Ob sie will oder nicht. Die bislang US-geführte Proxy-Miliz SDF muss sich entscheiden.


Nachdem die Existenz des Islamischen Staates (IS) auf syrischem Territorium Vergangenheit geworden ist, hat der militärische Arm der von Washington ausgerüsteten und geführten sogenannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) seine vorgeschoben wichtigste Daseinsberechtigung verloren – und mit ihm seine Fürsorger.


Der Premierminister Irakisch-Kurdistans hat die Führung der SDF unmissverständlich aufgefordert, in ernsthafte Verhandlungen mit der syrischen Führung zu treten, um die Wiederherstellung der syrischen Einheit voranzutreiben (1).

Wenige Tage später beschwerten sich Sprecher der SDF bitterlich über die „Behandlung“ durch den syrischen Verteidigungsminister und legten Wert darauf zu erinnern, dass sie – die SDF – es doch gewesen sei, die große Teile des nördlichen und östlichen Syriens befreit habe (2). Syriens Ali Abdullah Ayoub hatte nämlich in einer Pressekonferenz betont (wobei er Idlib einbezog):

„Wir machen keinerlei Kompromisse, wenn es darum geht, unsere [Syriens] Souveränität zu verteidigen, […] die syrische Regierung wird das Problem auf einem von zwei Wegen lösen: einer Versöhnungsvereinbarung oder der Befreiung des gewaltsam besetzt gehaltenen Territoriums, […] die syrische Regierung wird früher oder später die vollständige Kontrolle über alle syrischen Gebiete wiedererlangen. Idlib ist da keine Ausnahme.“ (3, Übersetzung durch Autor)

Allein die Besetzung der Pressekonferenz war eine Demonstration. Neben Ayoub saßen Othman al-Ghanimi, Generalstabschef der irakischen Streitkräfte und Hossein Bagheri aus dem Generalstab der iranischen Armee. 

Der syrische Minister hatte klar gemacht, dass politische Spielchen der von Washingtons Gnaden abhängigen SDF irgendeinen staatsrechtlichen Status einzuräumen, nicht zur Debatte stehen. Entweder gibt es – wie in vielen anderen Teilen Syriens geschehen – Versöhnungsvereinbarungen oder die syrischen Militärs werden es sein, die die Souveränität über alle Gebiete – auch östlich des Euphrat – wiederherstellen.

Das Ganze ist umso bemerkenswerter, da der kurdisch-irakische Premierminister Mitglied des mächtigen Barzani-Clans ist, welcher über Jahrzehnte von der US-amerikanischen CIA und später der US-Regierung direkt protegiert worden war (4). Der Einfluss Washingtons schwindet also nicht nur zusehends in Syrien sondern sowohl bei der irakischen Zentralregierung in Bagdad als auch den politischen Akteuren im kurdisch-irakischen Erbil. Nechirvan Barzani wies in diesem Zusammenhang auf eine historische Wachablösung hin:

„Für alle von uns ist es wichtig, stabiler Nachbarn zu haben, so auch Syrien, aber ganz besonders wichtig ist es für Russland. Sie sind bei diesem Punkt sehr deutlich. Ihre Strategie ist angelegt in Richtung eines sicheren, stabilen Syriens. Sie können ein Schlüsselspieler im Aushandeln einer Vereinbarung zwischen den Kurden und der Regierung sein […]“ (5, sinngemäße Übersetzung durch Autor)

und um keinen Zweifel zu lassen, dass er tatsächlich eine Wachablösung meinte, fügte er hinzu:

„Die Kurden sollten vielleicht nicht zu lange warten, um die US-amerikanische Präsenz zu erkennen, als das was sie ist, eine vorübergehende Präsenz […]“ (6, sinngemäße Übersetzung durch Autor)

Aufschlussreich ist, dass der Druck auf die SDF inzwischen von vier Seiten ausgeübt wird und beständig anwächst. Die Türkei, der Irak, selbstredend Syrien, aber auch die kurdische Regierung im kurdisch-autonomen Teil des Nordirak sind es, die damit auch den USA mitteilen (a1), dass der weitere Aufenthalt derer Truppen im Irak wie auch in Syrien nicht erwünscht ist. Andererseits haben sie allesamt intakte Beziehungen zu Russland und erkennen dessen Interessen in der Region auch als die ihren an.

Niemand dieser in der Region einflussreichen politischen Akteure redet dabei von einer iranischen Gefahr. Ausgenommen sind interessanterweise nur Jene, die den Krieg gegen Syrien und den Irak über Jahre befeuert haben: Saudi-Arabien und Israel, ein extrem antisemitischer Staat im Bündnis mit dem zionistischen Staat mit Sitz in Tel-Aviv und Jerusalem (7).

Die weiter oben angeführte Argumentation der SDF, Ostsyrien vom Islamischen Staat befreit zu haben, dient der Pflege einer B-Geschichte vom tapferen Freiheitskampf eines kurdischen Volkes – das es so nie gab – und verdeckt, dass alle – wirklich alle – militärischen Operationen der SDF / YPG letztlich unter dem Kommando und auf Befehl des Stabes von Inherent Resolve durchgeführt wurden. Nie waren diese Milizen unabhängig und so sollte es auch bleiben. Es hat leider – das sei an dieser Stelle eingeschoben – auch Immer gehirngewaschene Deutsche gegeben, die illegal nach Syrien reisten, um „die Welt besser zu machen“ und sie gingen nicht nur zum Islamischen Staat sondern auch zur kurdischen YPG – Kanonenfutter für „höhere Interessen“ (8).

