Die Politik des US-Präsidenten verfolgt handfeste Ziele — und spielt mit den Narrativen seiner Gegner.


Was meint der Leser: Verbreiten bestimmte Eliten und ihre Lautsprecher nur Narrative oder glauben sie auch an diese? Nun, es werden nur verschwindend Wenige sein, die nicht auf ihre eigene Propaganda hereinfallen. Aber das sind auch Menschen völlig ohne Empathie. Propaganda und Glaube sind innig miteinander verbunden — und wir alle sind nicht immun davor. Wir sind es weder im passiven noch im aktiven Sinne.


Diese Antwort ergibt sich unter anderem auch dann, wenn man sich mit den psychologischen Wirkmechanismen von Propaganda befasst. Das wiederum verlangt eine grundsätzliche Sicht über unser Selbstverständnis als Menschen. Und das zuerst auf einer sehr einfachen, ja tatsächlich dualen Ebene. Dann kann man das weiterdenken.

Im Glashaus

Sind wir gut oder sind wir schlecht? Nun, wir sind gewissermaßen beides. Wir sind befähigt, im wahrsten Sinne des Wortes edel und gut zu handeln, und ebenso kann unser Verhalten abgrundtief böse sein.

Wenn es uns gelingt, wirklich ehrlich auf das eigene Tun zu schauen, können wir vielleicht zu der Erkenntnis gelangen, das wirklich jeder von uns in der Lage ist, an beiden Polen zu wandeln. Abgesehen davon, dass sich das Leben nicht nur schwarz und weiß darstellt, sondern sich in einer unendlichen Grauzone abspielt. Aber was hat das denn mit der Politik des aktuellen US-Präsidenten Donald Trump zu tun? Es wird nicht einfacher.

Denn auch, wenn wir durchaus in der Lage sind, Gutes und Böses im eigenen Handeln zu unterscheiden, heißt das grundsätzlich erst einmal nicht, dass wir absichtlich Böses tun. Im Glauben, gute Ziele um jeden Preis erreichen zu müssen, kann gar das Böse plötzlich in eine notwendige und damit gute Tat umgeschrieben werden. Dann ist auch jede Lüge quasi eine Notlüge und im Rahmen der „guten Sache“ gut und richtig. Dann darf auch das vorgeblich Böse mit dessen eigenen Mitteln bekämpft werden.

Es ist aber so, dass wir gewissermaßen immer im Glashaus sitzen, und dass es einiges an Überwindung von Dissonanz verlangt, um gelegentlich dieses Glashaus zu verlassen. Weil man logischerweise nur so auf selbiges zu schauen in der Lage ist. Wer nicht zu den Bewohnern dieses Glashauses zählt, hat das spezielle Problem freilich nicht. Aber er hat das Problem natürlich mit seinem eigenen Glashaus.

Gewissermaßen sind Glashäuser mit Ideologien, mit tiefsitzenden Glaubenskonstrukten gleichsetzbar. Wenn sich die Träger von Ideologien gegenüberstehen, zeigen sie stets einen Hang zur Verbissenheit und Verbohrtheit, zur unerbittlichen Gegnerschaft gegenüber der „falschen Ideologie“, dem falschen Glauben. Innerhalb des eigenen Glashauses, der eigenen Ideologie wird nicht mit rationaler Logik, sondern mit psychologischen, also viel wirkmächtigeren Methoden gearbeitet, um die Träger des „falschen Glaubens“ zu bekehren, „zur Vernunft zu bringen“.

Was bei all dem zu kurz kommt, ist das Verstehen, der Wille zum Verstehen. Es interessiert überhaupt nicht, wie die andere Seite tickt. Man pickt sich lediglich heraus, was diese andere Seite angreifbar macht. Damit verschwendet man freilich ein gerüttelt Maß an konstruktiver Energie. Einzig, um mit destruktivem Aufwand dem Gegner Schaden zuzufügen. Das Nichtverstehen und gleichzeitige Fokussieren auf den Gegner wird zum reinen Selbstzweck im Machtspiel. Wie gesagt: Das Handeln des Gegners wird in der eigenen ideologischen Blase eingeordnet und entsprechend bewertet. Vor allem richtet sich jedes Handeln auf die realen oder vermeintlichen Schwachstellen des Gegners. Genau in dieses Verhaltensmuster lässt sich der aktuelle US-Präsident doch wunderbar einordnen.

Oder tut es genau das nicht!?

