Die Alten haben es vermasselt, die Jungen dürfen ran.
So, wie die Dinge in den letzten Jahrhunderten gelaufen sind, haben Kinder immer nur gelernt, wie man die Fehler der Erwachsenen wiederholt. Lernen war ein betreutes Lernen, ein Austreiben vom Kind sein, statt dessen eine Indoktrination für Systemkonformität, also eines Funktionierens im Sinne von Macht und Herrschaft. Ruben Schattevoy meint, dass es Zeit ist, mit dieser verhängnisvollen Tradition zu brechen. Und er ist bereit, seine Gedanken mit Ihnen zu diskutieren.
Die Schulstreiks werden aktuell gehypt – in den Systemmedien ebenso wie in den Freien Medien. In den letzten Tagen habe ich viele Artikel und Kommentare gelesen und in den Foren teilweise auch mitdiskutiert. Gerade in den Freien Medien herrschen überwiegend wohlmeinende Artikel vor, die Kommentare sind kritisch.
Die Schulstreiks und der mediale Umgang mit diesen legen den Blick auf ein tieferliegendes Thema frei – den politischen Generationenvertrag.
Mal wird den jungen Menschen vorgeworfen, sie gefährdeten den Fortschritt, das Wachstum, die Wirtschaft oder die Arbeitsplätze, mal wird betont, dass wir Schulpflicht hätten und in einer Demokratie lebten, mal werden Faulheit oder politische Unerfahrenheit unterstellt, mal werden die Schulstreiks als Trittbrett für persönlichen Steckenpferde missbraucht und mal werden die eigene Lethargie, das eigene Scheitern, die eigenen Ängste, die eigenen Feindbilder und auch die eigenen Verschwörungstheorien auf die jungen Menschen projiziert.
Allen diesen Einordnungen ist eines gemein – sie entspringen der Perspektive der »Elterngeneration« und wirken gegenüber der eigenen »Kindergeneration« beängstigend empathiefrei.
Die heutige »Großelterngeneration« ist die letzte Generation, die für sich reklamieren kann, dass es zu ihrer aktiven Zeit noch objektiv Bedarf an Fortschritt und Wachstum gab und dass sich die Grenzen des Wachstums damals auch noch nicht konkret am Horizont abgezeichnet haben.
Die heutige »Kindergeneration« wird, wenn die Dinge einfach ihren Lauf nehmen, die erste Generation sein, deren Lebensspanne unterhalb der natürlichen Lebenserwartung liegt, weil die Grenzen des Wachstums überschritten werden. Wenn die heutige »Kindergeneration« selbst noch Kinder bekommt, läuft sie Gefahr gleichzeitig mit ihren Kindern von diesem Planeten abzutreten.
Die heutige »Elterngeneration« befindet sich so gesehen in einer historisch einmaligen Situation, die so noch nie da war und so auch nie wieder sein wird. Sie steht am Umkehrpunkt dieser über viele Generationen fortschreitenden Entwicklung.
Die Lebenserwartung unserer Generation wird durch die Grenzen des Wachstums vermutlich nicht eingeschränkt werden. Objektiv und global betrachtet gibt es heute keinen Bedarf mehr an Fortschritt und Wachstum (wohl aber an einer vertikalen und horizontalen Umverteilung). Als Generation zocken wir (wir wetten auf den immer währenden technologischen Fortschritt) und feiern eine Dauerparty auf Kosten anderer – dem Rest der Menschheit im globalen Süden, aber eben auch der eigenen »Kindergeneration«. Die Ideologien der Vergangenheit sind mit unserer Generation zu hohlen Dogmen verkommen, die nicht mehr an unsere Ideale andocken.
Welchen Sinn soll das Leben haben, wenn wir in absehbarer Zeit keine lebenden Nachkommen mehr haben? Mitglieder der »Großeltern- und Elterngeneration«, die sich diesen Erkenntnissen nicht verschließen, müssen doch zu dem Schluss kommen, dass alles nichts ist, wenn es nicht der Zukunft der »Kinder- und Enkelgeneration« dient. Alles politische Handeln der »Elterngeneration« muss sich doch daran orientieren, dass die Menschheit dauerhaft unterhalb der Grenzen des Wachstums bleibt.
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis hat die »Kindergeneration« alles Recht der Welt, das Heft des Handelns in die eigenen Hände zu nehmen – mithin unserer Generation das Heft des Handelns aus den Händen zu reißen. Unsere Generation hat wahrlich mehr als genug bewiesen, dass sie unfähig ist, die Zukunft der Menschheit zu sichern.
Aus der Perspektive der »Kindergeneration« sind sämtliche weiter oben beschriebenen Einordnungen der »Elterngeneration« wahre Zumutungen. Ausgerechnet die eigene »Elterngeneration« instrumentalisiert die Schulstreiks für ihre Zwecke. Welch bittere Erkenntnis!
Wenn wir »Elterngeneration« wollen, dass das Leben weitergeht, müssen wir dafür sorgen, dass die »Kindergeneration« so schnell wie möglich auf den Fahrersitz kommt und ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass sie sich selbst geradewegs in den Untergang steuert. Die »Kindergeneration« muss so bald wie möglich Selbstwirksamkeit beim Lenken verspüren, dann erst setzt der politische Lernprozess ein. Dabei geht es explizit nicht um ein von der »Elterngeneration« angeleitetes oder betreutes Lernen. Die »Kindergeneration« wird und muss ihre eigenen Fehler machen, fallen, sich wieder aufrappeln und dabei lernen – anders hat Lernen noch nie funktioniert. Umso früher die »Kindergeneration« zum Treiber der Geschehnisse wird, umso besser sind die Aussichten, dass die Menschheit gerade nochmal davonkommt.
Wenn wir »Elterngeneration« den Generationenwechsel nach Kräften unterstützen, statt ihm im Weg zu stehen, schaffen wir es vielleicht gerade noch, dass die Generationen verbunden bleiben und nicht noch eine neue Front »Jung gegen Alt« entsteht – die sich bildende Frontlinie ist leider schon nicht mehr zu übersehen. Wenn es uns gelingt, verbunden zu bleiben, können wir der »Kindergeneration« sicher noch mit viel Rat und Tat zu Seite stehen – aber nur, wenn wir dazu eingeladen werden.
Wenn wir uns dem verweigern und uns noch länger am Steuer festkrallen, verzögern wir das Lernen der »Kindergeneration«, erzwingen einen Energieverlust bei der »Kindergeneration«, weil sie uns zuerst noch beiseite räumen muss und verunmöglichen, dass die »Kindergeneration« unsere Erfahrungen überhaupt abruft und dadurch hoffentlich manchen Fallstrick vermeiden kann.
Ich baue darauf, dass die »Kindergeneration« von alleine darauf kommen wird, dass die Zukunft noch von vielen anderen Risiken bedroht ist, die in den Freien Medien immer wieder besprochen werden. Wenn sie diese Risiken erkannt hat, wird sie sicher froh sein, auch dort auf unsere Erfahrungen zurückgreifen zu können – aufdrängen sollten wir ihr unsere Erkenntnisse aber nicht.
Anmerkung und Quellen
(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen – einschließlich Nennung des Autors – kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden.
(Titelbild) Junge, Buch, Lachen; Autor: StockSnap (Pixabay); 23.8.2016; https://pixabay.com/de/photos/junge-lachen-lesung-kind-kinder-2604853/; Lizenz: Pixabay License
Hallo Ruben.
