nachrichtenplattform gekürt und so gut wie jeder Syrien-Beitrag der ARD-Tagesschau stützt sich auf die SOHR-Krücke. Herr Stryjak, ich bitte Sie, da stinkt doch was!

SOHR berichtet viel von armen Zivilisten, die unter Bombenangriffen leiden – dort in den „Rebellengebieten“. Könnte es da einen Zusammenhang geben – was meinen Sie?

Sich über Verbindungen von SOHR zu „Rebellen“ im Klaren zu werden, dürfte ganz entscheidend für die Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Quellen – der „Aktivisten“ – sein, auf die SOHR zurückgreift.

In fast jedem ARD-Tagesschau-Artikel zu Syrien haben wir also „Rebellen“, wir haben SOHR und wir haben – nicht zu vergessen – Bilder von den Weißhelmen, einer „Hilfsorganisation“. Aufgepeppt mit einer „Bestätigung“ der Nachrichten durch die UNO. Fällt das einem ARD-Journalisten irgendwann auf? Dieses miteinander verwobene Viergestirn produziert Nachrichten nach dem Baukastenprinzip. Deshalb ist die Art und Weise der Nachrichten, die die ARD dann verwurstet, in der Mehrzahl nach immer dem gleichen Muster gestaltet: „Rebellen“, SOHR, Weißhelme und gern auch die UNO oder AI oder HRW. Das ist doch ganz erstaunlich, finden Sie nicht auch?

Warum ist eine „UN-Angabe“ eine glaubwürdige Quelle? Weil UN drauf steht? Wo haben die Vereinten Nationen diese Informationen herbekommen? Haben Sie das mal geprüft? Gehört das nicht zu gutem Journalismus?

Erinnern Sie sich noch an die Hunderte von Krankenhäusern, welche angeblich die syrische und russische Luftwaffe in Aleppo bombardierte, Herr Stryjak? Haben Sie da mal im Rückblick recherchiert, wie es um die Glaubwürdigkeit der Informanten stand? Im Nachhinein ließ sich rasch belegen, dass die aus al-Qaida abstammende al-Nusra-Front in einer Reihe von Schulen und Krankenhäusern ihre Hauptquartiere, Befehlsstände und Sanitätsstellen aufgebaut hatte, teilweise gemeinsam mit den auch von Deutschland finanzierten Weißhelmen. Glauben Sie mir, Herr Stryjak, das habe ich mir nicht ausgedacht, es ist nachprüfbar und es ist schlüssig.

Wie lief gleich nochmal die Berichterstattung der ARD über Aleppo 2016?

  • „Rebellen“ – die Terroristen,
  • SOHR – die Nachrichtenschleuder der Terroristen,
  • Weißhelme – die Medienkompanie der Terroristen,
  • UNO – die von den westlichen Mitgliedern des Sicherheitsrates benutzte Weltorganisation,
  • „Sorge und Empörung“ und der Ruf einzugreifen – Futter für Ihre, meine, unser aller Emotionen, damit wir diesen Irrsinn mittragen.

Alle „Bausteine“ sind auch jetzt wieder ohne weiteres erkennbar und sie sind genau dort im Einsatz, wo sie im Sinne ihrer Erfinder gebraucht werden. Sie sind dort, wo sie Syrien erpressen können und dessen Partner Russland gleich mit – in Idlib. Schauen Sie sich in Ruhe diesen Baukasten und das Muster der Nachrichten an, die Ihr Haus zu Syrien verbreitet. Da ich über dutzende verschiedene Plattformen, Agenturen, Behörden und Blogs auf Informationssuche zu Syrien gehe, weiß ich seit einiger Zeit schon im voraus, wann die ARD-Tagesschau einen neuen Bericht – unter Zuhilfenahme obiger Tool-Box – an die Front werfen wird.

Die Weißhelme sind auch jetzt noch in Idlib und sie sind ganz nah an den Terroristen. Wir sind einer Meinung, wer da in Idlib vor Waffen kaum noch laufen kann. Die syrische Armee hat jetzt bei der Befreiung einer Stadt in der Provinz Hama einen unterirdischen Kommandostand des al-Qaida-Ablegers HTS entdeckt, inklusive Ausrüstungsgegenständen der Weißhelme. Das wäre doch mal einen investigativen Bericht wert, oder? Doch was höre ich über Idlib aus dem Mainstream: „Krankenhäuser, Krankenhäuser! Denkt nicht nach Medienkonsumenten, denkt nur an die Krankenhäuser!“ Das muss Sie doch stutzig werden lassen.

