Betrüge alle und jeden — ein Beispiel für gelebte Spieltheorie nach RAND und Co.


In den 1940er Jahren arbeitete das Pentagon an einer speziellen Spieltheorie: Dort entwickelte man mathematische Modelle, nach denen das Verhalten von Kontrahenten während einer spielerischen Auseinandersetzung analysiert werden sollte. Dabei ging man von der Grundannahme aus, dass die Spieler stets taktisch oder strategisch agierten und in jedem Falle auf den eigenen Vorteil bedacht wären. Der entscheidende Faktor in diesen Modellen war, dass eine vermutete Entscheidung des Anderen in die eigene Entscheidung einkalkuliert wurde und so diese überhaupt erst möglich machte.


Bald wurde RAND, eine Denkfabrik die vom Rüstungskonzern Douglas Aircraft gegründet worden war, zum offiziellen Berater der US-Militärs und übernahm auch die Forschungen zur (auf Konkurrenz basierenden) Spieltheorie. Einer der führenden Wissenschaftler in diesem Projekt war der Mathematiker John Nash. Bezeichnenderweise hieß eines seiner Spielmodelle „F..k you, Buddy“. Das muss wohl nicht ins Deutsche übersetzt werden. Der Sinn und Zweck des Spieles bestand einzig darin, um des eigenen Vorteils Willen jeden seiner Mitspieler nach Strich und Faden zu betrügen (1, 2).

Das Spiel modellierte sozusagen pathologisches Denken, egoistisches wie skrupelloses Verhalten. So gesehen war das Spiel natürlich nicht neu. Das britische Empire verdankte seine Macht eben solchen Strategien, dem intriganten Ausspielen von Gegensätzen bei Jenen, die man zu beherrschen und zu schröpfen gedachte. In dem man die Objekte über unempathisch benutzte psychologische Methoden zu gewünschten Handlungen zwang, machte man sie erst zum Opfer.

Heute ist das britische Weltreich Geschichte. Aber als europäischer Flugzeuträger Washingtons lebt seine Tradition in der Politik der „einzigartigen Nation“ fort. Wie läuft das Spiel der Täuschung? Man gibt dem „Freund“, dem „Spielpartner“, der in Wirklichkeit als Konkurrent angesehen wird, erst einmal das Spielfeld vor. Man stellt ihn vor ein Dilemma, das es jedoch tatsächlich erst dann wird, wenn es vom „Freund“ auch als solches akzeptiert wird.

Boris Johnoson, in jenen Tagen noch Premierminister der Briten, sprach am 14. November 2021 auf einer Rede vor Repräsentanten der City of London bemerkenswerte Sätze und achten wir darauf, wie er das Spielfeld bestimmte:

„We hope that our friends may recognise that a choice is shortly coming between mainlining ever more Russian hydrocarbons in giant new pipelines and sticking up for Ukraine and championing the cause of peace and stability, let me put it that way.“ (3)

zu deutsch (Hervorhebung durch Autor):

„Wir hoffen, dass unsere Freunde [in Europa] erkennen, dass sie in Kürze vor der Wahl stehen, entweder immer mehr russische Kohlenwasserstoffe durch riesige neue Pipelines zu beziehen oder sich für die Ukraine und die Sache des Friedens und der Stabilität einzusetzen, wenn ich das so sagen darf.“ (a1)

Johnson erweckte den Eindruck, dass die gesellschaftlichen Umstände unter anderem Deutschland vor eine schicksalhafte Wahl gestellt hätten, bei der es sich für entweder russisches Gas oder die Ukraine entscheiden müsste. Das stimmt aber nicht. Johnson (und damit natürlich jene die hinter ihm stehen) breiteten dieses Szenario erst aus. Es war ihre Idee, ihre Spielidee. Und es zeigt auf, dass Deutschland kein Freund sondern ein Konkurrent ist, mindestens für die Spielgestalter in Washington und London.

Wie gesagt: Diese Worte fielen vier Monate vor dem offenen Ausbruch des NATO-Stellvertreterkrieges auf ukrainischem Boden. Boris Johnson wünschte sich also ein Handeln seiner (unter anderem) deutschen „Freunde“, das sowohl Jenen als auch dessen russischen Partnern zum Schaden gereichen würde. Vom Empire zum Arm Washingtons geschrumpft, vertritt man dessen Interessen, aber keinesfalls jene der „Freunde“ in Europa.

„Glücklicherweise“, zumindest für den britischen Premier, hat sich ein Irgendjemand, den man sich scheut, zu ermitteln, darum gekümmert, dass „wir“ in Europa die „richtige“ Entscheidung getroffen haben. Nun ist das preiswerte wie verbindende russische Gas weg und Europa mit samt der Ukraine trägt die Kosten für den erneut angehenden Sieger von „F..k you, Buddy“ (siehe weiter oben).

Bitte bleiben Sie schön aufmerksam, liebe Leser.


Anmerkungen und Quellen

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(a1) Übersetzung unter Zuhilfenahme von DeepL.com.