Die Aufgabe der Elterngeneration sollte darin bestehen, der Kindergeneration das nötige Handwerk beizubringen, um etwas zu verändern. Meine Wahrnehmung der Freitagsdemonstrationen ist die, dass die Schüler keinen einzigen Beitrag zur Verbesserung der Situation leisten. Sie sind nicht in der Lage, Zusammenhänge zu erkennen, da wir (als Elterngeneration) nicht in der Lage sind, Zusammenhänge zu erklären. Wir als Elterngeneration sind ja selbst nicht in der Lage, Zusammenhänge zu erkennen. Die allerwenigsten sind in der Lage, sich wissenschaftliche Studien zum Thema Klima herzunehmen, zu analysieren und die Aussagen zu verifizieren oder zu falsifizieren. Das liegt in Deutschland schon daran, dass entsprechende Studien in überwiegend in englischer Sprache publiziert werden und die deutsche Sprache somit von der Wissenschaft abgekoppelt ist. Da wird in der Klimadebatte darüber fabuliert, dass es in Nordamerika einen Temperaturanstieg von 40 Grad innerhalb von zwei Tagen gibt und schiebt solche Extreme auf den Klimawandel. Wenn man aber beachtet, dass 40 Grad Fahrenheit – ja, Temperaturangaben in Nordamerika erfolgen nicht in Grand Celsius – in etwas 22 Grad Celsius entsprechen, wird man sich schnell daran erinnern können, dass es solche Temperaturschwankungen seit Jahren in unseren Breiten mehrmals im Jahr gibt. Und je kontinentaler die Klimazone, desto größere Temperaturschwankungen sind möglich. Wissen das die Schüler, die das Steuer übernehmen sollen? Wissen dass die Eltern, die den Schülern das führen des Fahrzeugs erklären? Wurde das in der Schule gelehrt?
Die Schülerdemonstranten betonen zwar, dass es um ihre Zukunft geht, aber wer soll denn etwas unternehmen? Die Schüler? Die Eltern? Nein, die Großen (Politik und Wirtschaft), die etwas ändern können. Das ist dann allerdings „autonomes Fahren“. Ins Auto setzen und dank einer höheren Gewalt ans Ziel kommen. So verbringt jedoch schon die Elterngeneration ihr Dasein.
Lieber Ruben, wir müssen erst einmal wieder lernen, dass Steuer selbst in die Hand zu nehmen (auf Peds Blog sind viele schon dabei, dies zu tun). Dann können wir den Kindern das entsprechende Handwerkszeug an die Hand geben.
Ja, die Alten haben es vermasselt. Aber die Jungen können nicht ran. Denn die Alten haben das Steuern einer Elite überlassen, die jetzt schon die Jungen in ihrem Interesse steuert.
Denn wichtiger, als für das Klima zu streiken, wäre zu lernen, wie das Klima funktioniert. Und dazu sind Eltern nötig, die erlangtes Wissen weitergeben.
Viele Grüße
Lieber BjörnsTipp,
unsere Generation beweist immerfort, dass sie unfähig ist, politisch verantwortungsvoll handeln und ertränkt ihren Kummer dabei lieber in einer gigantischen Dauerparty.
Die Studie »Global 2000« ist seit meiner Jugend verfügbar. Alles was unserer Generation dazu eingefallen ist, ist »Grünes Wachstum«, das Zocken auf den immerwährenden technologischen Fortschritt, die Externalisierung zu Lasten des Globalen Süden und die Geldschöpfung zu Lasten der Kindergeneration.
Ich bin überzeugt, dass betreutes Lernen ein Widerspruch in sich ist. Lernen funktioniert nur, wenn der Lernende in seiner Meinungs- und Entscheidungsfindung frei ist und dabei Selbstwirksamkeit verspürt. Lernen ist immer die Folge eines vorangegangenen Fehlers, den der Lernende sich selbst zurechnet.
Unsere Generation hat, seit sie es sich auf dem Fahrersitz bequem gemacht hat, die Möglichkeit genutzt, Fehler zu Lasten Dritter zu begehen. Sie hat sich die Folgen ihrer Fehler nicht zugerechnet. Daher hat das mit dem Lernen bei uns auch nicht funktioniert.
Ich bin für mich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kindergeneration so schnell wie möglich auf den Fahrersitz gehört. Sie braucht kein betreutes Fahren – schon gar nicht von einer Elterngeneration, die bis heute das Fahren nicht gelernt hat.
Lernen will auch gelernt sein. Insofern wäre es in einer idealen Welt sicher besser, wenn die Übergabe der Verantwortung Zug um Zug erfolgen würde. Die Teilverantwortung muss dabei aber bei jedem Zug immer ganz übergehen. Sonst gelingt das mit dem Lernen und dem Lernen Lernen nicht.
Läuft Deine Vorstellung nicht auf Prokrastination hinaus? Und wenn Du für Dich rekapitulierst, wie Du in Deinem Leben gelernt hast, passt das zu Deinen Vorstellungen, wie es weitergehen soll?
Viele Grüße
Ruben
Handelt es sich um Prokrastination, wenn der Kindergeneration die Funktionsweise und die Einsatzmöglichkeiten von vorhandenen Werkzeugen gelehrt wird, anstatt sie in völliger Unkenntnis dieser Möglichkeiten auf den Fahrersitz zu setzen? Das würde bedeuten, dass sie bereits vorhandenes neu erfinden müssen, bevor eine Weiterentwicklung stattfinden kann.
Natürlich müssen eigene Erfahrungen gesammelt werden. Ganz wichtig, dass weitergegebene Wissen muss hinterfragt werden und Zusammenhänge erkannt werden.
Wenn ich rekapituliere, wie Ich in meinem Leben gelernt habe und ob das mit meinen Vorstellungen, wie es weitergehen soll, zusammen passt, stelle ich zuerst einmal fest, dass mich dies zum Zeitpunkt des schulischen Lernens überhaupt nicht interessierte. Vieles konnte durch auswendig lernen gute Noten bringen, ohne auch nur das geringste Verstanden zu haben. Durch diese Möglichkeit, mittels auswendig Lernens zu bestehen, erfolgt allerdings kein erkennen von Zusammenhängen und kein Hinterfragen.
Ein erstes Hinterfragen setzte bei mir erst ein, als ich bezüglich Gesundheitsfragen von der Schulmedizin völlig abweichende Erklärungen lass. Ich konnte es jedoch nicht als Scharlatanerie abtun, weil ich genau das in Biologie lernte, was in diesem Prozess im Mittelpunkt stand.
Daher meine ich, die Kindergeneration soll alles von der Elterngeneration lernen. In diesem Lernprozess muss die Elterngeneration rekapitulieren, wohin dieses Wissen geführt hat und muss zulassen, dass dieses Wissen hinterfragt wird.
Ich habe mich ungeschickt ausgedrückt. Als ich nach dem Lernen gefragt habe, meinte ich nicht das schulische Auswendiglernen. Ich meine das Erlernen von echter Handlungskompetenz und das Neulernen von Einstellungen.
Ich habe viele Jahre geglaubt, dass Lernen so geht wie ich es in meinem Studium kennengelernt habe. Dass man sich zuerst mit der Theorie beschäftigt, sich dann den Stand der Technik erklären und die bewährte Praxis zeigen lässt und schließlich betreut loslegt bis man dann irgendwann auch die alleinige Verantwortung übernimmt.
In den letzten Jahren bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass Lernen tatsächlich anders funktioniert. Nämlich so, dass man einfach anfängt und dabei auch gleich die Verantwortung übernimmt und sich dann nach und nach und anlassgetrieben mit dem Rest beschäftigt.
Dazu gehört freilich eine Lernkultur. Der Lernende wie auch dessen Umgebung müssen Fehler nicht nur tolerieren, sondern geradezu erwarten und dann auch als Lernchancen feiern. Wichtig ist bei allem nur, dass man die Menschen nicht in eine Situation manövriert, der sie nicht gewachsen sind.
Ich rede hier übrigens nicht von einer Theorie. Ich handle in meinem Umfeld so und sehe die Erfolge. Ich sehe, wie die Menschen aufblühen und wieder initiativ werden, wie schnell und mühelos sie lernen, wie schnell auch ein kultureller Wandel in festgefahren Strukturen gelingen kann.
Vor diesem persönlichen Erfahrungshintergrund ist der Artikel entstanden.