Zwar hängt auch Trump seinem ganz eigenen Glauben an, dem von MAGA: Make America Great Again (Amerika wieder groß machen). Was an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden möchte. Aber er hat offensichtlich seinen Kontrahenten im Tiefen Staat und vor allem dessen politischen Stellvertretern etwas voraus. Er hat den Willen zum Verstehen. Er ist, biografisch betrachtet, im Grunde einer von ihnen, und er weiß, wie sie ticken. Außerdem ist er gewissermaßen konstruktiv und verliert nicht den Blick auf die eigenen Ziele. Und dann kommt noch ein für sein nicht nur politisches Überleben wichtiger Aspekt hinzu. Er ist nicht naiv. Er unterschätzt keinen seiner Opponenten. Aber wie lässt sich seine Methodik beschreiben? Vielleicht so:

Gib Ihnen, was sie brauchen. Bestätige ihre moralisch ausgerichtete Politik mit entsprechenden martialischen Gesten. Bestätige ihre Illusionen. Spiele ihnen die Rolle vor, die sie von dir erwarten. Spiele auf der Klaviatur ihrer Emotionen. Aber bleibe fokussiert und realistisch. Das Gewünschte ist in der Regel nicht das Machbare. Aber als Vision sollte es die Anleitung zum Handeln sein. Das in etwa ist die Handschrift, die sich bei Trump erkennen lässt — eine erstaunlich konsistente Handschrift. Eine Handschrift, die uns auch etwas über die Machtverhältnisse und die Ausrichtung der politischen Akteure in Washington erzählt.

Syrische Rückblicke

Vor allem im Augenblick des Geschehens sind wir geneigt, uns vom Wahrgenommenen vereinnahmen zu lassen. Unsere Emotionen versuchen vor allem dann, wenn im Wahrgenommenen Bedrohungen erkannt werden, eine rasche, das erforderliche Handeln anleitende Einordnung vorzunehmen. Dieses natürliche, menschliche Verhalten bei Stress macht sich Propaganda zunutze. Das setze ich einem Zitat voran, welches nunmehr sieben Jahre alt ist — und vom Autor selbst stammt:

„Dass Trump mit der globalistischen Neocon-Fraktion Katz und Maus spielt, halte ich auch weiterhin für ein realistisches Szenario. Nachdem er noch kurz zuvor mit markigen Worten ein Muskelspiel vor der Welt zelebrierte, twitterte er heute (b6):

Um fortzusetzen mit:

„Vielleicht, vielleicht auch nicht, lässt er seine Fans wissen und hebt erneut hervor, dass der Kampf gegen den IS siegreich abgeschlossen wurde. Nach wie vor bin ich daher der Meinung, dass der US-Präsident weiterhin den Rückzug aus Syrien anstrebt. Seine spontanen Schwenks erlauben es ihm, immer aufs Neue, wie ein Stück Seife aus der Hand der Globalisten zu gleiten.“

Wir sprechen hier vom April 2018. Damals ging es um den Rückzug der US-Truppen aus Syrien (1). Nunmehr, im Jahr 2025, geht es um den Rückzug aus dem Ukraine-Krieg. In beiden Fällen ging und geht Trump unkonventionelle Wege.

Wie zieht man sich aus einem Krieg zurück, wenn er aus dem Schlangennest kommt, in dem man zumindest mit einem Bein selbst steht? Wie balanciert man seine Politik aus, wenn im Umfeld ausgemachte Feinde keine Skrupel kennen, um einen über die Klinge springen zu lassen?

Während Trump 2017/18 versuchte, das US-Militär aus Syrien herauszuziehen, bedrängte ihn sein neokonservatives, globalistisches Umfeld, kriegerische Maßnahmen gegen den nahöstlichen Staat umzusetzen. Vor sieben Jahren musste Trump sein Umfeld genauso ernst nehmen, wie er das auch heute offensichtlich tut. Und er hat einen Vorteil: Er kennt dieses Umfeld und er weiß, wie es tickt. Deren Bellizismus entspringt weniger rationalen Beweggründen sondern tief verinnerlichten Ideologien. So er diese ideologischen Instinkte bedient, schafft er sich Möglichkeiten für konkretes Handeln.

Eine recht schwer anzunehmende Wahrheit scheint die zu sein, dass Eliten und ihre Zuträger — eingeschlossen die in den „Qualitätsmedien“ — tatsächlich auch an die Propaganda glauben, welche sie in die Welt setzen.