Wenn ich mit einer  solch verengten Perspektive das syrische Geschehen betrachte, dann berichte ich das, was ich emotional – bitte beachten Sie, emotional (!) – am Glaubwürdigsten empfinde.


Emotional den Blödsinn mit den Fassbomben zu glauben, ist absolut nachvollziehbar und keinesfalls ein Zeichen von Blödheit. Das können sogar sehr intelligente Menschen, gar Wissenschaftler glauben. Blödsinn bleibt es trotzdem.


Werden Fassbomben nur auf Idlib geworfen oder auch auf Damaskus oder Homs oder Aleppo? Assad unterdrückt doch sein eigenes Volk, deswegen doch die Fassbomben, oder nicht? Warum nur in Idlib? Haben Sie auch nur ein einziges Mal eine Information bekommen, dass ein Terrorist von einer Fassbombe getötet wurde? Komisch, immer nur Krankenhäuser.

Die syrische Armee bekämpft also gar nicht die Terroristen, sondern nur Zivilisten? Noch verrückter: „Assads Truppen“ bombardieren Zivilisten nur dann, wenn „Rebellen“ in der Nähe sind – und Kamerateams der Weißhelme – und Aktivisten von SOHR. Sind die bescheuert? Wie glaubwürdig ist das, Herr Stryjak?

Haben Sie einmal die Zahl der zerstörten Krankenhäuser in Idlib geprüft? Die für Sie glaubwürdigen Quellen haben es geschafft, Aleppo ein Vielfaches der Krankenhäuser aufzudrücken, die New York hat – nur damit der böse Assad die alle wieder kaputt machen kann? Das ist doch alles völlig widersinnig. Warum, Herr Stryjak, schauen Sie und Ihre Kollegen wie gebannt auf Ihre Quellen, vorzugsweise SOHR mit seinen Aktivisten oder auch AI oder HRW? Warum hinterfragen Sie nicht mit Ihrem eigenen kritischen Verstand, den ich Ihnen absolut zugestehe?

In Damaskus, Homs und Aleppo herrscht jetzt Frieden und es ist kein Burgfrieden. Es wird sicher so sein, dass auch die Leute dort nicht alles gut finden, was ihre Regierung macht. Entscheidend für die Menschen aber ist ganz ohne Zweifel: Da sind keine Terroristen mehr! Wirklich ganz erstaunlich ist – finden Sie das nicht auch: Dort schmeißt das Regime auch keine Fassbomben auf Krankenhäuser. Warum machen die das nicht, so es doch viel ungefährlicher als in Idlib ist – in der „Rebellenhochburg“?


Ganz einfach, die machen das deshalb nicht, weil es völlig hirnrissig wäre und genau deshalb tun sie es auch nicht in Idlib. Das zwingt uns natürlich die Frage auf, warum wir trotzdem aus diversen Quellen mit solch einem Mist versorgt werden – Sie nicht?


Ich kenne ein einziges Video, dass das Innere eines Hubschraubers zeigt, aus dem mehrere Leute mit Uniformen der syrischen Armee eine angebliche Fassbombe mit drahtgebundener Fernlenkung per Hand aus dem Helikopter wuchten. Sie kennen das Video? Schauen Sie es sich ruhig noch einmal kritisch an und ich meine danach fragen Sie vielleicht nochmals nach der Quelle – allerdings aus ganz anderen Gründen. Denn wer ist es, der den Medien solche Informationen zuspielt?