Ok, wenn die Kindergeneration Menschen im Alter von 16 bis 32 Jahre beinhaltet, dann sollen sie natürlich auch auf dem „Fahrersitz“ (die Geschicke leiten) platz nehmen. Zum Alter aber eine kleine Einschränkung, die sich über viele Jahre etabliert hat, auch wenn sie immer wieder für Unmut sorgt.
16 und 17 jährige gelten als Jugendliche.
18 bis 21 jährige gelten als Heranwachsende.
Für Jugendliche und je nach festgestellter geistiger Reife für Heranwachsende gilt das Jugendstrafrecht. Vor allem im Zeitraum des Heranwachsendsein findet noch einmal ein Entwicklungssprung statt, der es ermöglicht, Folgen des persönlichen Handeln zu erfassen.
Lernen in Form von sich in etwas versuchen, ist eine Möglichkeit. Selbst Erfahrungen sammeln und sich probieren.
Das erfordert jedoch eine ständige Betreuung. (Je nach oben angeführten Alter sollte die „Betreuung“ intensiver oder sporadischer ausfallen). Also doch nicht selbst die Geschicke leiten. Ich kann nur Menschen in Situationen helfen, denen ich selbst gewachsen bin. Also werde ich schon vorher eingreifen, wenn ich nicht weiß, wo der Weg hinführt, die die Kindergeneration einschlägt. Wenn der Weg die Klippe hinunter führt, werde ich sie davon abhalten den Weg zu gehen, da nach meinem Wissen der Weg am Boden jäh endet. Ich werde also nicht erfahren, ob sie weich gelandet wären, oder ob sie eine andere, mir nicht bekannte Möglichkeit parat hatten, um diesen Weg zu gehen.
Hier liegt es allerdings auch wieder an der Elterngeneration, gewisse Dogmen zu verwerfen, sich zu öffnen. Mit an die Klippe zu gehen, um zu sehen wie Tief der Fall sein könnte. Gemeinsam zu prüfen, ob die bisher unbekannte Möglichkeit vielleicht Erfolg haben könnte.
Mein Neuerlernen von Einstellungen begann 2014 und mündete in meinem Blog. Ob ich dem gerecht werde, was ich als Ziel ausrief, weiß ich nicht. Ich trage für das, was ich dort schreibe Verantwortung und ich werde auch Fehler machen (gemacht haben). Deine Aussage zum Lernen:
trifft es dabei sogar sehr gut.
Viele Grüße
Die Regelungen zum Strafrecht und auch die Hintergründe sind mir grundsätzlich bekannt. Unabhängig von der – im Zweifelsfall richterlich festzustellenden – geistigen Reife verfügen Heranwachsende ab dem 18. Geburtstag (quasi) uneingeschränkt über die Rechte eines Erwachsenen. Das ist meiner Meinung nach auch gut so. Das Strafrecht scheint mir hier ohnehin der falsche Bezugsrahmen zu sein. Es geht hier doch darum, dass sich die jungen Menschen vor den Folgen »sträflich« ignorantem Handeln anderer schützen wollen. Um die Aussage etwas zuzuspitzen: das Notwehrrecht gilt ab Geburt unabhängig von jeder geistigen Reife.
Ich hatte davor gewarnt, Menschen in eine Situation zu manövrieren, der sie nicht gewachsen sind, weil sie an einer solchen Situation nicht gut wachsen können. Wir »Elterngeneration« haben die »Kindergeneration« aber bereits in eine solche Situation manövriert. Daraus nun für uns die Pflicht und damit immer auch das Recht abzuleiten, die »Kindergeneration« betreuen zu müssen bzw. zu dürfen, finde ich – gelinde gesagt – unzulässig.
Nachdem wir »Elterngeneration« der Situation nicht gewachsen sind, wären wir nach Deinem Verständnis doch gerade unfähig die »Kindergeneration« zu betreuen 😉 Aber mal im Ernst: Ich sehe es nicht so, dass ich anderen Menschen nur in solchen Situationen helfen kann, denen ich selbst bereits gewachsen bin. Ich erlebe in meinem Umfeld etwas anderes. Ich kann Menschen auch in Situationen helfen, sich selbst zu organisieren und sich selbst zu ermächtigen, denen ich selbst nicht gewachsen bin. Die Kompetenzen, die notwendig sind, um eine Situation zu beherrschen und die, die notwendig sind, sich selbst zu organisieren und sich selbst zu ermächtigen sind andere.
Meiner Meinung nach kommt es darauf an, diese beiden Kompetenzen sorgfältig auseinanderzuhalten. Sollte man in einer gegebenen Lernsituation das Pech haben, über eigene Problemlösungskompetenz zu verfügen, muss man diese verbergen. Spürbar und wirksam darf nur die Metakompetenz sein, das Lernen und das Lernen Lernen begleitend zu stimulieren.
In Lernsituationen muss die Initiative immer auf der Seite der Lernenden liegen. Erfahrene, die der Situation oder einzelnen Aspekten der Situation gewachsen sind, sind ohne Frage ein tolles Zusatzangebot für die Lernenden. Solche Erfahrenen können wertvolle Anregungen geben oder als Sparringspartner Rückmeldungen geben. Wenn die Lernenden einen Weg einschlagen wollen, den bisher noch niemand gegangen ist, können sie Erfahrene als Sparringspartner einbinden. Wie die Lernenden aber dann tatsächlich handeln, muss der Kontrolle der Erfahrenen entzogen sein. Nur so bleibt die Verantwortung bei den Lernenden. Nur so bleiben sie der Treiber des Geschehens und der Eigentümer der Risiken und auch der Fehler.
Eigenverantwortliche Lernende springen übrigens nie von Klippen, es sei denn jemand hat hinter ihnen einen Flächenbrand angezettelt und dieser Sprung ist ihre nächstbeste Alternative.
Sobald die Lernenden angefangen haben, den angestammten Weg zu verlassen und sich auf zunehmend unbekanntem Terrain zu bewegen, verblasst übrigens der Heimvorteil, den die ehemals Erfahrenen hatten. Dies ist mit ein wichtiger Grund, dass man es den Erfahrenen nicht gestatten darf, unmittelbar Einfluss auf den einzuschlagenden Weg zu nehmen.
Mein Anliegen war nicht, das Strafrecht ins Spiel zu bringen, sondern auf den Entwicklungssprung hinzuweisen.
Deine letzte Antwort hat mir schlussendlich geholfen, die Widersprüche, die sich für mich aufgetan haben, zu beseitigen.
Danke.
Ich gehöre zur „Elterngeneration“. Was mich sowohl am Artikel als auch an den Kommentaren verstört ist der völlig unreflektierte Gebrauch des Wortes „Fahrersitz“ in Verbindung mit „steuern“. Das zeigt einmal mehr, wie tief selbst kritische Geister mittlerweile indoktriniert sind: ohne Auto (respektive „motorisierter Individualmobilität“) kann sich mittlerweile fast niemand mehr eine irgendwie geartete Zukunft vorstellen. Traurig.
Weder in meinem Artikel noch in meinen Kommentaren rede ich von »motorisierter Individualmobilität«. Ich verwende den Begriff des »Fahrersitzes« als Allegorie. Wenn Sie den Artikel nochmal als Gesamtkunstwerk auf sich wirken lassen, sollten Sie erkennen, dass Ihre Assoziation mit einem Auto gerade nicht passt. Weder geht es darum, ein oder zwei Personen zu befördern, noch sitzt eine einzelne Person am Steuer. Es geht darum, die Gesellschaft insgesamt so zu lenken, dass wir als Menschheit gerade nochmal davon kommen und es geht darum, dass eine ganze Generation in Verantwortung und Selbstwirksamkeit kommt. Insofern hält Ihr Kommentar ihnen den Spiegel vor. Schade finde ich, dass Ihnen dadurch die Gelegenheit entgangen ist, sich mit den eigentlichen Erkenntnissen und Aussagen meines Artikels auseinanderzusetzen. Ihre Reaktion könnte ein erlernter Schutzmechanismus sein, um nicht an die sich abzeichnende kognitive Dissonanz ran zu müssen. Wie stellen Sie sich denn zu den Kernaussagen meines Artikels?