Mag es auch Opportunisten in Politik und Medien — ganz so wie im alltäglichen Leben — geben, so dürfte doch ein großer Teil tatsächlich ideologisch vereinnahmt sein. Und damit auch blind sein für Offensichtliches. Da nützt es auch nichts, wenn man an einer Journalistenschule mit dem Werkzeug des Journalisten ausgerüstet wurde. Das erklärt auch den Gleichklang, den beide Gruppen produzieren. Sie bestärken und bestätigen sich gegenseitig im Glauben. Einem Glauben, der regelrecht zum Katechismus geworden ist (2). Dermaßen vom Glauben Eingenommene brauchen wahrhaft traumatische Erlebnisse, um Selbigen zu entsagen.

Damit stellt sich eine Herausforderung: Wie kommt man zu praktischen politischen Ergebnissen, wenn der Weg dahin von Gläubigen blockiert wird, die jede Abweichung von ihrem „rechten Glauben“ als Blasphemie anprangern und umgehend bekämpfen? Schauen wir uns dazu Trumps Umfeld außerhalb seiner engsten Verbündeten an. In grober Unterteilung finden wir Globalisten, Neokonservative und die AIPAC-Fraktion. All diese Leute umhüllen ihre profanen Eigeninteressen mit ihrer Religion, welche die Verfolgung der Eigeninteressen quasi in eine heilige Aufgabe ummünzt.

Das Problem ergibt sich nun vor allem daraus, dass diese Gläubigen nach wie vor über große Macht verfügen und wichtige Schaltstellen im Machtsystem besetzen. Man kann sie nicht ignorieren, man muss ihre Sichten und Ziele stets im Auge behalten und in die eigene Politik einbeziehen. Gehen wir also wieder in das Frühjahr 2018. In dem die globalistisch-neokonservative Sekte einen Militärschlag gegen Syrien geradezu beschwor. Die Drahtzieher dieser Sekte hatten auch den Grund inszeniert — einen angeblichen Giftgasangriff syrischer Truppen auf Zivilisten. Wir können davon ausgehen, dass Trump über die Planung und Aufführung dieser Inszenierung nicht im Bilde war.

Doch konterkarierte die Inszenierung sein ausdrückliches Begehren, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen. Anders herum wird es deutlicher: Die Inszenierung war gedacht, um Trumps diesbezügliche politische Bemühungen zu sabotieren. Wie gehabt, lebte die Inszenierung von der Öffentlichkeit und dem lancierten Rufen „endlich zu Handeln“ (b1):

Die Gleichsstrommedien und die Masse des Politzirkusses wirkten wie aus einem Guss, als sie die Inszenierung dem Publikum offerierten. Statt für Rückzug aus Syrien trommelten sie für Eskalation in Syrien und befüllten dafür den Informationsraum mit einer erstunkenen und erlogenen Geschichte ihrer eigenen Dienste. Deren Hauptdarsteller in Syrien die mit den islamistischen Terroristen kungelnden Weißhelm-Artisten waren, und von denen sich internationale Organisationen „unbestreitbares“ Material liefern ließen, die dann als Beweise etikettiert wurden (3). Geführt wurden die vom Westen gefeierten weißhelmigen Pseudohelfer von einem natürlich nicht ehemaligen britischen Geheimdienstmann namens James Le Mesurier. Denn wir wissen ja: Einmal Geheimdienst, immer Geheimdienst.

Es war nicht das erste Bubenstück dieser Art. Bereits ein Jahr zuvor hatte man der syrischen Armee einen Giftgasangriff auf eine „Rebellenhochburg“ unterstellt und Syrien dafür „bestraft“. Auch da war der Weißhelm-Truppe die Rolle des Kronzeugen, also die der Inszenierenden vor Ort, zugetragen worden (4). Mit Gift- und Giftgasgeschichten hat man es noch stets geschafft, die Menschen mit ins Boot zu holen. Was dann aber folgte — sowohl 2017 als auch 2018 —, zeigte sich spektakulär und brach ein weiteres Mal das Völkerrecht. Das ist keine Frage. Doch die gewünschte Eskalation trat trotzdem nicht ein. Wie das?

Im Dezember 2017 schrieb der Autor:

„Jede Geste [Trumps], die den Hegemon durchschimmern ließ, nahmen die Globalisten und ihre medialen Beisitzer dankbar an, wie ein Hündchen das leckere Bröckchen. Damit verbunden war immer eine Unterbrechung oder Abschwächung des Drucks auf die Regierung, was ihr neuen Handlungsspielraum gab.“

2017 ließ Trump bei einer „Strafaktion mit Bedacht“ ja, das ist die Wortwahl für Völkerrechtsbruch bei der ARD-Tagesschau (5) 49 Tomahawk-Marschflugkörper auf einen syrischen Militärflughafen los. 2018 wurde noch etwas tiefer in die Munitionslager gegriffen und auch die „Partner“ Großbritannien und Frankreich durften mitbomben (6). Und voller Inbrunst teilten hohe Politfunktionäre im Wertewesten mit, dass man Syrien so wirksam in seiner Fähigkeit eingeschränkt hätte, Giftgas gegen die Bevölkerung einzusetzen.

