Der Mensch als biologisches Wesen ist von Instinkten geleitet. Und so wie er in der Vergangenheit über die darin entwickelten Strategien sein Überleben sicherte, so „funktioniert“ er auch heute in seinem Dasein als soziales Wesen. Wenn er in Notsituationen gerät, gewinnt ein auf tiefem Egoismus basierender Kampf mit den Artgenossen die Oberhand über friedliches gemeinschaftliches Zusammenleben. Deshalb sind Kriege zwischen Gesellschaften unvermeidlich. Die These vom homo sapiens als einem grundsätzlich egoistisch ausgerichteten Wesen ist Basis aller marktwirtschaftlichen, vor allem neoliberalen Gesellschaftsmodelle. Nur: Ist das wirklich so? Sind wir als Menschen tatsächlich machtlos gegen unsere unterbewussten über unzählige Generationen verinnerlichten Verhaltensweisen, sind diese per se egoistisch – und wir deshalb zu dauerhaften Frieden gar nicht fähig?
Das Thema inspirierte mich durch eine etwas andere als die gerade formulierte Fragestellung – von Menschen, die mich eh durch ihre Tiefgründigkeit, Ernsthaftigkeit und Wahrhaftigkeit beeindrucken, mit der sie sich an Aspekte unseres menschlichen Wesens heranwagen. Daher an dieser Stelle mein herzlicher Dank an Demos, Daniel und Nathanael! Zwei Thesen stellten sie gegenüber, die ich hier mal (ganz leicht modifiziert) wiedergebe:
„Unser Verstand ist unser Gesetz“ versus „Unser Gewissen ist unser Gesetz.“ [1]
Da schwingen hohe ethische Normen mit. Die äußerst interessante Diskussion dazu [2] wird hier nicht thematisiert, was mich aber bei der Auseinandersetzung umtrieb, waren die Begrifflichkeiten Verstand, Gesetz, Gewissen. Wissen wir, was sie bedeuten und wenden sie an der richtigen Stelle an? Welche der genannten Thesen ist gültig, haben vielleicht beide ihre Richtigkeit oder sind sie vielmehr Baustein für eine andere These, die es gilt noch herauszufinden? Tauchen wir deshalb im Folgenden auf (so hoffe ich) allgemein verständliche Weise ein in die menschliche Psyche und finden so vielleicht eine schlüssige Antwort.
Keine Frage, wir sind biologische Wesen und unsere Sinne, die auf Wahrnehmung unbewusst, affektiv und damit sehr effektiv reagieren, haben eine im Sinne des Überlebens überragende Bedeutung. Und als Überlebenswerkzeuge werden sie selbstredend auch in jeder Situation angewandt, in der das Überleben (das muss nicht immer nur das eigene Überleben sein) gefährdet ist. Aber haben wir nicht auch ein Bewusstsein? Wo ist eigentlich die Grenze zwischen Bewusstem und Unterbewusstem? Kann es sein, dass wir oft meinen, bewusst zu handeln, wir aber viel mehr vom Unterbewussten gesteuert werden? Das wollen wir zuerst untersuchen und dabei einmal betrachten, wie wir überhaupt Informationen aufnehmen und verarbeiten.
Die menschliche Verarbeitungskette
Schauen wir uns das Muster unserer Informationsverarbeitung und dem daraus resultierenden Tun näher an, kommen wir um die Betrachtung einiger psychologischer Begriffe nicht herum. Diese Begriffe erläutere ich im Folgenden in einer gewissen logischen Reihenfolge – ohne diese als ehern betrachtet zu wissen.