„Ich verwende den Begriff des »Fahrersitzes« als Allegorie.“
Genau das kritisiere ich: uns fällt schon lange nichts Neues abseits gängiger Auto-Metaphern und meinetwegen auch -Allegorien ein. Das sagt einiges über uns.
„…und es geht darum, dass eine ganze Generation in Verantwortung und Selbstwirksamkeit kommt.“
Und wie soll das bitte gelingen, wenn nicht wir, die so geschmähte „Elterngeneration“ unseren Beitrag dazu leisten? „Verba docent, exempla trahunt.“ Das treibt mich an und ist im übrigen das aus meiner Sicht einzige Mittel zu „steuern“ oder zu „führen“.
„Insofern hält Ihr Kommentar ihnen den Spiegel vor.“
Inwiefern?
Abschließend: ich kritisiere die Wortwahl, nicht den Inhalt. Wenn uns zur Beschreibung einer möglichen Zukunft (wie seit langem schon) nur Vokabular aus der Autoindustrie zur Verfügung steht, dann sehe ich wirklich schwarz.
Ich teile Ihre Ansicht, dass der Worte genug sind. Daher mein Vorschlag: Schreiben Sie die diesbezüglichen Passagen meines Artikels doch mal Ihren Vorstellungen entsprechend um.
Da haben Sie mich missverstanden. Wir »Elterngeneration« müssen einen entscheidenden Beitrag leisten. Wie dieser Beitrag meiner Meinung nach auszusehen hat, ist Gegenstand des Artikels.
Die Kernaussage meines Artikels ist gerade die, dass die »Kindergeneration« keine weitere Führung von ihrer »Elterngeneration« braucht (ich finde den Begriff der Führung wegen seiner Nähe zur hierarchischen Macht problematisch und vermeide ihn). Hätte die »Elterngeneration« verantwortungsvoll gehandelt, wäre es natürlich und sinnvoll, die Verantwortung Zug um Zug abzugeben. Eine »Elterngeneration«, die so vollkommen versagt hat, sollte zusehen, nicht noch länger im Weg zu stehen. Sie sollte es insbesondere unterlassen, der »Kindergeneration« durch bräsige Sprüche den Mut zu nehmen.
„Die Kernaussage meines Artikels ist gerade die, dass die »Kindergeneration« keine weitere Führung von ihrer »Elterngeneration« braucht (ich finde den Begriff der Führung wegen seiner Nähe zur hierarchischen Macht problematisch und vermeide ihn).“
Ich habe keine Angst vor dem Wort „Führung“. Das ist uns nur historisch und neoliberal vergällt worden. Wenn man den Vorgang an sich (der Führung) – so wie ich ihn verstehe – schon mal genießen durfte, dann versteht man, wie viel das wert ist.
„Hätte die »Elterngeneration« verantwortungsvoll gehandelt, wäre es natürlich und sinnvoll, die Verantwortung Zug um Zug abzugeben.“
Wieso soll es ausgerechnet dann sinnvoll sein, Verantwortung abzugeben, wenn ich bisher verantwortungsvoll gehandelt habe? Au contraire, gerade dann mache ich doch weiter und mache mich nicht vom Acker. Wohlgemerkt: Verantwortung. Das ist was anderes als Bevormundung. Letzteres ist es, was bei der ganzen Diskussion „Eltern“ vs. „Kinder“ unterschwellig synonym für „Verantwortung“ mißbraucht wird.
„Eine »Elterngeneration«, die so vollkommen versagt hat, …“
Herzlichen Dank, genau wegen solcher Sprüche kann ich mich jetzt zurücklehnen und das ganze ein bißchen bedauern. Tu ich aber nicht, fühle mich auch weiterhin für meine (und manchmal auch andere) Kinder verantwortlich.
Mir würde eine Erläuterung helfen, in welchem Zusammenhang Sie Führung schon genossen haben.
Bevor ich fortfahre, möchte ich etwas vorwegschicken. Die folgenden Ausführungen gelten so stringent nicht für kleine Kinder. Unsere Aufgabe als Eltern ist allerdings, unseren Kindern die Möglichkeit zu eröffnen, möglichst früh möglichst viel Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Schulkinder, die am Schulstreik teilnehmen, sind offensichtlich schon recht weit. Die Menge an Verantwortung, die Eltern für ihre 16 Jahre alten Kinder tragen, ist nur noch gering. Bei volljährigen Kindern ist definitiv (und nicht nur formaljuristisch) Schluss.
Ich unterscheide zwischen Führung aufgrund von (hierarchischer/elterlicher) Macht und Führen ohne Macht, also als Beispielgeber, Impulsgeber, Sparringspartner etc. auf freiwilliger Basis – weil und so lange derjenige sich führen lassen will (Freier Wille).
Wenn ich höre, dass jemand für andere Verantwortung übernehmen will, keimt in mir in der Tat Argwohn. Verantwortung trägt jeder für sich selbst. Dazu ist zweifelsohne jeder befugt und damit hat auch jeder schon genug zu tun. Für jemand anderen Verantwortung zu übernehmen, ist für mich einfach nur übergriffig. Wann immer ich den Gründen nachgespürt habe, habe ich gefunden, dass Menschen, die diesen Drang verspürten Probleme mit sich selbst hatten. Man kann sich beispielsweise wunderbar vormachen, dass man sich über andere verwirklichen kann, nachdem man ein Leben lang an sich selbst gescheitert ist. Das ist es ja auch, was ich vielen Kommentatoren der Schulstreiks vorwerfe.
Irgend so ein Nuschelbarde, der die Bochumer Grubenlampe gegen Londoner Neonlicht tauschte, sang mal: „Gebt den Kindern das Komando…“
Von Zeit zu Zeit schwebt er „from the tower over the Mauer“ nach Dunkeldeutschland und musiziert den Chemnitzer Nazis ein:“Wir sind mehr“ um die Ohren. Harald Faltemeyer, oder so.
Jedenfalls hab ich noch was mit Gummibärchen, Marzipanpanzer und „Welt in Kinderhände“ im Ohr.
Das Liedchen fand ich schon damals bemüht surreal.
Und jetzt, diese Publikation.
Was soll ich sagen, rauf auf den Fahrersitz, rein in die Führerhäuser und ran ans Steuerrad mit den kleinen Rackern. Heißt ja nicht umsonst bei Katastrophen: „Kinder und Frauen zuerst…“ und neuerdings Diverse.
Also die Kinder, die morgens mit dem SUV zur Schule gekarrt werden, nachmittags zum Sportverein, die bei H&M und Primark ihre Wegwerfkleidung kaufen und immer das neueste Smartphone und eine Dose Cola im Gepäck haben, die Kinder, die jede Sommerferien um die halbe Welt jetten, um sich im Urlaub „all inclusive“ zu vergnügen, die kaum noch richtig sprechen, geschweige denn schreiben können, die haben „alles Recht der Welt, das Heft des Handelns in die eigenen Hände zu nehmen – mithin unserer Generation das Heft des Handelns aus den Händen zu reißen.“
Ruben, Du hast Recht! Wir Alten sind schuld!
Schuld, dass die ganzen „youtube-influencer“ und It-people Gefahr laufen mit ihren Apps „game over“ zwitschern zu müssen.
Also lassen wir los, ne zu, ich bin verwirrt, dass diese Rotzlöffel die Welt retten, obwohl sie diese täglich mit Füßen treten…
Gruß Himbeertoni
Hi Himbeertoni – lange nichts von Dir gehört!
Hier meine Gedanken zu Deinem Kommentar.