„Das Chemiewaffen-Arsenal Syriens sei zum großen Teil zerstört worden das teilte zumindest die französische Regierung mit. Der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson lobte den Raketenangriff bereits als »sehr erfolgreich«, ähnliche Äußerungen gibt es aus dem Pentagon.“ (6i)

Der britische „Verteidigungsminister“ glaubte an das, was er da verbreitete. Was diesem Glauben an Informationen zuwider lief, ließ er schlicht nicht gelten. Bei den anonymen Äußerungen aus dem Pentagon darf das bezweifelt werden.

Wenn man das eigene, lügende Narrativ als Wahrheit begreift, dann bleibt es oft nicht aus, dass auf die grundlegende Lüge weitere Lügen gestapelt werden. Denn was das „Giftgas Assads“ betrifft, war da nun einmal nichts (7). Aber wenn man an seine eigenen Lügen glaubt das ist eben auch die Falle selbst verbreiteter Propaganda dann ist man an irgendeinem Punkt selbst außerstande, überhaupt noch den Unterschied zwischen Lüge und Wahrheit zu erkennen. Dann muss nicht nur das grundlegende Narrativ (hier „Assads Fassbomben und Giftgas“) zur Wahrheit werden, sondern auch das in Gang gebrachte Schattenfechten kann nur gut und erfolgreich gewesen sein. Verlieren ist im Propagandasumpf verboten. Aber der Sieg im Schattenfechten ist genauso fiktiv, wie der Gegner, den man sich dafür auserkoren hat.

Auf der Welle des Glaubens seiner Opponenten reitet Trump, nicht etwa auf der ihrer Ratio. Er ließ und lässt sie mit Gebrauch dieser Methode immer aufs Neue ratlos zurück. Einfach, weil dieser emotionale Mechanismus sich zwar an sich selbst mit Abstand erfassen aber nicht so einfach abschalten lässt.

Wie stellten sich denn die angeblich so erfolgreichen Ergebnisse der völkerrechtswidrigen Raketenangriffe auf Syrien im April 2018 dar? Dazu seien einige Umstände dieser „Strafaktion“ genannt:

  • Es gab lange Vorwarnzeiten.
  • Die potenziellen Ziele wurden Tage zuvor öffentlich benannt.
  • Der Angriff berücksichtigte peinlichst die durch russische Luftabwehrsysteme kontrollierten Bereiche in Syrien. Russland hatte deutlich gemacht, dass es andererseits die Trägersysteme angreifen würde.
  • Es gab intensive Kommunikation zwischen russischen (implizit syrischen) und den US-Militärs.
  • Kein Angriff galt zivilen Zielen, und nicht eine Rakete traf „versehentlich“ zivile Ziele.
  • Merken wir auf: Die US-Militärs können durchaus — freilich nur, wenn sie es wollen — Präzisionsangriffe durchführen (8)!

Die direkten Auswirkungen des damaligen Angriffs lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • Es gab keine Todesopfer.
  • Zwei Menschen wurden verletzt (tatsächlich ein Kollateralschaden durch elektronische Störablenkung und dann unkontrolliertes Niedergehen einer Rakete).
  • 71 der etwa 100 Marschflugkörper wurden durch die syrische Luftabwehr abgeschossen.
  • Die meisten, der ihr Ziel erreichenden Marschflugkörper, nämlich 23, zerbombten ein seit Jahren leerstehendes und schon einmal (durch Israel) zerstörtes Industriegelände, eben das angebliche Institut zur Chemiewaffen-Entwicklung. Dort gab es weder Personal noch Einrichtungen (8i).

Trump und die ihm aus guten Gründen nahestehenden hochrangigen Militärs im Pentagon konnten das selbstverständlich ihrerseits als Erfolg buchen. Allerdings liegt der auf einer ganz anderen Ebene — nämlich auf der einer psychologischen Operation. Und während der Erfolg im Rahmen der globalistischen, neokonservativen AIPAC-Kriegstreiber (wie der britische „Verteidigungsminister“ einer ist, siehe weiter oben) eine Fiktion darstellte, war der Erfolg Trumps handfest. Denn das dahinterliegende Ziel wurde tatsächlich erreicht. Und das lautete: keine weitere Eskalation, keine weiter ausgreifende Involvierung des US-Militärs in den Syrien-Konflikt.

