Am 2. November wurde der internationale Tag zur Beendigung von Straflosigkeit gegen Journalisten begangen.


Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat anlässlich dieses Tages an uns alle appelliert, für Wahrheit und Gerechtigkeit einzutreten. Das gilt auch in besonderem Maße für all jene, deren berufliches Selbstverständnis, das eines Journalisten ist. Staatlich sanktionierte Verbrechen gegen Journalisten lassen sich dieser Tage kaum stärker symbolisieren, als mit dem Namen des australischen Journalisten Julian Assange.


UN-Generalsekretär António Guterres: Erklärung zum Internationalen Tag zur Beendigung der Straflosigkeit für Verbrechen gegen Journalisten

Meinungsfreiheit und freie Medien sind unerlässlich, um Verständnis zu fördern, die Demokratie zu stärken und unsere Anstrengungen zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung voranzutreiben.

In den letzten Jahren haben jedoch das Ausmaß und die Anzahl der Angriffe auf Journalisten und Medienschaffende zugenommen, und es gab mehr und mehr Vorfälle, die ihre Fähigkeit ihre lebenswichtige Arbeit auszuüben beeinträchtigten. Diese Vorfälle beinhalteten Androhungen von Strafverfolgung, Festnahmen, Inhaftierungen, Zugriffsverweigerungen und Versagen, Straftaten gegen Journalisten zu untersuchen und zu verfolgen.

Der Anteil von Frauen unter den Todesopfern ist ebenfalls gestiegen, und Journalistinnen sind zunehmend geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt, wie sexueller Belästigung, sexuellen Übergriffen und Drohungen.

Wenn Journalisten ins Visier genommen werden, zahlt die Gesellschaft als Ganzes den Preis. Wenn wir nicht fähig sind, Journalisten zu schützen, sind wir kaum in der Lage informiert zu bleiben und zur Entscheidungsfindung beizutragen. Ohne Journalisten, die in der Lage sind, ihre Arbeit in Sicherheit zu erledigen, besteht die Gefahr von Desinformation und Verwirrung.

Lassen Sie uns an diesem internationalen Tag zur Beendigung der Straflosigkeit für Verbrechen gegen Journalisten gemeinsam für Journalisten, die Wahrheit und die Gerechtigkeit eintreten. (1, Hervorhebungen durch Autor)


Eine der hervorstechendsten Merkmale wahrhaftigen Journalismus ist der Mut gegenüber der Macht. Es ist der Mut, den Missbrauch durch diese Macht aufzudecken, zu enthüllen. Durch Julian Assange und seine Mitstreiter bei Wikileaks wurden Kriegsverbrechen aufgedeckt, welche der Führer der selbsternannten westlichen Wertegemeinschaft zu verantworten hat. Für diesen Mut zahlt Assange nun einen extrem hohen Preis. Es ist an der Zeit, dass die Journaille aus ihrer Ängstlichkeit ausbricht und begreift, dass der Angriff auf Assange auch ein Angriff auf sie selbst ist.

Ein Quäntchen Hoffnung war in mir, dass die ARD-Tagesschau – die schließlich Journalismus für sich beansprucht – wenigstens auf diesen Tag hinweist. Dem war nicht so (2). Vielleicht weil der Hinweis auf diesen Tag ohne die Einbeziehung des Falles Assange unglaubwürdig gewesen wäre?

Die Europäische Union hat eine ähnliche Stellungnahme herausgebracht (Hervorhebung jeweils durch Autor):

Die EU gewährt über den von ihr finanzierten Schutzmechanismus für gefährdete Menschenrechtsverteidiger Unterstützung und Rechtsbeistand. Dieser Mechanismus kann schnell aktiviert werden, wenn sich Menschenrechtsverteidiger – einschließlich Journalisten – in Gefahr befinden.“ (3)

und im weiteren:

Im Jahr 2019 hat die Europäische Kommission Mittel in Höhe von mehr als 8 Mio. € für Projekte zur Förderung des Qualitätsjournalismus, der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Medienschaffenden und Selbstregulierungsgremien sowie für die Finanzierung des grenzüberschreitenden investigativen Journalismus und den Schutz gefährdeter Journalisten bereitgestellt.“ (4)

Man kann natürlich seine Dissonanz bekämpfen und ganz im Sinne jener, die Assange schlicht vernichten wollen, argumentieren, dass Assange ja kein investigativer Journalist wäre. Die nächste Beruhigungspille lässt dann festigend verlauten: Verfolgte investigative Journalisten gibt es nur in Diktaturen und autokratisch geführten Staaten – und schon ist die Welt wieder in Ordnung. Wenn allerdings der Begriff „investigativer Journalist“ für Assange nicht zutrifft, dann ist es nichts weiter als eine leere, wohlfeile Worthülse.