(1) 2007; IMDb; F***K You, Buddy; https://www.imdb.com/title/tt4048840/

(2) https://en.wikipedia.org/wiki/So_Long_Sucker; abgerufen: 17.08.2023

(3) 15.11.2021; Independent; Jon Stone; Stop guzzling Russian gas, Boris Johnson tells Europe; https://www.independent.co.uk/news/uk/politics/boris-johnson-russia-gas-nordstream-2-b1958075.html

(Titelbild) Poker, Karten, Trick, Betrug; Autor: MasterTux (Pixabay); 14.10.2019; https://pixabay.com/de/illustrations/poker-karten-gl%c3%bccksspiel-casino-4545937/; Lizenz: Pixabay License

Von Ped

8 Gedanken zu „Freunde?“
  1. „Nun ist das preiswerte wie verbindende russische Gas weg …“
    Genau das ist es, was man wollte. Das gehört zum Spiel. Schalte deine Konkurrenten aus. Vor allem der deutsche Konkurrent musste weg. Bis zum Anschluss der DDR an den Westen wurde die BRD als Schaufenster für den Osten aufgebaut. Die BRD musste zeigen, dass sie so viel besser ist, als der Osten. Sie musste locken mit den verschiedensten Konsumangeboten, die es in der DDR nicht oder nur spärlich, oft mit Voranmeldung und Warteliste, gab. Den Bürgern der DDR und der anderen sozialistischen Länder musste klargemacht werden, dass man sehr viel besser im anderen Teil Deutschlands bzw. in der westlichen sogenannten Demokratie leben konnte. Nach dem Zusammenschluss war ein Schaufenster nicht mehr nötig. Der Westen, bzw. die USA, konnte Deutschland fallen lassen. Das sagt sehr viel über die Freundschaft der westlichen Verbündeten aus, die Freundschaft wie eine Monstranz vor sich hertragen. Und die USA gingen mit ihrer „Freundschaft“ weiter, Europa als Konkurrent muss ebenso ausgeschaltet werden. Somit mussten auf alle Fälle die russischen Gaslieferungen sabotiert werden. Europa und vor allem Deutschland sind in der Überlegung der USA irrelevant geworden. Europa wird nur noch für die Ukraine ausgebeutet. Vor allem Deutschland, als US-besetztes Land, hat mMn die Hauptlast zu tragen. Wie sonst ist es zu verstehen, dass Lindner im Haushalt für DEUTSCHLAND, das Pampern der Ukraine eingearbeitet hat. Im deutschen Haushalt! Es sage mir auch niemand, dass der Gedanke der Habeckchen Aussage, dass in Deutschland die Industrie abgeschaltet werden muss, wenn die anderen EU-Länder Energieprobleme haben, auf seinen eigenen Mist gewachsen sind. Deutschland wird deindustrialisiert untergehen und danach die EU. Das Resteuropa wird das wirtschaftlich auch nicht überstehen. Plan gelungen. Es wird ein Pyrrhussieg des Westens sein.

    1. Guter Kommentar und weitgehend Übereinstimmung.
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      Allerdings glaube ich, dass man Deutschland möglicher- und glücklicherweise zu spät fallen lassen hat. Zu spät deshalb, weil es Putin wohl schneller als erwartet gelungen ist, die russische Wirtschaft nach Beginn des Sanktionskrieges durch den Westen umzustellen und nicht nur einen wirtschaftlichen Abschwung zu verhindern, sondern die Wirtschaftsleistung sogar noch auszubauen und gleichzeitig die militärischen Kapazitäten Russlands so weit zu verstärken und zu modernisieren, dass Russland faktisch unangreifbar geworden ist, außer ein potentieller Angreifer beabsichtige Selbstmord zu begehen.
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      Natürlich wissen das die US-Strategen und ihre Vasallen, auch wenn deren Propaganda stets das Gegenteil verkündet.
      Wichtiger noch als die militärische Stärke scheint mir aber der Ressourcen-Reichtum Russlands zu sein. Soweit mir bekannt, verfügt Russland über alle nötigen Ressourcen in ausreichender Menge (man korrigiere mich bitte, sollte ich da falsch liegen), insbesondere wenn man China als Verbündeten Russlands hinzurechnet. Warum sind die Ressourcen wichtiger?
      Würden beispielsweise die USA oder Russland ihre volle militärische Stärke ausspielen, würden wir einen globalen Atomkrieg erleben, die schlimmste Katastrophe, die man sich überhaupt für die Menschheit vorstellen kann. Das will keiner, nicht mal die USA.
      Wenn man also keinen „Großen Krieg“ führen kann, weil klar ist, dass alle verlieren und niemand etwas zu gewinnen hat, bleibt letztlich noch die Kriegsführung in Form von Ressourcenkriegen, was z.B. auch die gegen Russland verhängten Sanktionen beinhaltet. Dumm ist dabei für den Westen und insbesondere für Europa, dass die Sanktionen der europäischen Wirtschaft massiv schaden, währen die USA relativ glimpflich davonkommen.
      Klüger ist da schon die russische Strategie, den Konflikt in der Ukraine zu nutzen, um die sehr umfangreichen Waffenlieferungen des Westens, die wichtige und im Westen knappe Ressourcen sind, entweder in den Depots oder auf dem Weg an die Front zu vernichten.
      Wäre der Westen so dumm, dieses Spiel noch einige Jahre fortzusetzen, würde sich der Westen praktisch selbst entwaffnen und die US-Falken müssten ihre Lieblingsbeschäftigung, nämlich das Führen von Kriegen, endgültig einstellen und auf den hinteren Bänken der Macht Platz nehmen.
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      Leider sind sie aber klug genug, um sich dessen bewusst zu sein, weshalb nun immer mehr stimmen laut werden, die von Kiew Verhandlungen fordern. Die Frage wäre dann noch, unter welchen Bedingungen Russland überhaupt zu Verhandlungen bereit wäre. Schließlich ist man in einer recht komfortablen Position. Klar ist jedenfalls, dass die Zeit für Russland und gegen den Westen arbeitet. Leider lässt sich dabei kaum vermeiden, dass auch wir die Auswirkungen dieses Ressourcenkrieges zu spüren bekommen. Schließlich leben wir im „Wertewesten“.
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      PS: 1 Liter Diesel kostet in Russland etwa 69 Eurocent, in den USA 1,04 und bei uns 1,80 EUR. Übrigens: im Iran kostet der Liter Diesel ganze 10 Eurocent…