Man könnte Trump vorwerfen, dass er trotz aller großmundigen Versprechungen, nie die US-Truppen aus Syrien abzog. Aber die Dinge sind nicht so simpel. Kluge, erfolgversprechende Politik muss erst einmal die Realitäten anerkennen. Dann lassen sich auch erreichbare Ziele definieren. Für diese Ziele schließlich muss eine umsetzbare Strategie entwickelt werden. Eine, welche Widerstände und Möglichkeiten gleichermaßen berücksichtigt. Nicht nur, dass Trump von großen Teilen des Tiefen Staates unbarmherzig bekämpft wird — er steht selbst mit einem Bein in den Strukturen des Tiefen Staates. Und wäre ohne diesen wohl gar nicht erst US-Präsident geworden.

Allen Kritikern, die auf moralische Defizite Trumps insistieren, die ihm Verlogenheit und Zynismus vorwerfen, sei dringend empfohlen, sich intensiv in die Rolle Trumps hineinzuversetzen. Und nicht nur das: Sie mögen sich Gedanken machen, ob sie selbst eine halbwegs rationale und umsetzbare, also erfolgversprechende Konzeption parat hätten. So man das ernsthaft auf sich nimmt, könnte das zu einigen grundlegenden neuen Einsichten führen. Der selbstverständliche Glaube, der aus Ideologien entspringt und geradezu automatisch Wertungen, gerade auch moralische Wertungen erzeugt — ja, der Autor wiederholt sich —, ist kein Alleinstellungsmerkmal der Herrschenden.

Die großmundigen Versprechungen wie die als großartig verkauften, öffentlichkeitswirksamen militärischen Operationen, die unter Trump wiederholt zu erleben waren, sind als Teil seiner Strategie zu verstehen, rational erreichbare Ziele anzustreben. In der Politik eine Vision mit operativen, gar taktischen Zielen gleichzusetzen zeugt, mit Verlaub, von einer gewissen Naivität und kann für den Protagonisten verhängnisvoll enden. John F. Kennedy war ein Visionär, und seine Visionen wurden die unmittelbaren Ziele seines praktischen Handelns. Das alles ist sehr authentisch und ehrenwert. Aber es war eine schlechte Strategie. Kennedy ignorierte, dass Vision und Strategie nicht das Gleiche ausdrücken. Im Grunde hatte Kennedy nicht einmal eine Strategie. Wie nah er und die Gesellschaft seinen Visionen näher gerückt sind, darum wissen wir — und sein vorzeitiges Ableben ist allgemein bekannt.

Mustererkennung

Die mehr oder weniger plumpe Berichterstattung zu Donald Trump zeigt unverändert auf die destruktive Strategie seiner Gegner. Ihre Methode besteht darin, Trumps echte oder/und vermeintliche Schwachstellen konsequent in den Vordergrund zu stellen. Sie besteht zudem darin, ihn schwach und seine reale oder fiktive Opposition stark zu reden. Immer wieder ist dann davon die Rede, dass Trump nun tatsächlich und endlich in der Klemme stecken würde. Das geht seit dem Eintritt Trumps in die hohe Politik so, und dieses Mantra wird gebetsmühlenartig wiederholt. Wir sehen eine PsyOp in Reinkultur, welche den Leuten eine Realität vorgaukelt, die so nicht existiert. Die übrigens auch erstaunlich der Propaganda gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ähnelt.

Nun haben wir ein Beispiel Trumpscher Politik aus der Vergangenheit betrachtet. Wie gesagt, ist das nur ein Beispiel. Schließlich gäbe es da aus der ersten Amtszeit des Donald Trump noch reichlich zu berichten, aber das Beispiel sollte als Brücke zur Gegenwart dienen. Es möchte damit die Konsistenz der Politik Trumps über Jahre hinweg belegen. Und diese Konsistenz zeigt ihrerseits auf, dass Trump und die Leute, die tatsächlich hinter ihm stehen, strategisch denken. Sie reagieren logischerweise situativ, doch sind sie auf diese Situationen vorbereitet. Ihr taktisches und operatives Verhalten ordnet sich einer wohldurchdachten Strategie unter, nicht dem Willen der Gegner. Der Gegner, die im Gegensatz dazu genau das glauben — eben weil sie ihrem Glauben unterworfen sind.