Die ARD-Tagesschau hat sich lieber nicht in die Nesseln gesetzt und daher auch nicht die obige Erklärung der EU veröffentlicht oder gar thematisiert. Das tat das Sendeformat auch nicht in Bezug auf die Stellungnahme des deutschen Auswärtigen Amtes, das sich im Wohlklang erging:

Journalisten brauchen unbedingt ein Umfeld, in dem sie in der Lage sind, in Sicherheit zu arbeiten, ohne Angst vor Belästigung, Einschüchterung, politischem Druck, Zensur und Verfolgung. Rechtssysteme müssen Medienhäuser und Journalisten auf der ganzen Welt schützen, damit sie ihre Arbeit in völliger Unabhängigkeit verrichten können. In Zeiten, in denen die gezielte Verbreitung von Desinformation durch staatliche wie nicht-staatliche Akteure immer weiter zuzunehmen scheint, muss die Unabhängigkeit kritischer Journalisten gestärkt und ihre Sicherheit gewährleistet werden. Eine Demokratie kann nicht ohne freie, vielfältige und unabhängige Medien leben, sie sind Grundpfeiler einer jeden demokratischen Gesellschaft.“ (5)

Da können sich Menschen wie Chelsea Mannings und Julian Assange oder Whistleblower wie Edward Snowden aber schon vorfreuen, wenn die deutsche Regierung ihre Worte mit Leben füllt, nicht wahr? Zwar war – so viel wie ich weiß – keiner von ihnen auf einer Journalistenschule. Nur ist das nicht das Entscheidende, um als Journalist gelten zu können.

Anderswo gerierte man sich bei der ARD da viel „mutiger“: Da ging es allerdings um ein anerkanntes Mitglied des „öffentlich-moralischen Gerichts“, angestellt beim Springer-Konzern (6). Bei Deniz Yücel bedurfte es keinen Mut, Flagge zu zeigen. Auch wenn es darum ging, Solidarität mit in Russland inhaftierten Journalisten zu zeigen, war man beim moralischen Aufblasen kurz vor dem Platzen (7). Aber Mut ist beim gemeinsamen Wettschwimmen im von Moral getränkten Empörungssumpf verzichtbar – wie bequem.

Doch mit dem Hegemon legt man sich als eingebetteter Journalist schon ganz freiwillig nicht an – es sei denn, es geht um die Trump-Fraktion. Die geistige Durchdringung der angeschlossenen Teilnehmer ist schließlich der ganz praktische Zweck einer über Jahrzehnte aufgebauten und gepflegten transatlantischen Vernetzung.

Bitte bleiben Sie schön aufmerksam.


Anmerkung und Quellen

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden.

(1) 2.11.2019; https://www.unric.org/de/pressemitteilungen/28786-un-generalsekretaer-antonio-guterres-erklaerung-zum-internationalen-tag-zur-beendigung-der-straflosigkeit-fuer-verbrechen-gegen-journalisten-2-november

(2) https://www.tagesschau.de/archiv/meldungsarchiv100~_date-20191102.html; abgerufen: 13.11.2019

(3,4) 31.10.2019; https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2019/10/31/declaration-by-the-high-representative-on-behalf-of-the-eu-on-the-occasion-of-the-international-day-to-end-impunity-for-crimes-against-journalists-2nd-november-2019/

(5) 1.11.2019; https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/tag-straflosigkeit-verbrechen-journalisten/2262502

(6) Arnd Henze; 6.1.2018; https://www.tagesschau.de/kommentar/cavusoglu-145~_origin-2b9a0db0-a2b7-49f1-9320-167843c4f9b4.html

(7) Eva Steinlein, 12.6.2019; https://www.tagesschau.de/ausland/russland-proteste-107.html

(Titelbild) Vereinte Nationen, UNO, Flagge, Logo; Autor: geralt (Pixabay); 18.8.2014; https://pixabay.com/de/illustrations/vereinten-nationen-blau-logo-uno-419885/; Lizenz: Pixabay License

Von Ped

3 Gedanken zu „Julian Assange ist ein Journalist“
  1. Hallo Ped,
    es ist gut dass das Thema aufgegriffen wurde. Was mich stört ist das sich an „Nebensächlichkeiten“ wie Begriffsklärung aufgehalten wird. Es ist vollständig belanglos ob Assange Journalist ist. Wie können Journalisten Arbeiten wenn sie keine Leute haben die ihnen aus dem Inneren heraus zuarbeiten. Oder wie bei Assange durch Schaffung von Wikileaks, brisante, nicht von der Mainstream-presse veröffentliche Meldungen weitergab.
    Auch die Personen müssen behandelt werden wie Journalisten. Von daher ist es immer wichtig das auch die Presse Demokratisch organisiert ist.
    So kann ich nicht sehen das „Ängstlichkeit“ ein Hemmnis bei Journalisten ist, außer es ist die vor Kündigung. Es ist kein Individueller Widerspruch.
    Wie so etwas funktioniert hier: https://www.arte.tv/de/videos/082806-000-A/fake-america-great-again/
    Da ist sogar der Russe fallen gelassen worden.

  2. An dieser Stelle möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass man an Julian Assange schreiben kann, an die folgende Adresse:
    Mr. Julian Assange
    DOB: 3/07/1971 HMP
    Belmarsh Western Way
    London SE 28 0EB
    United Kingdom
    Die Behörden lassen angeblich nur weiße Umschläge und weißes Papier passieren und der Absender muss genannt sein. Für eine Rückantwort braucht man einen mit GBP 1,35 frankierten und adressierten Rückumschlag. Auf dass eine rege Briefkorrespondenz ihm über dunkle Stunden hinweghilft. ……… eben in den Nachdenkseiten gefunden .

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