Reiz |
Wahrnehmung, Sinne |
Emotion |
Verstand |
Vernunft |
Reiz und Wahrnehmung
Ein Reiz (auch Stimulus) ist die wahrgenommene Aktivität von Objekten der Umwelt, aber auch unseres Ichs durch unsere Sinne. Die Entwicklung unserer Sinnesorgane mit ihren spezialisierten Fähigkeiten (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen) ist ein seit Jahrmillionen andauernder genetischer Prozess. Naturgemäß sind uns bei der Wahrnehmung der Welt Grenzen gesetzt. Einmal quantitativ, weil unsere Sinne eine begrenzte Sensibilität besitzen, womit sie durch einen Ereignishorizont limitiert werden und natürlich auch qualitativ, denn unsere Sinne sind auf die Wahrnehmung ganz bestimmter Aktivitäten spezialisiert (eben Sehen, Hören usw.).
„Wahrnehmung ist das Produkt zweier nacheinander ablaufender Prozesse, dem Prozess der Informationsaufnahme und dem Prozess der Informationsverarbeitung.“ [3]
Wahrnehmung geschieht unbewusst und ist bei jedem Menschen einzigartig. Weil wir Wahrnehmung nicht ausschalten können, landet jeder Reiz in der – ich nenne sie mal so – Halle des Unterbewussten. Und dort warten die Emotionen.
Emotionen
„Emotionen sind komplexe, in weiten Teilen genetisch präformierte Verhaltensmuster, die sich im Laufe der Evolution herausgebildet haben, um bestimmte Anpassungsprobleme zu lösen und dem Individuum ein schnelles und der Situation adäquates Handeln zu ermöglichen.“ [4]
Emotionen „warten“ also in der Halle des Unterbewussten, mal eher dämmernd, mal voller Erwartung, und „bewerten“ die eingegangenen Informationen (die über die Sinne wahr genommenen Reize). Informationen, welche zu einer Emotion „passen“ (wie eine Art Schlüssel), regen diese Emotion an. Das Stirnhirn (präfrontaler Cortex) integriert die aus der Halle des Unterbewussten rufenden Emotionen und kann sie in bestimmten Maße auch kontrollieren. Emotionen sind Empfindungen die man weit nuancieren kann; Trauer und Freude, Wut und Angst, Verwunderung und Überraschung, Lust und Abneigung sind nur einige Beispiele für Emotionen.
Hier möchte ich auf etwas aufmerksam machen:
Emotionen die übermäßig oft angeregt werden, erliegen einer Konditionierung und sind dann dauerhaft hellwach. Das kann u.U. für einen Menschen auch gefährlich werden (Stichworte: Überlastung, Stress, Psychosen).
Wir können Emotionen nicht wirklich unterdrücken, allenfalls verbergen. Und ich meine schon, dass unsere Emotionen heutzutage in völlig unnatürlicher Weise angeregt werden, wir viel zu oft und zu lange in Stress sind, weil wir entsprechenden Triggern ausgesetzt sind. Nehmen wir (und ich schaue auf unsere Gesellschaft hier) die überlebenswichtigen Dinge raus, wage ich zu behaupten, dass mindestens 80 Prozent unserer Kaufentscheidungen, nicht nur rein emotional angelegte Entscheidungen sind (denn das sind sie immer), sondern von Dritten bewusst mit Vorsatz erzeugte Emotionen. Und auf die gleiche Weise wird die (emotionale) Kriegsbereitschaft im Menschen hergestellt, mittels ganz bestimmter Reize.
Aber dazu weiter unten mehr. Übrigens können wir unsere Emotionen verstehen und aus ihnen lernen. Und wir haben ja den Verstand, inwieweit bringt der uns weiter?
Verstand
„Verstand ist das Substantiv zu „verstehen“ von althochdeutsch „farstān“ mit der ursprünglichen Bedeutung „davor stehen“ (wodurch man z. B. eine Sache genau wahrnehmen kann), was von Anfang an im übertragenen Sinn („begreifen“, „durchschauen“) verwendet wurde. “ [5]
Das „Ver“ kommt in diesem Zusammenhang also aus dem Altdeutschen „far“ wie „davor“. Der Verstand ist mit der Genese des Tieres Mensch gewachsen und wird durch die Kette (sehr vereinfacht) Wahrnehmung – Emotion – Präfrontaler Cortex angeregt. Der Verstand ist eine jedem Menschen innewohnende Fähigkeit, allerdings von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausgeprägt. Verstand lernt durch Erfahrung, wobei auch die Lernfähigkeit stark zwischen den Individuen divergiert und durch vielfältige Komponenten beeinflussbar ist.