Die Story von den Fassbomben ist so hahnebüchen, dass sie ein Journalist, der angemessen seine Perspektive weitet, nicht mit der Kneifzange anzufassen wagt. Schon nach der technischen Logik sind die Berichte von den verheerenden Zerstörungen durch Fassbomben völliger Quatsch. Fassbomben können das nicht. Ist Bellingcat für Sie glaubwürdig, Herr Stryjak (2,3)? Oder die Weißhelme, geführt von einem britischen Geheimdienstmann, sind die für Sie glaubwürdig? Die Spitzen der Weißhelme durften über Monate die hirnrissige Erkenntnis verbreiten, dass Fassbomben Erdbeben auslösen (4). Ich kann mich jetzt nicht erinnern, dass auch nur ein ARD-Journalist wenigstens in einem Satire-Beitrag das mal auf die Schippe genommen hat.

Aber als emotionale Botschaft zur Stärkung des Feindbildes „Assad-Regime“ war der Unsinn der Weißhelme, gestützt von Bellingcat, unglaublich wertvoll. Die Botschaft hat das Publikum, also uns sehr wohl erreicht!

Nochmal: Es ist völlig unmöglich, dass Fassbomben massive Häuser zerstören oder gar Erdbeben auslösen können, weil ihre Konstruktion das ausschließt. Auch hierfür genügt ein Besinnen, kurzes Recherchieren und der gesunde Menschenverstand. Aber Sie schauen wie hypnotisiert auf eine Quelle. Wer, Herr Stryjak hat Ihnen die Quelle angeboten? Das interessiert mich ernsthaft. Wenn SOHR als Quelle dient und Leute von der UN bestätigen das, dann glauben Sie, dass Fassbomben zielgenau massive Häuser, zum Beispiel Krankenhäuser zerstören können? Echt?

Wenn Sie nun in einem Bericht einen Augenzeugen zu Wort kommen lassen, der eine Fassbombe gesehen hat – und dazu auch noch, was und wie sie etwas zerstört hat, kommen Sie nicht weiter, wenn Sie nicht zuvor irgendwann einmal die Möglichkeiten einer Fassbombe emotionsfrei analysiert haben. Was dieser Zeuge gesehen hat und wie er es interpretiert, sind zwei Paar Schuhe. Vielleicht hat er auch gar nichts gesehen. Sie aber lassen diesen Augenzeugenbericht unkommentiert stehen. Zu sagen, man habe ja nur eine Seite in einem Zitat zu Wort kommen lassen, ignoriert etwas äußerst Wichtiges:

Dass nämlich hinter dem Zitat eine starke emotionale Botschaft steckt, aber der Inhalt ganz offensichtlich rational nicht glaubwürdig ist.

Sie erst, Herr Stryjak, lassen auf diese Weise durch ihre eigene Berichterstattung den Blödsinn von den Fassbomben weiterleben. Das sind aber die wichtigen kleinen Marker, um weiter unseren Krieg in Syrien führen zu können. Der wird auch von unserem Land, unserer Regierung, mit der Duldung und gar Unterstützung der öffentlich-rechtlichen Medien mit massenhaft tödlichen Konsequenzen fortgeführt.

Ein kleiner Augenzeugenbericht von Fassbomben passt da gut. Dass Sie das nicht berechnend in dem Sinne tun, das ist mir schon klar.

Syrien fehlt es an Allem, aber an einem fehlt es sicher nicht: an Bomben, sehr zerstörerischen Bomben, russischen Bomben, teilweise nachgerüstet mit Zielortungssystemen. Russland selbst fehlen die erst recht nicht. Russland achtet darauf, dass Syrien diesen Krieg gegen Terroristen nicht verliert. Fassbomben sind in jeder Hinsicht Blödsinn, denn sie wären schiere uneffektive Vergeudung. Und weil es Blödsinn ist, gibt es wie viel nachprüfbare glaubwürdige Bilder oder Filme von Fassbombenabwürfen? Suchen Sie die Antwort.

Ein großes Problem unserer Medien – mindestens genauso groß wie das des Opportunismus – ist das der Verstrickung. Emotionale Verstrickung zwingt uns in ein Entscheidungsdilemma – das, einer Seite zu glauben und der anderen nicht. Auch wenn wir ständig versuchen, beide Seiten zu Wort kommen zu lassen, sind wir auf die jeweilige Partei fixiert. Ständig sind wir im Zweifel: Können wir das glauben oder nicht? Doch neue Quellen bringen uns keine Sicherheit, denn die Quellen selbst sind meist auch parteiisch, voreingenommen, von Rachsucht, Angst und Hass getrieben. Das ist in einem Krieg, so wie er in Syrien stattfindet, allzu verständlich.