Was die jüngsten Ereignisse um den Krieg Israels gegen den Iran angeht, kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass Trump Israel, mit Verlaub, fürs erste den A… gerettet hat. Wovon die Bevölkerungen hierzulande im Grunde nichts mitbekommen haben. Die Masse der Politiker und der mit ihnen liierten Medien übrigens auch nicht. Vor allem aber hat er ein weiteres Mal die Pläne seiner Gegner durchkreuzt, sich durch Israel in einen großangelegten Krieg gegen den Iran hineinziehen zu lassen. Diese Wirklichkeit wird im zu veröffentlichenden Informationsraum einfach nicht abgebildet. So wie man nicht in der Lage ist, der russischen Führung zuzuhören — womit man falsche Schlüsse und darauf bauend eine fatale Politik gegenüber Russland betreibt, schafft man es auch nicht Trumps Informationen zu verarbeiten. Dabei ist seine strategische Marschroute klar: keine neuen Konfliktherde, bei der US-Ressourcen verheizt werden. Erst recht dann nicht, wenn die internen Konflikte ungelöst sind.

Brandherd Israel

Nachdem Israel seinen Blitzkrieg gegen den Iran mit ersten spektakulären Erfolgen gefeiert hatte, kehrte rasch Ernüchterung in dem zionistischen Staat ein. Eine Ernüchterung, der umgehend das händeflehende Ersuchen an die USA folgte, mit einer massiven Militärkampagne in den israelischen Völkerrechtsbruch einzusteigen. Man darf Netanjahu und seiner kriegstreibenden Umgebung sogar unterstellen, dass ihr Überfall auf den Iran bereits das Kalkül eines US-amerikanischen Eintritts verinnerlicht hatte.

Rasch hatte der Aggressor seine Vorräte an Munition für die Luftabwehr zu großen Teilen aufgebraucht. Die Gegenangriffe der iranischen Streitkräfte mit Drohnen und Raketen auf Israel wurden immer effektiver (9, 10). Früher oder später würde der israelische „Iron Dome“ nur noch Makulatur sein. Das israelische Militär hatte bereits begonnen, die Berichterstattung über Zerstörungen durch iranische Drohnen und Raketen zu zensieren. Die Behörden wurden angewiesen, die Webcams in den Städten abzuschalten. Und der Iran traf absolute Hochwertziele: kritische Infrastruktur, Militärobjekte, Geheimdienstkomplexe, Forschungsinstitute für das Militär und die einzige Erdöraffinerie Israels (11, 12). Das sollte der westliche Konsument nicht erfahren, aber Israels Bürgern war es nicht zu verheimlichen. Schließlich waren sie direkt betroffen.

Was wir uns aber bei all dem vor Augen führen müssen: Unmittelbar vor dem israelischen Angriff waren im Oman weitere Verhandlungen der USA mit dem Iran geplant gewesen. Mit seiner Attacke, und wissend um diese Verhandlungen, ließ Israel die Gespräche scheitern. Es sabotierte also gezielt die Diplomatie zweier Verhandlungsteilnehmer (13). Wieder erkennen wir die Strategie Trumps, die darauf zielt, die USA aus militärischen Konflikten herauszuziehen. Schon in den Monaten zuvor hatte es wiederholt Kontakte zwischen US-Diplomaten und iranischen Vertretern gegeben. Eben im Oman hatten sich sogar der iranische Außenminister Abbas Araghtschi mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff getroffen (14). Aber:

Diese Neuausrichtung der US-Politik ist nicht jedem recht. Die Fraktionen, die das zu hintertreiben suchen sind bekannt, und sie operieren über Grenzen von Staaten hinweg. Die Globalisten, welche stark im EU-Europa, Großbritannien und bei den US-Demokraten vertreten sind, suchen die aktive, destruktive Einmischung in andere Staaten genauso wie es die neokonservativen Eliten in den USA tun. Das Gleiche gilt für die traditionelle britische Politik des „Teile und herrsche“, die sich seit vielen Jahrzehnten geschickt der militärischen und wirtschaftlichen Macht der USA bedient. Und dann gibt es noch das traditionell vor allem durch die US-Republikaner vertretene AIPAC (15). Womit wir zur Narrativfütterung kommen. Denn das hier ist eine — und zwar genau für AIPAC:

„Alle Optionen liegen auf dem Tisch. Der Iran muss sich entscheiden: Entweder er geht auf die Forderungen von Präsident Trump ein, oder es wird die Hölle losbrechen.“ (14i)

Dazu eine Frage: Ist der Iran auf die Forderungen Trumps eingegangen? Ist die Hölle losgebrochen? Was waren eigentlich die Forderungen Trumps? Denn es gibt die an AIPAC kommunizierten und dann gibt es noch ernsthafte Verhandlungen, in denen Forderungen natürlich erst einmal hintenangestellt werden. Man darf nicht vergessen, dass ohne die Stimmen der AIPAC-Fraktion, ohne die mächtige zionistische Lobby in den USA Trump nicht hätte US-Präsident werden können. Kein Kandidat auf das höchste Amt in den USA hätte ohne das einflussreiche American Israel Public Affairs Commitee (eben AIPAC) erfolgreich sein können.