Vernunft
„Vernunft ist das geistige Vermögen des Menschen, Einsichten zu gewinnen, Zusammenhänge zu erkennen, etwas zu überschauen, sich ein Urteil zu bilden und sich in seinem Handeln danach zu richten.“ [6]
Ohne Vernunft hängt der Verstand in der Luft. Die Vernunft erst erlaubt kreatives Handeln, sie schließt kognitives Denken ein, kann verschiedene Sichten und Handlungsebenen überschauen und in einen gemeinsamen Kontext bringen. Handlungen beruhen allgemein auf Erkenntnissen (Erfahrungen) und sind das Ergebnis des Zusammenspiels von Verstand und Vernunft. Und wir sind an einem sehr wichtigen Punkt angelangt, an dem wir Eines erkennen können:
All das bisher Beschriebene ist absolut lebensnotwendig und „funktioniert“ auch ohne Gewissen. Die enthaltenen Verhaltensmuster sind unbewusst – und das ist gut so. Sie sind das Ergebnis unzähliger Generationen menschlicher Geschichte und der seiner Vorfahren.
Die reine Vernunft
Gerade Psychopathen agieren prinzipiell pragmatisch, konsequent oder kompromisslos. Sie handeln extrem rational – vernünftig. So gesehen, wird der Begriff „Vernunft“ oft – da sehr positiv konnotiert und mit ethischen Werten verknüpft – an den falschen Stellen genutzt. Zum Beispiel hat die Redewendung: „Die Vernunft sollte die Oberhand gewinnen.“ natürlich einen anderen ethischen Ansatz, als im Sinne des Satzes tatsächlich ausgedrückt wird. Dass nämlich (im Kontext planvollen Handelns) die Vernunft die Oberhand gewinnen soll – über das Gewissen! Nur ist das bislang erläuterte Prinzip von Informationsaufnahme, Verarbeitung, Erkenntnis und vernünftigen Handelns nicht eigentlich ein sehr gut funktionierendes, man möchte meinen perfektes System?
Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass unsere Gesellschaften in hohem Maße pathologisch (im Sinne von Psychopathen) gesteuert sind. Dafür genügt es, die Ideologien zu untersuchen, auf die sich bspw. der Neoliberalismus stützt. Sie gehen in ihren Schlussfolgerungen immer nur bis zur Kategorie „Vernunft“ – und blenden das, was eben auch noch dem Menschen eigen ist (s.w.u.), einfach aus. Nun, für den Psychopathen ist demnach ein solches System tatsächlich perfekt! Und dafür ist er nicht zu verurteilen, denn es kann für ihn nicht anders sein. Er hat ein Manko, ein Defizit, dass er (nach jetzigen wissenschaftlichen Erkenntnissen) nicht beheben kann. Er ist also nicht schuld daran – auch wenn er über dieses Defizit anderen Menschen viel Schaden zufügen kann(!). Aber was fehlt ihm denn und warum ist es so wichtig, zu diesem Fehlenden befähigt zu sein?
Er ist nicht in der Lage, die Folgen seines eigenen Denkens (Verstand plus Vernunft) und Handelns selbstkritisch zu hinterfragen (zu reflektieren). Er ist damit unfähig, eigene Fehler zu erkennen – anzuerkennen. Es fehlt die kritische Rückkopplung, um eigene vernünftige Handlungen anzupassen. Für überlebenswichtige affektive Handlungen eines biologischen Systems (was der Mensch ja auch darstellt) mag das gut sein, für ein kooperatives gemeinsames Handeln mit anderen Menschen dagegen ist es fatal.