Gibt es daraus einen Ausweg? Ja. Lösen Sie sich aus dieser Verstrickung und Sie betrachten Ihre Quellen und das, was diese Quellen Ihnen berichten, aus einer völlig anderen, erweiterten, vielschichtigen Perspektive.

Die Medien dieses Landes sind IM Krieg und das gilt auch für die Syrien-Berichterstattung. Sie sind verstrickt und dadurch nicht fähig, die Prozesse selbst auf Glaubwürdigkeit zu prüfen. Sie nehmen einfach die Quellen und meinen damit ihre Pflicht und Schuldigkeit objektiver, unvoreingenommener Berichterstattung genüge getan zu haben. Dem ist nicht so! Viele Journalisten und Korrespondenten sind sich weder bewusst, dass sie verstrickt und damit voreingenommen sind, noch ist ihnen klar, wie man sie damit skrupellos ausnutzen kann. Man schiebt ihnen die passenden Quellen, gern auch mehrere Quellen einfach zu.

Wenn Sie und Ihre Kollegen, Herr Stryjak, glauben, über den von Ihnen vorgelebten Umgang mit denen Ihnen explizit angebotenen Quellen ein objektives Bild über einen Konflikt zu erhalten und weitergeben zu können, dann sind sie – so meine ich – schwer auf dem Holzweg. Ihr kritischer, skeptisch prüfender, reflektierender Verstand ist gefordert die Information an sich zu prüfen und dann – aus einer erweiterten Perspektive – die Sammlung an Informationen. Welche Botschaft steckt hinter der einzelnen oder der Summe an Informationen?

Meine Erfahrung lehrt mich, auf die Emotion zu achten, die eine Nachricht in mir hinterlässt. Nicht der Sachinhalt ist der erste Punkt, den ich prüfe, sondern die hervorgerufenen Gefühle. Weil diese Gefühle mir eine Information geben, was der Absender der Botschaft von mir erwartet.

Was hindert die ARD, regelmäßig regulär nach Syrien einzureisen und von vor Ort zu berichten? Denn Ihr Problem, Herr Stryjak, ist doch ganz offensichtlich auch, dass Sie nicht über ein eigenes Bild von diesem Land verfügen. In Wirklichkeit steckt – ja, eine Unterstellung meinerseits – ganz tief in Ihnen das Bild vom Assad-Regime (böse), dem Bürgerkrieg (schlimm und außer Kontrolle geraten) und wir hier (die Guten), die zuschauen. Obwohl Sie sich ehrlich bemühen, objektiv zu berichten – davon bin ich wirklich überzeugt – stehen Sie auf einer Seite und das können Sie auch nicht einfach ändern, weil das in Ihrem Unterbewussten steckt. Es fehlt Ihnen das Gefühl der anderen Seite, der fremden, gefährlichen Seite. Das lässt sich nur durch Nähe auflösen.

Sie sind verraten und verkauft von Quellen, deren Glaubwürdigkeit durch das Fehlen der inneren Logik mehr als zu wünschen übrig lässt.

Volker Schwenck, Ihr Kollege, wurde von Ihnen in Bezug auf seine Analyse zur Glaubwürdigkeit von SOHR gelobt. Es geht aber primär (sekundär schon) nicht um SOHR, sondern um das was SOHR seit Jahren an Informationen verbreitet. DAS muss einen Journalisten stutzig werden lassen. Doch das tut es nicht und deshalb kommt so etwas raus. Waren Sie damals, 2016, auch so emotional berührt (b1)?


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Ganz sicher waren Sie es. Nicht nur Sie, auch ich war davon berührt. Jeder Mensch mit Empathie wird davon tief getroffen – selbst heute noch. Aber das Bild ist eine Lüge, eine richtig hässliche Lüge, die einen kleinen syrischen Jungen schamlos missbraucht. Eine Lüge die auch Ihr Haus, weil seine Angestellten emotional verstrickt sind, fleißig weiterverbreitet hat. Doch die Impulsgeber der Lüge haben diese Lüge natürlich absichtsvoll platziert und konnten sich sicher sein, dass auch Sie und Ihre Kollegen von der ARD-Tagesschau – das verarbeiten würden.