Wenn ich von »Kindergeneration« schreibe, stelle ich mir schon eher die Menschen zwischen 16 und 32 Jahren vor. Also nicht die Kinder, die der besagte Barde in seinem Song an die Macht bringen wollte.
Hast Du schon mal erlebt, wie ein Hund wild bellend an der Leine zerrt, nachdem er einen fremden Hund erspäht hat und dann von der Leine gelassen wurde? In dem Moment schaut er ganz verdutzt, weil er realisiert, dass sein zuvor nur angedrohtes Handeln plötzlich ganz reale Konsequenzen hätte. Erst in diesem Moment fängt er an zu überlegen, welche Chancen er gegen den anderen Hund hätte und ob Kampf überhaupt das ist, was er will.
Die »Kindergeneration« hat von unserer Generation gelernt, dass man sich das Leben auch schön saufen kann. Nach meiner Einschätzung wird das kollektive Ah-Ha-Erlebnis der »Kindergeneration« stattfinden, wenn sie realisiert, dass sie zeitgleich mit ihren Kindern von dieser Welt abtreten wird. Die »Kindergeneration« sieht aktuell keine Möglichkeit für sich, das Ruder herumzureißen. Wenn wir der »Kindergeneration« einen Liebesdienst erweisen wollen, lassen wir sie endlich von der Leine.
Ja, Ruben, ein gewisser Überdruss ob des ständigen Palaverns hat sich meiner bemächtigt. Mithin Deine Publikation mir mal wieder so provokant daherkam, dass ich meinen „Senf“ dazugeben musste. (Pawlowscher Reflex)
Außerdem hat eine erhöhte Bedrohungslage in meinem persönlichen Umfeld dazu geführt, ins Handeln zu kommen und somit weniger Zeit fürs Philosophieren zu haben.
Bellenden Hunden an Leinen begegne ich nahezu täglich. Dazu gleich mehr. Ersteinmal musst Du wissen, dass sich mein Domizil außerhalb eines urbanen Lebensraums befindet.
Das, was die meisten als Zivilisation bezeichnen, ist nicht unter 10km zu erreichen.
Selbst Bielefeld ist eher zu finden…
Sozusagen: „Landmeer, Waldmeer, Nichtsmehr“.
In Deinem Kommentar bist Du auf den Hund gekommen und stellst auf ein Gleichnis von „Angeleinten“ ab.
Momentan habe ich ein Rudel von 8 Hunden. Es waren schonmal mehr.
Es handelt sich dabei ausschließlich um Molosser, Bulldoggen, Cane Corso etc.
Es sind ins Tierheim abgeschobene nicht händelbare, oder aber durch unsinnige Gesetzgebung mit einem Kainsmal versehene Kreaturen.
Diese führe ich ausnahmslos „drahtlos“, also ohne Leine! Sozusagen findet unsere Kommunikation im Wireless-LAN-Modus statt. Dadurch kommt es zu den unterschiedlichsten Reaktionen, bei Begegnungen mit „verdrahteten“ zwei-und vierbeinigen Spaziergängern.
Aber anders als Du meinst, ist das Lösen der Leine und die verdutzte Reaktion des Vierbeiners nicht die Folge einer Überlegung über die Konsequenzen seiner Drohung oder einer Abwägung ob ein Kampf gewonnen werden könnte, sondern vielmehr der Verlust der Kommunikation. Der Input ist die Energie des Zweibeiners am einen Ende der Leine, der Output der wild bellende Vierbeiner am anderen Ende.
Ein Hund, weiß nicht wie groß oder wie stark er ist, schon gar nicht im Verhältnis zu Artgenossen.
Vielleicht kennst Du ja den Umstand, dass (wir Menschen können unterscheiden und ins Verhältnis setzen) besonders kleine Hunde besonders große Hunde anbellen?
Würdest Du Mike Tyson ins Gesicht sagen, dass er eine Pussy ist?
Wie Du diese, meine Erfahrung, wieder mit Deinem Artikel verbindest und auf die von der Leine zu lassenden 16-32-Jährigen anwendest, läßt mich erwartungsvoll auf Deine Antwort hinfiebern.
Liebe Grüße Himbeertoni
Da habe ich ja dem Richtigen eine Geschichte vom Hund erzählt…
Mit der Parabel wollte ich die Botschaft transportieren, dass Menschen, die keine Freiheit fühlen und keine Selbstwirksamkeit erleben, auch nicht lernen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. In der Folge beginnen sie postfaktisch zu argumentieren und mehr von Wut als vom Verstand getrieben zu agieren.
Wenn man sich ansieht, wie die Bürger dieses Landes argumentieren und agieren, kann man als unbedarfter Beobachter tatsächlich auf die Idee kommen, dass die Menschen – als anonyme statistische Masse – offenbar unfähig sind, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Die Machteliten und die daran angeschlossenen Propagandaanstalten schließen daraus, dass Demokratie nur als Fassadendemokratie tragfähig ist. Welche Techniken dabei zum Einsatz kommen, um die Bürger von den wesentlichen Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozessen fernzuhalten, kann man hier im Blog und den anderen Freien Medien täglich neu erfahren.
Meiner Meinung nach ist es aber genau umgekehrt Die Menschen agieren zunehmend wutgetrieben und argumentieren zunehmend postfaktisch, eben weil die keine Selbstwirksamkeit erleben und keine Freiheit fühlen. Hätten wir eine echte Demokratie, hätten wir auch mehrheitlich aufgeklärte Bürger. Wenn man Ursache und Wirkung verwechselt, macht man aber alles nur noch immer schlimmer.
Um meinen Punkt an einem plakativen Beispiel zuzuspitzen: Wer das Gefühl hat, dass seine Meinung zählt und gleichberechtigt zu Entscheidungsfindung beiträgt, kann sich den Luxus, den menschengemachten Klimawandel zu leugnen schlicht nicht mehr länger leisten. Wer die AfD wählt, spürt wenigstens für einen Moment so etwas wie Wirksamkeit, auch wenn die Wirkung seinen eigenen Interessen langfristig zuwiderläuft.
In diesem Sinn habe ich das mit dem »Leinen los« gemeint. Aktuell kann die »Kindergeneration« noch bellen und an der Leine zerren. Sobald sie aber verspürt, dass sie ihr Schicksal in den eigenen Händen hält, wird auch der ganze Quatsch aufhören, mit dem sie sich aktuell ihre Zeit vertreibt und ihre Zukunft verbaut. Wenn Du so willst, versinnbildlicht die Leine die Fassadendemokratie.
Wichtiger als das eine Thema Klima – auch aus meiner Sicht gibt es noch viele andere Themen – ist doch, dass die »Kindergeneration« gerade Autonomie lernt und anfängt Verantwortung für sich zu übernehmen.
„Wenn Du so willst, versinnbildlicht die Leine die Fassadendemokratie.“
Für mich ist der Stadtpark mit Leinenzwang die versinnbildlichte Fassadendemokratie, indem alle ihre Hunde spazieren führen.
Aber Vorsicht Ruben, nur weil der Stachelwürger des AfD-Rottweilers sofort ins Auge sticht, ist er auch nur, wie das Flexihalsband der kleine Pekinesendame, eine Leine.
Ha, gar fein gestrickt und einfach großartig 🙂
Natürlich ist die Forderung im Text provokativ. Aber eben weil sie damit eine Grenze im Denken reißt, kann sie auch Anstoß für eine produktive Diskussion sein – was ich hier durchaus erkenne.
Meines Erachtens bewegen wir uns noch immer zu stark in der Sprache, welche die Matrix von Macht und Herrschaft stützt. Sprache sagt so viel: Das Steuern (mal auch ohne die Allegorie des Autos gesehen) anderen zu übergeben ist ja dann auch nichts anderes als Macht zu übergeben. Was und wen sollen die Jungen dann steuern – uns? Sind es dann die neuen Eliten? Woraus sich die Grundsatzfrage ergibt: Bedürfen wir tatsächlich irgendwelcher Eliten?