Selbstreflexion – Empathie – Gewissen
Das „Gewissen“ ist kaum zu erklären, ohne sich zuvor mit Selbstreflexion und Empathie beschäftigt zu haben:
„Selbstreflexion bezeichnet die Fähigkeit des Menschen, über die eigene Situation nachzudenken. Reflexionen von äußeren oder inneren Beobachtungen können als Chancen zum Erkennen von Problemen und Ansatzpunkten für Veränderungen angesehen werden. Selbstreflexion setzt das Vermögen zur differenzierten Selbstbeobachtung und eine gewisse Distanz zu sich selbst voraus.“ [7]
Selbstreflexion hängt eng mit Empathie (Selbstempathie) zusammen und beschreibt die Fähigkeit, zu seinen Gefühlen, zu seinem tiefsten Innern zu stehen, OHNE dabei seine Persönlichkeit bedroht zu fühlen. Damit ist ein gewissermaßen objektiver Blick von außen auf das eigene Ich möglich. Die mögliche Kritik an sich selbst führt nicht zum Konflikt mit der eigenen Persönlichkeit. Man kann auch sagen, Selbstreflexion ist der Mut in den anderen hineinzuschauen und Empathie ist die Kraft, das was man dort erkennt, wahrzunehmen UND auszuhalten.
Wir sind der Selbstreflexion, die z.B. ein grenzenlos egoistisches Verhalten verhindert allesamt (bis auf oben beschriebene Ausnahme) fähig. Selbstreflexion ist beim Menschen völlig normal. Aber sie kann blockiert werden. Propaganda einschließlich Werbung verhindert wirkungsvoll Selbstreflexion. Die uns innewohnende Selbstreflexion erlaubt uns Empathie – womit wir eben keine Humanroboter sind, die in dem einen System so funktionieren und in dem anderen wiederum anders, halt nach angewandtem System. Diese Systemsteuerung wurde und wird aber mit großem Nachdruck versucht, in gesellschaftlichen Projekten einzuführen – und das in großen Teilen erfolgreich. Es lohnt sich hierzu die Geschichte der R.A.N.D.-Corporation und die von John Nash zu erforschen, in welchen der Mensch rein auf seine Instinkte reduziert wird – und diese Reduzierung versucht wird, am Menschen selbst umzusetzen!
Die Empathie ist jedoch das, was unser alltägliches Zusammenleben über unsere unbewussten genetisch vererbten und weiterentwickelten Überlebensmechanismen hinaus tatsächlich ausmacht. Mehr noch ist sie eine Weiterentwicklung dieser Mechanismen. Kooperation hat sich als ein universelles Erfolgsmodell bewiesen. Man hat zwei Formen von Empathie erkannt; die kognitive Empathie:
„Von kognitiver Empathie spricht man, wenn man wahrnimmt, was in einem anderen vorgeht, jedoch ohne dabei die emotionale Reaktion seines Gegenübers zu zeigen. Dazu gehört z.B. auch die Anwendung eines Persönlichkeitsmodells. Zur kognitiven Empathie gehören aber auch unbewusste, intuitive Bestandteile, so lange sie auf rationalen Abläufen im Gehirn basieren. Kognitive Empathie bedeutet also, dass man versteht, was in einem anderen vorgeht.“ [8]
und die emotionale Empathie:
„Von emotionaler Empathie spricht man, wenn man die Gefühle eines anderen annimmt – im wahrsten Sinne des Wortes. Man fühlt das, was auch der andere fühlt. Emotionale Empathie ist also dasselbe wie Mitgefühl, Mitleid oder auch die Teilhabe an der Freude anderer. Emotionale Empathie wird oft auch affektive Empathie genannt.“ [9]
Selbstreflexion kann so im Zusammenspiel mit der Empathie auch affektives Verhalten auswerten (sowohl das Eigene als auch das Anderer) und uns befähigen bis zu einem gewissen Maße besser mit unseren und anderen Gefühlen umzugehen (z.B. um zu verhindern, dass unsere Gefühle andere Menschen verletzen). Wir prägen über diese Fähigkeit zukünftige Entscheidungsprozesse, die dann schließlich von unserem Gewissen hinterfragt werden.