Diese Lüge – eine unter unzähligen – hat dazu beigetragen, den Krieg in Syrien wieder ein Stück länger werden zu lassen. Die Quelle der Lüge lässt sich auf einen laut ARD glaubwürdigen Aktivisten vor Ort in Syrien zurückführen, Mahmoud Raslan. Kennen Sie ihn? Eine Warnung vorweg: Sollten Sie sich an diesen Artikel wagen, werden Sie mit dem Thema Quellen aber unweigerlich auch mit den schlimmsten Abgründen der ARD-Berichterstattung zu Syrien konfrontiert.

Volker Schwenck (nachträgliche Korrektur siehe unten) hat im Jahr 2015 mit großer moralischer Abscheu über eine Ausstellung des Fotografen „Cäsar“ berichtet, der angeblich tausende Fotos von Folteropfern aus „Assads Gefängnissen“ aus dem Land geschmuggelt haben soll. Informieren Sie sich mal über „Cäsar“, Schwenck hat es nie getan. Er hat einfach die Quelle aufgesogen und die Verbindung zur UNO (die Guten) hat ihn emotional in den Vorgang verstrickt. Er hat es nicht geschafft, einmal in Ruhe die Botschaft, die dahinter stehende Auffordung kritisch zu untersuchen. All Jene, die „Cäsar“ aus der Kiste holten, seine Bilder im Foyer des UN-Sitzes in New York platzierten (warum wohl genau dort, was denken Sie?) und jenen „Cäsar“ dann auch wieder verschwinden ließen, haben all das sehr planvoll und zielorientiert getan.

Schwenck hat sich nie gefragt, ob das, was da in ihm EMOTIONAL ausgelöst wurde, bewusst und berechnend herbeigeführt wurde, damit er und mit ihm viele andere eben in dieser Weise über „Cäsar“ berichten. Sie selbst haben damals auch schon über Syrien berichtet, Herr Stryjak. Erinnern Sie sich, was Politiker damals lautstark forderten, natürlich in großer Empörung über die „Bestie Assad“? Auch Volker Schwenck bekam bei der ARD-Tagesschau die Bühne, das einzufordern. Es war ja ein Kommentar, daher journalistisch völlig in Ordnung? Das war er nicht! Denn sein bellizistischer Inhalt stand in Konflikt zu mehreren Artikeln unseres Grundgesetzes.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle, Ihnen einen Rat zu geben:

Fragen Sie bei der Prüfung einer Information zuallererst nach der emotionalen Botschaft und den Konsequenzen derer Befolgung. Erst mit der daraus gewonnenen Klarheit können Sie sich an die Sachinformation heranwagen – und schließlich an die Glaubwürdigkeit der Quelle.

Während ich Ihnen schreibe, purzeln in gewohnter Weise die immer nach dem gleichen Strickmuster gefertigten Artikel bei der Tagesschau heraus und desinformieren die Menschen, zum Beispiel dieser Beitrag von Anne Allmeling. Wie das Strickmuster aussieht? Oben nannte ich es und gerne können Sie es sich – spiegelbildlich zu Ihrem eigenen Beitrag – anschauen: „Rebellenhochburg“, „Aufständische“, „Aktivisten“, die armen Zivilisten, SOHR, die UNO als Quelle, und schließlich Fotos der Weißhelme zur emotionalen Verstärkung, damit der Leser in gewünschter Weise verstrickt wird und Partei ergreift.

Zurück nach Idlib, der syrischen Provinz, über die Sie berichteten:

Der nachprüfbare Tod von etwa 1.000 Islamisten aber auch dutzenden syrischen Soldaten innerhalb eines Monats in Folge der in jener Zeit laufenden Kampfhandlungen ist Ihnen dagegen keine Information wert. Ebenso gilt das für die Zerstörung von Unmengen an Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, mit schweren Waffen bestückten Pickups, Raketen- und Granatwerfern sowie Kommandobunkern und versteckten Tunnelsystemen. Würde das doch die Bombardements der syrischen und russischen Luftwaffe in ein völlig anderes Licht setzen.