Wenn es aber nicht um Macht geht – die per se mittels Schuld „Aufgaben“ delegiert – um was geht es dann? Bleibt dann nicht die Verantwortung? Aber für wen haben wir die? Bleiben nicht einzig wir selbst da übrig? Da kommen wir zu dem Punkt, dass wir Verantwortung gerade nicht delegieren können – auch nicht an die jüngere Generation.
Die Generationen, die natürlich auch ein Abstraktum sind, die leider suggerieren, dass ein gesellschaftlicher „Ruck“ das irgendwie fabrizieren könnte. Das wirkt für mich modellhaft und damit unnatürlich. Veränderungen ergeben sich aber nun einmal ganz konkret durch das Handeln jedes einzelnen Menschen. Und nun wird es mühselig – und trotzdem reizvoll. Denn in das Handeln können wir ja jederzeit – Sie und Sie und Sie und ich – kommen. Auf was warten wir also?
Deshalb zitiere ich noch einmal aus der „Gretchenfrage“:
Wenn wir das weitertreiben, komme ich zu dem Schluss, dass diese Notwendigkeit gar nicht auf Kinder beschränkt ist. Denn warum soll sich Achtung und Respekt – um nichts anderes geht es doch hier – nur auf Kinder beschränken. Außerdem meine ich, dass es doch grundsätzlich darum geht, ob es überhaupt sinnvoll ist, ANDERE zu steuern.
Die Generationen bedürfen einander und sie können sich nicht gegenseitig Verantwortung zuschieben oder auch entreißen, weil das gar keine Verantwortung ist, sondern Macht. Kinder bedürfen unserer Erfahrung und Führung. Führung nicht hierarchisch gesehen, sondern im vorleben, im vorbildlichen Handeln. Und wir bedürfen der Kinder – als Sinnbild des Lebens. Es ist eine Symbiose.
Herzliche Grüße, Ped
Ich war gestern auf der FFF-Demo in München dabei und nehme das, was ich dort erlebt habe zum Anlass hier kurz von meinen noch frischen Eindrücken zu berichten und eine Einordnung in Bezug auf meinen Artikel vorzunehmen.
Alleine in München hatten sich einige zehntausend Menschen allen Alters eingefunden und mehrere Stunden friedlich demonstriert. Ich fand die Veranstaltung eher etwas bieder. Es gab reichlich Plakate mit Slogans und Sinnsprüchen und vor allem mit Appellen. Die Appelle richteten sich an die Politik, die Wirtschaft oder die (Alten in der) Gesellschaft. Wobei bei den Kids die Hoffnung nicht allzu groß zu sein scheint, dass sich wirklich etwas ändert, was es naturgemäß leicht macht, weitreichende Forderungen aufzustellen und der Politik und den Alten Versagen vorzuwerfen. Was ich eher nicht gesehen habe, waren Plakate, auf denen die Kids geschrieben hätten, was sie selbst heute schon gegen den Klimawandel tun. Die konkretesten Aussagen betrafen den Veganismus. Das scheint mir etwas zu sein, was die Kids relativ leicht für sich selbst ändern können. Ob man aber beim realen Fleisch- und Milchumsatz bereits einen messbaren Effekt sieht, wage ich zu bezweifeln. Ich bin mir unsicher, ob Veganismus nicht vielleicht nur ein hipper neuer Lifestyle oder ein Alibi ist, um an anderer Stelle weiter ungehemmt »sündigen« zu können. Was ich auf keinem Plakat gesehen habe, waren kontroverse Aussagen oder Aussagen dazu, wo die Kids Verzicht üben oder gar vom geerbten Lebensstil abweichen wollen. Die Aussagen und Forderungen betrafen auch eher nur das Außen. Schon gar nicht wurden die Grundfeste unseres Systems in Frage gestellt oder nach den Ursachen im Innen gefragt. Es ging mehr um das Wir-Gefühl als um einen lebendigen Diskurs der in einer echten Demokratie dem Konsens vorausgehen sollte.
Bei aller Kritik, bin ich trotzdem froh und zuversichtlich von der FFF-Demo zurückgekehrt. Aller Anfang ist schwer. Unsere Kids können nur aus ihren eigenen Fehlern lernen. Sobald sie beispielsweise erkennen, dass auch die Grünen den Preis für eine Tonne CO2 nicht in die Nähe der tatsächlichen Umweltkosten treiben und der CO2-Ausstoß ungebremst weiter ansteigt, werden sie merken, was hier gespielt wird. Dann erst haben sie die Gelegenheit, die nächste Entwicklungsstufe zu nehmen.
Wenn ich so an meine Jugend zurückdenke, stelle ich fest, dass mich die klugen Ratschläge der Alten hauptsächlich genervt haben. Gelernt habe ich aus meinen eigenen Fehlern. Ich bin meinen Eltern ehrlich dankbar, dass sie mich haben reichlich wertvolle Fehler machen lassen.
Seit den »Grenzen des Wachstums« weiß ich, wohin wir mit unserem System steuern. Damals habe ich mich entschieden, mich für die Grünen und die grünen Kernthemen zu engagieren. Nach bald 40 Jahren kann ich nüchtern Bilanz ziehen und muss feststellen, dass sich meine Hoffnung in die Partei »Die Grünen« nicht bewahrheitet hat und zwar bei keinem einzigen grünen Kernthema. Eine vergleichbare Lebenserfahrung haben unsere Kids noch nicht machen können.
Wenn wir Älteren uns angesichts unserer zweifelsohne größeren Lebenserfahrung weiter über unsere Kids erhöhen, werden wir zwangsläufig auf Ablehnung stoßen und unsere Kids in den gleichen, mehrere Jahrzehnte dauernden Lernprozess zwingen. Nachdem wir Älteren die Welt nun schon so nahe an den Abgrund geschoben haben, reicht die verbleibende Zeit nicht mehr aus, dass unsere Kids diesen Lernerfolg noch aus eigener Kraft schaffen können – geschweige denn, dass dann auch noch genügend Zeit zum Umsteuern bliebe. Voraussetzung für einen beschleunigten Lernprozess ist, dass die Initiative und die Verantwortung möglichst bald und möglichst vollständig auf unsere Kids übergeht. Wenn wir unseren Kids dann endlich auf Augenhöhe begegnen, werden sie uns sicher gerne nach unseren Erfahrungen fragen, schließlich haben sie wie wir keine Zeit mehr zu verlieren.
Lieber Ruben,
zunächst einmal vielen Dank, dass Sie uns ihre Eindrücke von der FFF Demo in München schildern. Ich entnehme daraus, dass pubertierende Teenies die Revolution gegen ihre Eltern ausleben. Sie wissen mittlerweile, dass die Erwachsenen alles falsch gemacht haben. Jetzt sollen die Mamas und Papas gefälligst alles wieder richten. Eigene Verbesserungsvorschläge fehlen.
Aus Ihren weiteren Zeilen entnehme ich jedoch, dass Sie sich im gewissen Maße im Kreis drehen, ohne vorwärts zu kommen.
Sie schrieben, dass Sie die klugen Ratschläge ihrer Eltern nervten und Sie aus Ihren eigenen Fehlern lernten. Einem Sprichwort zufolge lernt der dumme Mensch aus seinen Fehlern, der kluge aus den Fehlern der Anderen. (Ich will Ihnen hier keine Dummheit unterstellen. Ganz im Gegenteil. Zudem zeigen vier Finger auf mich, wenn ich mit einem auf Sie zeige.) Jetzt, da Sie zur Erkenntnis gekommen sind, wollen sie den Fahrersitz den Jungen übergeben? Denen, die nun gleichermaßen von Ihren Ratschlägen genervt sein werden? Denen, die nicht aus Ihren / aus unseren Fehlern lernen wollen? So erreichen wir, dass alle Fehler noch einmal gemacht werden. Das kann nicht der richtige Weg sein.