Das AIPAC ist die mächtigste einer ganzen Reihe von pro-israelischen Organisationen in den USA (16). Die strategischen Ziele von AIPAC sind nicht die strategischen Ziele der Trump-Regierung. In erster Linie steht AIPAC auch nicht für den jüdischen Staat Israel, sondern für die zionistische, aggressive, expansive Ausrichtung der israelischen Politik. Diese Politik erfordert eine permanente, enorme Unterstützung, die sich nur aus den USA beziehen lässt:

„Tatsächlich ist die Organisation zu einem operativen Arm der rechtsextremen Regierung Netanjahus geworden, der in den Vereinigten Staaten ein falsches Bild eines liberalen Israels verbreitet und den Mitgliedern des Kongresses Illusionen verkauft.“ (17)

Am 1. Mai des Jahres hatte Trump ohne Vorankündigung seinen Sicherheitsberater Mike Waltz entlassen. In den Medien war zuvor eine „Signalgate“-Affäre aufgebauscht worden, bei der aus einer von Waltz initiierten Signal-Chatgruppe sicherheitskritische Daten zu US-Luftangriffen auf den Jemen nach außen gelangt wären (18).

Wer es glaubt, wird selig…

Die Sicherheitsberater des US-Präsidenten haben einen enormen Einfluss auf dessen Politik. Sie fungieren wie graue Eminenzen und sie werden von bestimmten Interessengruppen als Favoriten für den Job ins Spiel gebracht. Das geschieht zum Beispiel über Absprachen bereits im Wahlkampf. Profan ausgedrückt, könnte man auch sagen, dass im US-Wahlkampf Posten durch die Sponsoren gekauft werden. Diese Leute sollte man also auch nicht gleich wieder auswechseln. Auch wenn von Beginn an klar ist, dass sie der Linie des US-Präsidenten entgegenlaufen. Was bei Waltz der Fall ist:

„Waltz werde parteiübergreifend als Sicherheitspolitiker respektiert, er sei Trump nicht blind gefolgt, sondern habe ihm offenbar auch widersprochen, etwa vor zu viel Nähe zu Russland gewarnt.“ (18i)

Da hilft nur ein Skandälchen, und das Trostpflaster eines gut dotierten Postens als US-Botschafter bei den Vereinten Nationen (18ii). Aber wir waren bei der Nahost-Politik der Trump-Regierung, und in dieser spielte Waltz eine bestimmende Rolle. Beziehungsweise versuchte er das. Entscheidend war dabei nicht, dass Waltz eine andere Sicht als Trump hatte, sondern dass er seinen Vorgesetzten hinterging, dessen Politik sabotierte. Was also haben unsere „Qualitätsmedien“ in Bezug auf die Entlassung von Waltz weggelassen (19)?

„Laut einem Artikel der Washington Post zu diesem Thema war die Entlassung zum Teil eine Reaktion darauf, dass Waltz die Politik des Präsidenten untergraben hatte, indem er sich vor dem Besuch des israelischen Premierministers im Oval Office intensiv mit diesem über einen Angriff auf den Iran abgestimmt hatte.“ (20)

Während sein Präsident zwar martialische Töne zum Besten gab, aber auf Verhandlungslösungen im Nahen Osten setzte, trieb Waltz mit Netanjahu kungelnd zum Krieg (21, 22). Wir können uns sicher sein, dass Waltz nicht das einzige Problem war und ist, mit dem sich Trump auseinandersetzen muss, um selbstbestimmt handlungsfähig zu bleiben.

Damals waren die Gespräche zwischen dem Iran und den USA immer mehr in einer Sackgasse verlaufen (23), was vor allem auf eine Druckkampagne der Israel-Lobby, führender US-Denkfabriken und israelischer Beamter wie Ron Dermer zurückzuführen war. Trotzdem verkündete am 6. Mai Trump öffentlich das Ende der militärischen Kampagne, die darauf abzielte, die von Ansarallah geführte Regierung im Jemen zu zerstören oder mindestens zu schwächen (20i).