Denn selbst die UNO – deren Quellen Sie uns vorenthalten – zitieren Sie in Ihrem Bericht mit  300 toten zivilen Opfern. Etwa 1.200 toten Kämpfern auf den beiden Seiten in nur einem Monat stehen 300 tote Zivilisten in mehreren Monaten gegenüber. Dort herrscht Krieg und im Krieg sterben auch Unbeteiligte. So ist das im Krieg, einem Krieg den unser Land mit führt. Aber forschen Sie doch mal nach, wie das Verhältnis von toten Zivilisten zu Kämpfern in Mossul und Raqqa in den Jahren 2016 und 2017 war. War da die Empörung bei der Tagesschau auch so groß? Wenn nicht, warum nicht? Denn sie hätte nach der Logik viel größer sein müssen. Doch im Framing gefangen, reagieren wir auf die Trigger, die man uns liefert.

Um den Rezipienten ein annähernd reales Bild der Ereignisse dort vermitteln zu können, sind Informationen über die Art und Weise der stattfindenden Kämpfe ein unbedingt notwendiger Teil der Berichterstattung. Der Sender, dem Sie zuarbeiten, Herr Stryjak, bringt davon NICHTS. Er bringt auch NICHTS davon, dass islamistische Extremisten in Idlib Zivilisten, „die mit dem Feind kollaborierten“, hinrichten. Bis zum heutigen Tag publizieren und bebildern diese Terroristen das auch in bewährter Weise über eigene Nachrichten-Agenturen (5,a1).

Die Weißhelm-Bilder, die die Tagesschau mit geradezu notorischer Ignoranz, ob der engen Nähe zu den Islamisten, in ihre Berichte einbaut, sind Augenöffner. Natürlich nur dann, wenn man sich dem Framing entzieht und von der märchenhaften Darstellung eines Bürgerkrieges in Syrien ablässt. Das ist er nicht und das war er nie. Aber die Weißhelme, die geradezu den Stallgeruch der Terroristen angenommen haben, schaffen es, genau Jene vollständig und immerfort aus den gelieferten Bildern herauszuhalten, die Ihr Haus Herr Stryjak gern als Propagandamaterial für den Konsumenten verhackstückt. Die Weißhelme sind in diesen Krieg verstrickt – und die Tagesschau ist es auch!

Fassen wir zusammen: Das Ganze hat nichts mit ausgewogener Berichterstattung zu tun, es dient komplett dem Narrativ, das hier seit Beginn des Syrien-Krieges durch Medien und Politik gepflegt wird.

Damit komme ich zum Kern:


Wenn es der deutschen Politik und den großen Medien wirklich um die Menschen in Syrien ginge, dann würden sie unverzüglich die umfassende Unterstützung für die Terroristen in Idlib einstellen und außerdem auf ihre Partner einwirken, gleiches zu tun. Ich bin mir absolut sicher, Herr Stryjak, dass dann der Spuk in Idlib in wenigen Wochen vorbei wäre und die syrischen Menschen dort endlich in Frieden leben könnten. Sie und Ihre Kollegen würden offen auf die kriegstreibende Politik Deutschlands in Syrien (6) hinweisen, die Folgen der Sanktionspolitik, die Abkoppelung vom Finanzmarkt, die versuchte diplomatische und politische Isolierung des Landes. Dort aber ecken Sie nicht an und deshalb – es tut mit leid es sagen zu müssen – halte ich Ihre und Ihrer Kollegen Sorge um die Menschen in Syrien nicht für redlich.


Sie haben mir mit Ihrer Antwort die Möglichkeit gegeben, meine Kritik zu präzisieren und an drei Aspekten ausführlich zu untermauern.

Der kritische Ton des nun endenden Textes möchte daher nicht verdecken, dass ich Ihnen für die Art und Weise ihrer Reaktion wie auch die damit gegebene Möglichkeit der weiterführenden Argumentation gegenüber einem ARD-Korrespondenten, aufrichtig dankbar bin.