„Das Gewissen ist eine emotionale Reaktion auf die eigenen Handlungen, Worte und Entscheidungen. Es definiert, ob wir eine Entscheidung für gut oder schlecht befinden, da wir uns auf die eine oder andere Weise damit identifizieren können.“ [10]
Diese Bewertung auf gut und schlecht wird gespeist aus den Erfahrungen unserer Selbstreflexion. Und mit unserem Gewissen ist uns tatsächlich Bewusstsein gegeben, wir sind uns dessen, was wir selbst tun, bewusst. Wir haben den Mut in den Spiegel zu schauen und die Fähigkeit, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.
Egotismus
Lässt sich das Gewissen eigentlich abschalten? Ja – und dafür gibt es den Egotismus; aus gutem Grund, denn ohne den Egotismus wären wir schlicht nicht lebensfähig:
„Der Egotismus bezeichnet die übertriebene Neigung eines Menschen, sich selbst in den Vordergrund zu spielen. Der Egotismus ist im heutigen Sprachgebrauch vor allem mit negativen Konnotationen belegt, denn er beschreibt die Tendenz mancher Menschen, für sich selbst nur positive Eigenschaften in den Vordergrund zu stellen und diese weitschweifig und verstärkt zu beschreiben. Dies kann objektiv aber auch in den Augen anderer zu Selbstüberschätzung und Realitätsverlust führen. In Bezug auf die Umwelt kann sich Egotismus destruktiv auswirken und oft das Gegenteil von dem erreichen, was ursprünglich durch die Selbstdarstellung bezweckt werden sollte. Der Egotismus ist in diesem Sinne nahe verwandt mit dem Narzissmus.“ [11]
Ich wiederhole es – auch wenn die zitierte Definition (wie sie selbst anmerkt), den Begriff negativ konnotiert, dass Egotismus eine wichtige, sinnvolle Funktion für unser Leben hat. Stellen wir uns einfach nur vor, wir würden alles Geschehen um uns herum ununterbrochen reflektieren und mit Empathie verarbeiten. Wir gerieten in einen Konflikt, den wir nicht lösen könnten. Jeder Schmerz, jede Krankheit, Gewalt, empfundenes Unrecht würde uns emotional erschüttern, der Lebensalltag wäre nicht mehr zu bewältigen. Egotismus verhindert das, als natürlicher Schutzmechanismus blockt er unsere Empathie.
Das hat auch im sozialen Umfeld seine Bedeutung, denn in Gemeinschaften können wir nur dann positiv wirken, wenn wir – durch einen gesunden Egoismus (als spezieller Form des Egotismus) – auf unsere Gesundheit und unser eigenes Glück achten. Ein ganz einfaches, triviales Beispiel dafür ist, es mag überraschend sein – der Schlaf. Unser Schlafbedürfnis ist egoistisch, wir müssen dafür einfach unsere Empathie für unsere Mitmenschen ausblenden, wir müssen uns in diesem Fall schlicht um uns selbst kümmern. Wir können es eine Zeitlang unterdrücken, wenn wir aber diesem egotistischen Zug dauerhaft widerstehen, werden wir mit Sicherheit krank. Und wer kennt es nicht? Dass wir nicht schlafen können, wenn uns das Gewissen peinigt.