Sie schrieben, dass sich 40 Jahre Engagement und Ihre Hoffnung in die Partei „Die Grünen“ in keinem einzigen Kernthema bewahrheitet hat. Und gerade jetzt, an diesem Punkt der Erkenntnis, wollen sie den Fahrersitz räumen und den Jungen überlassen! Diese werden natürlich auf den Fahrersitz ihre eigenen Fehler machen. Sie werden – gepuscht von den FFF Demos – die nächsten 40 Jahre ihre Hoffnung in die Partei Die Grünen legen. Denn die Grünen sind in diesem Zusammenhang gerade Hipp, ebenso wie der Veganismus. Aber beide sind für den Menschen ungesunder Blödsinn.
Solange diese FFF Demos hier in Deutschland nicht unter einem deutschsprachigen Slogan durchgeführt werden und solange vor allem jeden Freitag die Bildung geopfert wird, sind diese Demonstrationen ein deutlicheres Zeichen für den drohenden Untergang der Menschheit, als jedweder CO2 Ausstoß.
Sobald sich aber die Schüler Freitags nach dem Unterricht mit verschiedensten Projekten für den Umweltschutz einsetzen, dann werden wir etwas erreichen. Dann können, nein müssen die Alten den Jungen ihre Fehler (nicht die Überhöhung: „Ihr macht alles falsch!“, sondern: „Das haben wir falsch gemacht!“) erklären, wie zum Beispiel für die saubere Energie auf Windräder zu setzen, obwohl die Glasfaserverbundstoffe der Rotorblätter, nachdem sie 20 Jahre lang Vögel zerkleinert haben, nun als tonnenschwerer Sondermüll zurück bleiben.
Viele Grüße.
Lieber BjörnsTipp (wir können uns auch gerne duzen),
zunächst einmal vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Ihre Rückmeldung gibt mir Gelegenheit, den einen oder anderen Punkt, der offenkundig missverständlich oder unzureichend ausgeführt war, nachzubessern.
Darüber hinaus enthält Ihr Kommentar aber auch einige Passagen, mit denen ich absolut nicht übereinstimme. Ich habe mir in den letzten Monaten sowohl hier im Forum als auch in anderen Foren die Finger wund geschrieben, um gegen das Leugnen des Klimawandels und das Vorschieben rationalisierter Argumente zu argumentieren. Ich denke, meine Meinung dazu ist hinlänglich bekannt und die wesentlichen Argumente sind ausgetauscht. Weitere Energie in dieser Richtung will ich nur noch investieren, wenn ich den Eindruck habe, dass dem ein entsprechende Erkenntnisgewinn gegenübersteht.
Ich habe geschrieben, dass mich die klugen Ratschläge der Alten genervt haben. Damit waren nicht meine Eltern gemeint, die sich, wie ich geschrieben habe, in dieser Beziehung zurückgehalten haben.
Wenn die Alten stets alles besser wissen, die Jungen bei allem kritisieren, ihnen die Verantwortung so lange wie möglich vorenthalten und danach immer noch permanent eingreifen, verlangsamen sie den Lernprozess der Jungen.
Wie ich geschrieben habe, bin ich meinen Eltern dankbar dafür, dass sie genau so nicht waren, sondern einen antiautoritärer Erziehungsstil praktiziert haben. Als aufmerksamem Leser ist Ihnen vielleicht auffallen, dass ich meinen Eltern aber für etwas anderes nicht gedankt habe…
Im Rest des Artikels beschreibe ich nämlich, wie die Alten den Lernprozess der Jungen beschleunigen können. Wie Sie schreiben, liegt der Schlüssel zum Erfolg auch nach meiner Meinung im Lernen aus den Fehlern der anderen. Nur funktioniert diese Lernbeschleunigung eben nicht, wenn die Alten sich so verhalten, wie ich es eben nochmal zusammengefasst habe.
Die Alten müssen die Jungen so früh wie mögliche in die Freiheit der Verantwortung entlassen. Die Jungen müssen die Verantwortung für das eigene Handeln spüren. Sie müssen spüren, dass zwischen ihren Entscheidungen und ihrem Handeln und den Reaktionen ihrer Umwelt absolut nichts mehr ist. In kritischen Situation werden die Jungen auf die Idee kommen, auf die Lebenserfahrung der Alten zurückzugreifen und diese um Rat zu fragen. Wenn die Alten darauf einfühlsam reagieren, machen die Jungen die Erfahrung, dass sie manches auch dadurch lernen können, dass sie die Konsequenzen möglicher Entscheidungen mit Hilfe der Lebenserfahrung der Alten nur gedanklich durchspielen. Wenn die Jungen diese Erfahrung machen, werden sie die Alten gerne immer wieder einmal fragen. Dann wird die Lernbeschleunigung zum Selbstläufer.
Genau! Die Grünen sind gerade Hipp. Die Jungen werden spätestens nach einer Legislaturperiode wissen, dass die Wahl der Grünen ein Irrweg war. Sie werden erkennen, dass ihnen von der Politik Aktionismus vorgegaukelt worden ist, dass ihnen die Medien ihre Aufmerksamkeit vernebelt und die relevanten Informationen vorenthalten haben. Sie werden von der Wissenschaft mit Daten und Statistiken versorgt werden, die zeigen, dass trotz allem Beteuern, Betäuben und Weggucken, die Lage immer dramatischer geworden ist. Sie werden erkennen, dass sie mit ihrer Wählerstimme überhaupt nichts tun können, um ein wirksames Umsteuern durchzusetzen. Sie werden erkennen, dass unsere Implementierung von Demokratie nicht sinnhaft ist und auch noch immer mehr entkernt wird. Sie werden erkennen, dass es noch ganz andere Bedrohungsszenarien für die Zukunft unserer Zivilisation gibt, als »nur« den Klimawandel.
Ich baue voll auf die Energie, die eine aufgeklärte und in Verantwortung stehend Jugend entwickeln wird, wenn sie erstmal erkannt hat, dass sie den Folgen dieses kaputten Systems nicht mehr ausweichen kann und sich dieses System einer wirksamen Steuerung und Kontrolle durch die Bevölkerung zu entziehen weiß.
Hallo Ruben,
entschuldige Bitte die späte Antwort.
Möglicherweise bin ich gar nicht soweit von deiner Auffassung entfernt. Aber nach einigem Lesen, glaube ich eher, dass mein Problem mit dem Fahrerwechsel darin besteht, dass ich persönlich eine andere Metapher sehe.
„Wir sitzen alle im selben Boot.“ In dem Fall ist jeder, die Jungen wie die Alten dafür verantwortlich, dass das Boot gut durch Stromschnellen kommt. Da ist kein Fahrerwechsel möglich, denn alle steuern das Boot (Rafting). Jeder hat Verantwortung. Die Alten haben Erfahrung, wie schwierige Situationen zu meistern sind, die Jungen die nötige Kraft. Man muss jedoch zueinander finden und ggf. neues versuchen.
Du hat 40 Jahre Erfahrung mit den Stromschnellen der Grünen, willst aber zusammen mit den Jungen im Boot die Stromschnellen wieder so durchfahren, wie du es 40 Jahre lang gemacht hast, bloß weil ein Anderer sagt, dass sei Hipp?
Am Ende sagt dieser Andere noch, alles sei schief gelaufen, weil du nicht wolltest, dass es funktioniert. Du hast die nach 40 Jahren schließlich abgewendet. Auf das die Jungen, wenn sie die Alten sind nach 40 Jahren merken, es war doch nicht der Ruben, sondern der Andere. Hätten wir den Ruben lieber gefragt.
Natürlich sollen die Jungen eigene Erfahrungen machen. Dafür erhalten sie Aufgaben, die sie eigenverantwortlich bewältigen können. Und dann haben wir Alten (ich zähle mich jetzt einfach hier dazu) auch die Disziplin, sie diese Aufgaben eigenverantwortlich, ohne unsere Einmischung erfüllen zu lassen und reden ihnen nicht rein.