Auch daher:

Herzliche Grüße,
Ped

 

Korrektur vom 11.5.2019 – außerhalb des Briefs an Herrn Stryjak:

Im Text ist mir ein inhaltlicher Fehler unterlaufen, der die Berichterstattung zu „Assads Folteropfern“ betrifft. Die von mir geäußerte Kritik richtete sich fälschlicherweise an Volker Schwenck. Gemeint war aber Georg Schwarte, der seit Jahren für die ARD aus New York berichtet.


Anmerkungen und Quellen

(a1) Herrn Stryjak sei gewünscht, dass er sich nicht von einer Quelle, wie Southfront abschrecken lässt – einer russischen Quelle mit Sitz auf der Krim und Verbindungen zum russischen Militär. Hier aufgeführt, gibt sie die Informationen der Primärquelle Iba’a (5) wieder, die in die Netzwerke von HTS eingebunden ist.

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Letzte nachträgliche Bearbeitung: 6.6.2019.

(1) 1.6.2019; https://flutterbareer.wordpress.com/2019/06/01/usa-zerstoeren-oellieferungen-zur-syrischen-regierung/

(2) April 2018; https://faktenfinder.tagesschau.de/ausland/angriff-duma-101.html

(3) Nick Waters; 21.9.2016; https://www.bellingcat.com/news/mena/2016/09/21/aleppo-un-aid-analysis/

(4) Jens Bernert; 17.11.2018; https://www.rubikon.news/artikel/die-lugen-der-macht-2

(5) 1.6.2019; https://southfront.org/hayat-tahrir-al-sham-executes-7-alleged-russian-spies-photos/

(6) Matthias Gebauer; 30.5.2019; https://www.spiegel.de/politik/ausland/mike-pompeo-in-berlin-bundeswehrjets-sollen-schutzzone-in-nordsyrien-absichern-a-1269961.html

(b1) Raf Sanchez; 18.8.2016; http://www.telegraph.co.uk/news/2016/08/17/this-picture-of-a-wounded-syrian-boy-captures-just-a-fragment-of/

(Titelbild) Mikrofon, Tonstudio; Autor: Joe007 (Pixabay); 1.6.2014; https://pixabay.com/de/photos/radio-studio-ton-rundfunk-aufnahme-1603230/; Lizenz: Pixabay License

Von Ped

4 Gedanken zu „Von Rebellen und Fassbomben“
  1. Grossartig, da fehlen mir die Worte.
    Werde es aber gerne noch ein paar mal lesen, so klar und trotzdem vorsichtig die Dissonanzen anzusprechen, wow.
    Auch was fuer den Rubikon?
    Wie immer, vielen Dank Herr Frey!

  2. Vielen Dank für diesen Artikel! Er bestätigt meine langjährige Skepsis gegenüber der offiziellen Berichterstattung über Syrien. Ich habe in vielen Richtungen der Poliitik mittlerweile ein Gespür entwickelt, das mich sehr oft an der veröffentlichten Meinung zweifeln lässt. Man fragt sich in solchen Fällen „Bist Du vielleicht doch ein Verschwörungstheoretiker?“. Aber ein um’s andere Mal werden meine Zweifel bestätigt und die vermeintliche Verschwörung wird von der Theorie zur Gewissheit, sodass ich mittlerweile weiß, dass ich meinem Gefühl trauen kann.

  3. Zur Zeit wird in der Syrien-Berichterstattung wohl eine neue alte Kampagne wieder aufgenommen, wie der „Infosperber“ berichtet:
    „Ex-Häftlinge berichten über Foltergefängnisse in Syrien“
    https://www.infosperber.ch/Artikel/FreiheitRecht/Ex-Haftlinge-berichten-uber-Foltergefangnisse-in-Syrien
    Da die Sache der „moderaten Rebellen“ in Idlib nicht besonders gut steht, und die von den USA angekündigten panzerbrechenden Waffen womöglich zu spät kommen, wird derweil an der Propagandafront nachgelegt. Mal sehen, was unsere Qualitätsmedien daraus machen.

  4. Ganz großes Kino, Ped!

    Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie tief Du Dich in das Thema Syrien eingearbeitet hast, zumal Du noch ein paar weitere Themen ähnlich gründlich beackerst. Dabei frage ich mich manchmal, wie Du das alles schaffst – ob Dir das noch gut tut, noch gut tun kann. Trotz dieser Sorge, bin ich aber froh, dass Du so tief in der Thematik steckst, dass Du die offiziellen Narrative hinterfragen und herausfordern kannst und dabei Deine Argumentation immer auch gut mit Quellen belegst. Etwas, was bei den – sich selbst so anpreisenden – Qualitätsmedien leider ziemlich aus der Mode gekommen ist.