Es gibt weitere (natürliche) Bedürfnisse, Emotionen unseres Ichs, die grundsätzlich erst einmal egotistisch sind – sein müssen, wie gerade erläutert. Eine besondere Rolle dabei spielen Gier und Angst, die mutwillig getriggert werden können, um die Empathie von Menschen zu unterdrücken und damit den Menschen selbst zu unterdrücken, zu beherrschen – und zwar dauerhaft! Wenn das passiert, werden Menschen folgerichtig auf eine niedrigere Stufe der Evolution zurück geworfen – sie werden gewissenlos!
Angst und Gier versus Gewissen
Wer mehr zum Thema Angst wissen möchte, kann auch gern in den Artikel „Die Angst und der Krieg“ schauen, hier deshalb nur kurz:
Angst ist ein völlig normales, ja unbedingt notwendiges emotionales Wesensmerkmal des Menschen; erzeugt durch subjektiv alarmierende, bedrohliche Ereignisse. Für den außen Stehenden können die Bedrohungen real aber auch irreal sein, für den Betroffenen allerdings sind die Bedrohungen immer real. Als lernendes System konditioniert sich der Mensch darauf, Situationen als Gefahren zu erkennen oder nicht; ganz nach dem oben beschriebenen Prozess (Wahrnehmung – Emotion – Verstand – Vernunft). Unschön ist allerdings in der Regel, dass der Mensch auf Angst auch missbräuchlich konditioniert werden kann – von anderen Menschen.
Angst erzeugt Stress und setzt einen Mechanismus zur Lebenserhaltung in Gang, dieser Vorgang der eigenen Existenzsicherung muss egotistisch sein und blockiert damit Empathie. Angst ist also – und gut das es so ist – nicht abschaltbar, aber das lässt sich eben auch missbrauchen. Wenn wir Angst haben, sind wir nur noch begrenzt oder gar nicht in der Lage empathisch zu denken und zu handeln. Angst blockt also auch unser Gewissen, dass ja seine Gabe aus Empathie bezieht. Menschen die Angst haben, schalten in einen Fluchtmodus oder in einen Kriegsmodus, um der Gefahr zu entgehen oder aber sie zu beseitigen. Fällt uns eigentlich auf, dass in unserer Gesellschaft mit der Erzeugung von Ängsten geradezu inflationär umgegangen wird?
Und Gier? Ich bezeichne sie als übersteigertes Bedürfnis, einen Mangel auszugleichen. Auch ein Mangel ist, wenn dauerhaft auftretend, bedrohlich für unsere Existenz. Deshalb sind wir bestrebt, einen wahrgenommenen Mangel auszugleichen, daher entwickeln wir Bedürfnisse. Wenn ein Mangel wiederholt oder anhaltend auftritt – von uns also so empfunden wird (und jede Emotion ist für den Betroffenen, wie schon bei der Angst erwähnt, real), dann steigert sich das Bedürfnis zum Ausgleich des Mangels hin zur Gier. Auch die Gier ist also grundsätzlich überhaupt nicht verwerflich, sie sichert unser Überleben – und muss deshalb Empathie blockieren. Wer denkt in Empathie an den Frieden der Welt oder hat in irgendeiner Form Gewissensbisse, wenn ihm kurz vor dem Verdursten ein Becher Wasser gereicht wird?
Aber so wie die Angst lässt sich natürlich auch Gier im Menschen bewusst fördern. Einerseits kann man ihm die lebensnotwendigen Ressourcen entziehen – sprich bewusst Mangel herbeiführen. Perfider noch ist jedoch das Schüren eines bislang natürlich vorhandenen Bedürfnisses oder gar das Erzeugen eines neuen Bedürfnisses welches zuvor gar nicht für den Angegriffenen existierte. Es lässt sich so weit treiben, dass Menschen pausenlos mit Reizen geflutet werden, um deren Emotionen aus Bedürfnissen und Gier zu stimulieren. So etwas nennt man heutzutage euphemistisch: „Kaufreize schaffen„. Fällt uns eigentlich auf, dass in unserer Gesellschaft mit der Erzeugung von Bedürfnissen und Gier geradezu inflationär umgegangen wird?