Aber unsere Zukunft ist eine Aufgabe, die uns allen gestellt wurde. Die wir nur gemeinsam erfüllen können. Und dazu gehört, gemachte Fehler nicht noch einmal zu machen, sondern etwas neues zu machen, wenn wir einen Fehler erkannt haben. Womöglich ergibt sich daraus wieder ein Fehler. Das ist Teil des Lernprozesses. Aber einen gemachten Fehler noch einmal machen zu lassen, verlangsamt meiner Meinung nach den Lernprozess der Jungen.
Viele Grüße.
Hallo BjörnsTipp, schön, dass unser Gedankenaustausch noch ein wenig weitergeht!
Eigentlich dachte ich, es sei nicht wichtig, aber wegen der 40 Jahre und den Grünen solltest Du noch etwas wissen: Tatsächlich kam es bei mir mit dem Jugoslawienkrieg zum Bruch mit den Grünen und danach auch zum Parteiaustritt. Etwa um die Zeit des Amtsantritts von Joschka Fischers wurden die Grünen vom Virus der Macht infiziert und anschließend transatlantisch unterwandert. Die Grünen von damals und die Grünen von heute sind nicht mehr vergleichbar. Man kann sagen, die Haltungen damals und heute haben so gut wie nichts mehr gemein. Geblieben ist nur die Marke, aber einmal hinter der Fassade entkernt und neu aufgebaut. Ich wollte diese Details ursprünglich nicht ausbreiten, weil ich dachte, sie täten nichts zur Sache. Nach Deiner jüngsten Reaktion meine ich aber, dass diese Zusammenhänge vielleicht doch relevant sind. Sie machen deutlich, dass sich nicht nur die einzelnen Menschen weiterentwickeln, sondern auch deren Umgebung. Lernen kann man im Verlauf von 40 Jahren beispielsweise, wie man hinter die Fassade blicken und dadurch früher ins Handeln kommen kann.
Ich kann mich mit Deiner Metapher nicht so recht anfreunden. Die Assoziation mit einem Boot finde ich in Ordnung (es gab schon Irritationen, weil ein Leser die Begriffe Fahrer und Steuer mit einem Automobil assoziiert hat). Aber dann müsste es ein Segelboot sein, mit einem Steuermann (m/w/d), einem Steuerrad und einem Steuerruder. Der Steuermann steht für mich nicht für eine hierarchische Struktur mit einem Kapitän (m/w/d) an der Spitze, wohl aber dafür, dass sich die Mannschaft (m/w/d) an Bord auf einen Kurs einigen muss. Beim Rafting kann im Prinzip jeder steuern wie er will und man kann nur hoffen, dass sich eine Mehrheit findet. Das Steuer steht für mich für einen demokratischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess im Sinn der Aufklärung.
Ich stimme mit Dir überein, dass wir alle zusammen Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft tragen. Die Jungen werden die Konsequenzen dieses Gestaltungsprozesses aber irgendwann alleine zu tragen haben und bisher haben wir sogar ganz über ihre Köpfe hinweg entschieden.
Mein Gedanke ist nicht, wie Du mich scheinbar verstanden hast, dass wir Ältere die Jungen einfach im Regen stehen lassen und ab sofort nur noch unsere Hobbys pflegen. Wenn wir so handeln würden, würde sich in der Tat wieder ein voller Lernzyklus von 40 Jahren anschließen. Die Zeit haben die Jungen im übrigen auch gar nicht mehr.
Mein Gedanke ist, den Jungen im Schnellverfahren die volle Verantwortung zu übergeben. Gleichzeitig sollen wir Ältere den Jungen aber signalisieren, dass wir ihnen bei Bedarf mit unserem Rat zur Seite stehen. Die Jungen müssen die Verantwortung spüren – für ihre und ihrer Kinder Zukunft und auch für die Suche nach jeder sich bietenden Gelegenheit, nützlichen Rat einzuholen. Ich habe keine Zweifel, dass die Jungen und die Älteren das hinbekommen werden und auf diese Weise auch wieder ein festes Band zwischen den Generationen gewebt werden wird.
Um konkret zu werden: Wir Älteren werden unser Wahlrecht sicher nicht abgeben. Aber wir sollten unsere Wahlentscheidung mit zunehmendem Alter daran ausrichten, was die Jungen in unserer Umgebung wählen wollen. Wenn beispielsweise wieder über die Frage diskutiert wird, ob wir neue Staatsschulden aufnehmen wollen, werde ich meine Entscheidung davon abhängig machen, wie meine Kinder sich in dieser Frage positionieren. Wenn wieder über die Frage diskutiert wird, wie hoch die Renten sein sollen oder wie hoch das Renteneintrittsalter sein soll, werde ich mit meinen Kinder darüber sprechen, was wir für gerecht halten und dann entsprechend der Entscheidung meiner Kinder abstimmen. Ich habe nicht die geringste Sorge, dabei von meinen Kindern übervorteilt zu werden.
Um auf den Klimawandel zurückzukommen: Ich werde alles mitmachen, was meine Kinder für richtig halten. Wenn sie der Meinung wären (es sieht erfreulicherweise nicht so aus), wir müssten primär ihre Arbeitsplätze erhalten, ihren gewohnten Lebensstil sichern oder uns zunächst allen Ungerechtigkeiten dieser Welt widmen, bevor wir uns dann endlich irgendwann um die Grenzen des Wachstums kümmern können, werde ich sogar das mittragen. Ich stünde ich ihnen unverändert für einen Gedankenaustausch auf Augenhöhe und ohne Vorwürfe zur Verfügung, wenn sich aus Fehlentscheidungen neue Lernchancen ergeben.
Wenn wir so vorgehen, sind die Jungen vielleicht schon in zehn Jahren so weit, wie wir nach 40 Jahren. Viel mehr Zeit haben sie nach meiner Einschätzung auch nicht mehr. Wir haben ihnen in der Tat die Jugend gestohlen und können nur hoffen, dass sie verstehen werden, wie es dazu kommen konnte.
Hallo Ruben,
ich weiß ja nicht, wie lange man als Autor eines Artikels die Kommentare dazu noch weiterverfolgt. Aber dank unseres kleinen Disputs bei KenFM bin ich eben jetzt erst auf Ihre rege Tätigkeit als Autor wie überhaupt auf Peds Ansichten aufmerksam geworden.
Ich möchte hier nur kurz anmerken, dass ich ebenfalls viel Hoffnung setze in die neue Generation, die wohl mehr als unsere Generation (ich bin Jahrgang 1959) in der Lage ist, sich von Zwängen zu befreien, in die sie die Elterngeneration, stecken wollte. Zum einen, weil sie sich noch weniger als wir auf vorgegebene „Laufbahnen“ und Karrieremodelle verlassen kann, sondern lebenslang viel mehr als wir eine hohe Flexibilität wird aufbringen müssen. Zum anderen, weil sie schon von klein auf über die heutigen Kommunikationsmittel ganz selbstverständlich vertraut ist mit dem Bilden von Netzwerken. Zu dem virtuellen Austausch hinzukommen muss allerdings unbedingt auch der persönliche Austausch. Auf solche Netzwerke sind die jungen Leute dringend angewiesen, in Anbetracht der sich rasant und immer schneller und grundlegender ändernden Verhältnisse. Das „Wir-Gefühl“, von dem Sie schreiben, ist es ja gerade, was die jungen Leute einüben und praktizieren sollen und worin ihre große Chance liegt, vieles besser zu machen. Denn die einseitige Konkurrenzorientierung hat uns doch nur in die kapitalistische Sackgasse mit ihrer Vereinzelung, dem Verlust tragfähiger Beziehungen und dem weit verbreiteten Niedergang der Familie geführt, der auch mit noch so teuren Sozialsystemen nicht annähernd wettgemacht werden kann.
Herzliche Grüße
„citoyen invisible“