      1. Ich stimme Ihnen voll zu. Leider verstehe ich Ihren 1. Satz nicht, vor allem das glücklicherweise zu spät hat fallenlassen. Aber wir werden uns nicht um Worte streiten, weil ich Ihren Aussagen als eine super Fortsetzung sehe und weil Ihre Worte wichtig sind.

        1. Danke für Ihre Antwort! Aus Sicht jener Kräfte, die die US-Politik hinter den Kulissen lenken – m.E. ist das der globale „Geldadel“ bzw. die global agierenden Oligarchen -, dürfte es ziemlich ärgerlich sein, die Nummer, die sie jetzt in der Ukraine durchziehen, nicht schon viel früher begonnen zu haben. Ich habe mich schon oft gefragt, warum die USA als Kampfhund der Oligarchie nicht schon damals, als Russland praktisch am Boden lag – Jelzin Aera – und China noch relativ schwach war, den Sack zugemacht haben.
          Ausser einigen vagen Theorien habe ich darauf bisher keine schlüssige Antwort gefunden.
          Klar ist nur, dass das, was wir jetzt in der Geopolitik erleben, einem bereits vor längerer Zeit geschriebenen Drehbuch – Zbigniew Brzezinski?! – folgt. Warum man dabei gewartet hat, bis Russland rüstungstechnisch so weit vorangekommen war, dass das Land praktisch unangreifbar ist, bleibt für mich ein Rätsel.
          Vielleicht bedurfte es erst eines Gorbatschow, der in Russland von vielen als Verräter gesehen wird, um die Voraussetzungen zu schaffen, die von Brzezinski ins Spiel gebrachte Variante, Russland über die Ukraine anzugreifen, umsetzen zu können.
          Wer die Ideen von Brzezinski nicht kennt, kann z.B. hier sein Buch „Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ herunterladen…
          http://www.dragaonordestino.net/Drachenwut_Blog_DragaoNordestino/Freies-Konsensforum/Freies-Konsensforum_arquivos/Die-einzige-Weltmacht.pdf

          1. Zuerst mal: Zu allem, was Sie schreiben, kann ich zu 99% zustimmen.
            Das man nach der Wende nicht versucht hat, den Sack zu zumachen, mag daran liegen, dass man einen Gegner, der als Verteidigung nur noch die atomare Option hatte, nicht militärisch angreifen wollte.
            Nur mal so als Hypothese.
            Ich gehe immer noch davon aus, dass diejenigen, die hier westlicherseits alles initiieren, nicht so verrückt sind sich den A… selbst wegzuschießen (auch wenn ich sie für hochgradig psychopatisch halte).

  2. So es gestattet ist, hier noch ein Hinweis auf einen, m.E., weiteren lesenswerten Artikel bezüglich unserer britischen und amerikanischen “Freunde“ und ihres, schon mehr als hundert Jahre andauernden, Bemühens, Kontinentaleuropa zu zersetzen, durch Kriege zu schwächen und vom Aufbau einer konstruktiven Beziehung zu Russland abzuhalten – vom WK1 über WK2 bis zum (noch ausstehenden) WK3:
    https://globalbridge.ch/verhaengnisvolle-freundschaft-wie-die-usa-europa-eroberten/
    Und da ich gerade so schön dabei bin, hier auch noch ein weiterer, zum Thema passender Elfenjunge:
    https://invidious.kavin.rocks/watch?v=YS7LZ-Uh8Qw
    [ Ein Vortrag von Frau Gabriele Krone-Schmalz, mit dem Titel: Ist gemeinsame Sicherheit mit Russland möglich? ]
    Gute Nacht!

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