    Das Einnehmen unterschiedlicher Perspektiven, das Einbringen verschiedener Stimmen, das Nachhalten wider das Vergessen, das Denken in Gesamtzusammenhängen… das kritische Hinterfragen von Regierungshandeln… das Anregen eines politischen Diskurses und Meinungsbildungsprozesses… Du füllst eine Lücke, die die Systemmedien mehr und mehr offen lassen. Du bist damit für mich deutlich näher am grundgesetzlichen Auftrag der vierten Gewalt als diese Institution selbst.

    Und trotzdem, Ped, Du als Einzelperson kannst diese Last nicht alleine tragen. Weder heute, noch auf immer fortgesetzt in dieser Intensität. Außerdem kannst Du auch wiederum nur eine Stimme im Kanon der vielen Stimmen sein, die wir im offenen Meinungsbildungsprozess unter Gleichen brauchen, um am Ende den großen Tanker Demokratie zu steuern. Nein, Ped, der Journalismus insgesamt muss wieder in die ihm grundgesetzlich zugedachte Rolle zurück.

    Mich treibt daher noch eine anderer Frage um: Menschen entscheiden sich ganz überwiegend aus idealistischen Gründen für die Profession des Journalismus. Im Studium lernen sie noch, was guter Journalismus ist, wie sie qualitativ hochwertige Arbeit leisten können usw. Doch kaum, dass sie auf die Realität des Arbeitslebens treffen, arrangieren sie sich mit dem System und verlieren ihre Ideale aus dem Blick. Um so mehr, um so schneller steigen sie die Karriereleiter herauf. Die wenigen, die sich nicht mit dem System arrangiert oder später irgendwann an einen Punkt kommt, an dem sie da nicht mehr länger mitmachen können, werden flugs aus dem System herausgeeitert. Manche schaffen es in die alternativen Medien. Das muss man sich aber auch erstmal leisten bzw. mit den Nachteilen leben können. Wer Verantwortung für Kinder und eine Familie hat, muss unter Umständen die Faust in der Tasche machen. Ich hatte hier im Forum vor einer Weile von der Entwicklung bei den Krautreportern berichtet. Die jungen Journalisten dort haben sich damals voller Enthusiasmus in das Abenteuer eines neuen Onlinemediums gestürzt, haben sich selbst die Regeln geschrieben und losgeschrieben. Es hat kaum zwei Jahre gedauert, bis die Inhalte systemkonform waren. Einen ähnlichen Effekt, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt, habe ich bei Perspective Daily erlebt. Ich fände es extrem hilfreich, wenn wir mehr darüber in Erfahrung bringen könnten, was da in den Redaktionsstuben so abgeht und binnen kürzester Zeit eine solche Anpassungsleistung erzwingt. Nur, wenn wir diese Mechanismen ans Tageslicht zerren, können geeignete Gegenmaßnahmen entwickelt werden.

    Herr Stryjak hat in seinem ersten Antwortschreiben immerhin erste zarte Hinweise gegeben. Ich würde mir mehr Hintergrundinformationen zum journalistischen Alltag wünschen, die die Qualitätsmängeln in unseren Qualitätsmedien erklären. Das fände ich effektiver als in diesem konkreten Fall die eine oder andere Schwäche in der journalistischen Arbeitsweise aufzuspießen oder sich gar über die Auslegung bestimmter Informationen oder die Einordnung bestimmter Quellen zu (ver-)streiten.

    Deinen Hinweis, während des Lesens immer zuerst auf meine Emotionen zu achten und die verstandesmäßige Analyse einen kleinen Moment lang zurückzuhalten, will ich mal ausprobieren. Dies Methode bewusst einsetzen zu können, wäre, wenn ich Dich richtig verstanden habe, eine wichtige Kulturtechnik, um meine Widerstandskraft gegen versuchte manipulative Übergriffe zu erhöhen.

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