Wenn Emotionen wie Angst und Gier pausenlos in den Menschen getriggert werden, wirkt sich das unweigerlich auf ihre Fähigkeiten zu reflektiertem, empathischem Denken und Handeln aus. Sie werden in einer gewissen Weise gewissenlos!
Einen – im Eingangsteil erwähnten – Begriff gilt es noch kurz zu untersuchen, das „Gesetz“
Gesetz
Betrachten wir hier den Begriff nicht im Sinne eines Naturgesetzes oder einer juristischen Verordnung, sondern als universelle Kategorie für menschliches Handeln. In Auswertung der gerade erarbeiteten Erkenntnisse lässt er sich dann in etwa so beschreiben:
Ein Gesetz im Kontext menschlichen Handelns ist eine durch Selbstreflexion und Empathie vom Menschen selbst entwickelte Richtschnur für eigenes Denken und Handeln sowohl in seinem unterbewussten Wirken als menschliches Wesen, als auch im planvollem Wirken in Rücksicht und Gemeinschaft mit anderen Menschen. [12]
Und daher schlussfolgere ich in Bezug auf eingangs erwähnte Thesen (meiner Freunde) und sage:
Unsere Vernunft ist unser Gesetz und(!) unser Gewissen ist unser Gesetz.
Denn:
„… der Verstand [Vernunft] veranlasst die wohl notwendigen Handlungen, wo das Gewissen selbst in Konflikt mit den Gefühlen [dem Gewissen] gerät.“ [13]
Wir sind einer höheren Vernunft fähig, einer die das Gewissen einbezieht, müssen aber auch anerkennen, dass nicht alle vernünftigen Entscheidungen im Leben empathisch und selbstreflektiert sein können.
Vernunft – Mit und ohne Gewissen
Vernünftiges Handeln kann also ohne Gewissen geschehen. Affektives und instinktives Handeln ist demnach als vernünftiges Handeln zu bewerten. Und es geschieht natürlich auch über den „Umweg“ des Gewissens. Zwingend erforderlich dafür ist dann aber Empathie und Selbstreflexion. Es ist eben so, dass sowohl das Unterbewusste unseres Ich´s als auch das Bewusste lernende Systeme sind, die in komplexer Weise voneinander abhängen. Lernen aber können sie nur durch Erfahrung mit den damit verbundenen Fehlern und so bitter es klingen mag, ist es so, dass diese gemacht werden müssen, um reifer und reicher zu werden.
Daher schützt uns auch unser Gewissen nicht vor Fehlentscheidungen, im Gegenteil sind gerade gemachte und(!) erkannte Fehler Antrieb für Veränderung, für Lernprozesse. Vernunft die zusätzlich durch Selbstreflexion gespeist wurde, sehe ich als eine höhere Vernunft. Und eines benötigt gerade höhere Vernunft neben der Empathie: Wissen, Wissen über die Welt andere und uns. Dieses Wissen kann uns auch davor schützen, dass unsere Empathie, unsere Selbstreflexion durch pathologische Handlungen (psychopathische Manipulation) missbraucht wird.
Die Frage, ob wir nach dem Prinzip des homo oecononicus „funktionieren“ und nur das passende System dafür zu entwickeln ist, das war ja die Ursprungsfrage, hat der „Gottvater“ der Marktwirtschaft, Adam Smith so beantwortet:
„Es ist nicht die Wohltätigkeit des Metzgers, des Brauers oder des Bäckers, die uns unser Abendessen erwarten lässt, sondern dass sie nach ihrem eigenen Vorteil trachten.“ [14]
Bedenken wir: In dieser Aussage bildet sich vollständig das Paradigma unserer heutigen Gesellschaft ab. Und, hatte er recht? Handeln wir Menschen im Prinzip ohne Gewissen? Diese Frage muss nicht für die Menschheit gestellt werden. Aber (fast) jeder kann die Frage an sich selbst stellen – und dann auch beantworten!