Ein Auflösen der SDF oder ein Eingehen ihrer Kämpfer in die Strukturen der Syrischen Arabischen Armee nimmt den USA und ihren Verbündeten das derzeit wichtigste Pfand aus der Hand, um weiter in Syrien präsent zu bleiben. Zumal nun auch die zuvor dutzende Male angekündigte letzte Schlacht gegen den IS tatsächlich zu Ende ging (9). Oder ist die geordnete Evakuierung von Halsabschneidern – samt ihrer kaum weniger extremen Familienangehörigen – noch immer nicht abgeschlossen?

Über Monate wurden seit Dezember 2018 tausende, vor allem ausländische IS-Kampfer in einer winzigen Enklave östlich des Euphrat bei al-Bukamal ausgesiebt. Die Sicherung am Boden oblag der SDF (10) – unter aufmerksamer Betreuung diverser Spezialeinheiten aus den USA, Großbritannien und Frankreich. Fast 70.000 Menschen sollen bislang aus der IS-Enklave geholt worden sein (11). Wer von jenen gekämpft und gemordet hat und was mit den geschlagenen Kämpfern des IS geschah und geschieht, weiß kein Mensch.

Die nächsten Tage werden nun wieder interessant. Denn US-Präsident Donald Trump hat ein weiteres Mal den endgültigen Sieg über den IS verkündet und jeder seiner politischen Gegner aus dem Hause der Ziocons weiß, was er damit meint: vollständiger Abzug der US-Truppen aus Syrien. Also wird die Kakophonie über die Bedrohung durch den Islamischen Staat neue Fahrt aufnehmen. Sein „Nationaler Sicherheitsberater“, Herr Bolton hat schon einmal den Anfang gemacht (12) und unsere Massenmedien helfen. Wirkmächtige, unterschwellige Propaganda der ARD-Tagesschau, gepaart mit jedweder Beratungsresistenz? Bitteschön:

„Beobachter warnen, der „IS“ sei noch nicht besiegt.“ (13)

Wirklich interessant ist, wie unter Trump ein aus dem extremen neokonservativen Spektrum stammender Hardliner nach dem anderen in hohe Positionen berufen wird, um dann verbraucht und schließlich gegangen zu werden. Schauen wir mal, wann es auch Bolton betrifft.

Bitte bleiben Sie schön aufmerksam.


Anmerkungen und Quellen

(a1) Es ist auch sehr gut möglich, dass die an die kurdische SDF gerichtete Verlautbarung der Barzani-Führung in Abstimmung mit der US-Regierung verfasst wurde.

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden.

(1,2,5) 17.3.2019; https://southfront.org/iraqi-kurdistan-pm-syrian-kurds-should-negotiate-with-damascus-government/

(3) 19.3.2019; https://southfront.org/syrian-defense-minister-syrian-democratic-forces-are-only-card-remaining-in-u-s-hands/

(4) 14.10.2017; https://de.usembassy.gov/de/zur-aktuellen-lage-im-kampf-gegen-is/

(6) 20.3.2019; https://southfront.org/syrian-democratic-forces-respond-to-syrian-defense-minister-threats-vows-to-retaliate-to-any-attack/

(7) https://braunschweig.deutsch-israelische-gesellschaft.de/zahlen-und-fakten-ueber-israel; abgerufen: 22.3.2019

(8) Hannes Heine; 28.10.2015; https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/ein-berliner-kaempft-mit-den-kurden-gegen-den-is-wem-die-stunde-schlaegt/12409684.html

(9) 20.3.2019; https://flutterbareer.wordpress.com/2019/03/20/islamischer-staat-verliert-sein-letztes-gebiet/

(10,12,13) 11.3.2019; https://www.tagesschau.de/ausland/kurden-syrien-is-101.html

(11) 21.3.2019; https://deutsch.rt.com/der-nahe-osten/86157-syrien-sdf-bestreitet-bericht-ueber-niederlage-is/

(Titelbild) Hund, Jagdhund, Laub, Herbst, faul; Autor: ElaSchm (Pixabay); 7.11.2018; https://pixabay.com/de/photos/weimaraner-wald-herbst-grau-3806655/; Lizenz: Pixabay License

Von Ped

2 Gedanken zu „Syrische Kurdenmiliz wird zum Jagen getragen“
  1. Danke

    —-

    Ihre Geste ist nett, danke dafür. Beachten Sie aber bitte, dass der Spam-Filter dermaßen kurze Antworten normalerweise im Daten-Orkus versenkt. Beste Grüße, Ped

  2. Hallo Ped.
    Vor ziemlich genau einem Jahr schrieb Charls Hugh Smith den Artikel „Decrypting the Appointment of John Bolton“ – Die Entschlüsselung der Ernennung von John Bolton. Darin gab er John Bolton etwa ein Jahr im Amt des Sicherheitsberaters. Das Jahr ist um und ich würde mich wundern, wenn er nicht bald gefeuert werden würde.

    Viele Grüße

    —-

    Sorry, der Spam-Filter geht ziemlich restriktiv zur Sache, daher die verspätete Freischaltung; Herzlich, Ped

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