Quellen
[1][2][13] Unser Verstand ist unser Gesetz; Diskussion im Forum der Mahnwache für Frieden Dresden; 10-2015; http://friede-dresden.xobor.de/t124f14-Unser-Verstand-ist-unser-Gesetz-versus-unser-Gewissen-ist-unser-Gesetz.html
[3] Wahrnehmung; Stangl, W. (2012); Lexikon für Psychologie und Pädagogik; http://lexikon.stangl.eu/autor/ © Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik http://lexikon.stangl.eu/4674/wahrnehmung
[7] ebda; Selbstreflexion; http://lexikon.stangl.eu/7084/selbstreflexion
[11] ebda; Egotismus; http://lexikon.stangl.eu/10356/egotismus/
[4] Die menschlichen Emotionen; Werner Stangl; Werner Stangls Arbeitsblätter 2016; http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION /Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/
[5] Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache; Friedrich Kluge
[6] Vernunft; Der Duden, Online-Ausgabe; http://www.duden.de/rechtschreibung/Vernunft
[8][9] http://www.empathie-lernen.de/empathie-definition
[10] www.psychologie-studieren.de/glossar/gewissen/
[12] http://peds-ansichten.de
[14] Adam Smith; An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776), The Wealth of Nations, Book I; http://gutezitate.com/zitat/135234
[Titelbild] Autor: TimHaynes; Datum: 2016-04-17; Quelle: flickr.com_Lizenz: CreativeCommons
Meines Erachtens eine gründliche und gelungene Sicht auf den Mensch.
„…unsere Gesellschaften in hohem Maße pathologisch (im Sinne von Psychopathen) gesteuert sind“
„Er hat ein Manko, ein Defizit, dass er (nach jetzigen wissenschaftlichen Erkenntnissen) nicht beheben kann. Er ist also nicht schuld daran – auch wenn er über dieses Defizit anderen Menschen viel Schaden zufügen kann(!).“
‚viel Schaden zufügen‘ : Ja, wenn Psychopaten über viel Geld&Macht verfügen.
Deshalb werden wir eben ein neues anderes Gesellschafts- und Wirtschafts-System erfinden müssen, eines, in dem Menschen nicht mehr zu Macht über andere Menschen gelangen können.
Ideen dafür gibt es bereits, siehe
http://www.members.aon.at/goedheinz/GOD_Deutsch/Zukunft/2069Buch/2069D_17.html
(Suchbegriff: keine Macht )
„„Das Gewissen ist eine emotionale Reaktion auf die eigenen Handlungen, Worte und Entscheidungen. Es definiert, ob wir eine Entscheidung für gut oder schlecht befinden, da wir uns auf die eine oder andere Weise damit identifizieren können.““
Ja. Aber wie entsteht ‚Gewissen‘ ?
Wikipedia liefert:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gewissen
„Das einzelne Gewissen wird meist als von Normen der Gesellschaft und auch von individuellen sittlichen Einstellungen der Person abhängig angesehen. Ohne eine ethische Orientierung bleibt das Gewissen „leer“; „ohne Verantwortung ist das Gewissen blind“.[1]“
Ganz so einfach dürtfte es aber doch nicht sein, siehe
http://www.kha.at/downloads/personaleortederverantwortunga.pdf
http://www.gym-hartberg.ac.at/schule/images/stories/Religion/themen_matura/18_Gewissen.pdf
http://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/gewissen/5935
http://www.abile.org/documents/noos/NOOS_15_GEWISSEN.pdf
Theologisch, aber trotzdem interessant:
http://www.psychotherapie-coaching.at/wp-content/uploads/2015/07/Das-Gewissen.pdf
Da besteht wohl noch Bedarf an Forschung 🙂