Dass der Jemen Israel mit Drohnen und Raketen angreift, kann man gern kritisieren. Man sollte aber nicht vergessen, dass diese Angriffe eine Reaktion auf den Völkermord der israelischen Armee in Gaza darstellen. Tel Aviv war jedenfalls schockiert und alarmiert, als die USA ihre Beendigung der Kampagne gegen den Jemen verkündeten.

Jeder weiß es: Das angeblich unbesiegbare Israel bricht wirtschaftlich und militärisch rasch wie ein Kartenhaus zusammen, wenn es nicht mehr auf die enorme Unterstützung seiner Gönner in den USA und Europa zurückgreifen kann. Also galt es für Netanjahu und die zionistischen Extremisten um ihn herum, die USA umgehend wieder in das Kriegsboot zurückzuholen. Und wie tat man es? Man entfachte nur wenige Wochen später einen offenen Krieg gegen den Iran.

Narrativbedienung bei Israels Aggression gegen den Iran

Im Alleingang hätte sich Israel mit diesem Krieg übernommen, das war vollkommen klar. Aber zwei Sachen standen dieser auch für Netanjahu und Co. verfügbaren Einsicht entgegen. Beide haben etwas mit der ideologischen Verblendung zu tun, in der die Akteure gefangen sind. Einerseits glaubte man — wider aller Vernunft — man könnte den Iran weitgehend straflos zerschlagen. Und andererseits glaubte man, dass die Aggression das US-Militär in den Kriegseintritt zwingen würde. Die nun folgenden 12 Tage glichen einer Götterdämmerung. Da konnte der Informationsraum noch so sehr mit israelischen Siegesmeldungen gepflastert werden. Denn:

Zum Einen erholte sich der Iran bereits Stunden später vom Schock der israelischen Aggression und begann systematisch die Verteidigungsfähigkeit des jüdischen Staates zu demontieren. Und zum Anderen blieb der gewünschte Kriegseintritt der USA auch dann aus, als Israel zunehmend in Bedrängnis geriet. Auch als schließlich sieben Tarnkappenbomber vom Typ B-2 jeweils zwei bunkerbrechende Bomben auf iranische Atomanlagen abwarfen (24), konnte davon nicht die Rede sein. Auch wenn das zweifellos einen kriegerischen Akt darstellte. Wie schrieb der Autor am Anfang des Beitrags? Trumps Politik ist konsistent. Das wollen wir nun im Falle des zunehmend Amok laufenden zionistischen Israels überprüfen.

Worum es wirklich ging, war, dass Israel um das Kriegsende bettelte, dies aber so nicht im Informationsraum sichtbar werden durfte. Das drohende Desaster musste in einen Sieg umgeschminkt werden. Sieg bedeutete in diesem Falle, dass der Zweck des Krieges erreicht worden wäre. Das Narrativ erklärt uns, dass es um die Atomanlagen im Iran gegangen wäre. Das mag teilweise für die auf ihr bröckelndes Atommonopol pochenden westlichen Staaten zutreffen. Aber Israel hatte ganz andere Motive. Israel, dass selbst über Atomwaffen verfügt, keinem diesbezüglichen Vertrag beigetreten ist und auch keine Kontrolleure der Internationalen Atomenergiebehörde ins Land lässt, ging es nicht wirklich um die Atomanlagen des Iran. Wenngleich die Paranoia dort geeignet ist, eine iranische, atomare Gefahr herbeizudichten. Auch sollen die Gesellschaften hier im Westen natürlich eben dieses Narrativ aufsaugen, um irgendein fiktives Recht Israels, gegen andere Staaten Kriege anzetteln zu dürfen, mit aufzuschnupfen.

Nein, der Grund liegt woanders.

Die derzeitige israelische Führung braucht Kriege wie die Luft zum Atmen. Kriege, welche die eigene Bevölkerung zusammenschweißen und gegen jeden noch so fiktiven Gegner vereinen. Gegen Netanjahu wird seit 2020 in einem Prozess wegen Korruption, Veruntreuung und Bestechlichkeit ermittelt (25). Seit dem 7. Oktober 2023 dümpelt der Prozess nun dahin. Aus der Eskalationsspirale aber sieht Netanjahu derzeit kein Entrinnen und er wird von den zionistischen Extremisten im Land nur noch weiter in die Kriege hineingetrieben. Diese selbstmörderische Politik ist ganz im Sinne globalistischer und neokonservativer Eliten, die das damit erzeugte Chaos für die Umsetzung ihrer Konzepte zwingend benötigen.

Brechen wir doch mal das Narrativ des israelischen Siegeszuges auf und erinnern wir uns dabei immer mal wieder an die Ereignisse im Syrien des Jahres 2017/18 (siehe weiter oben).

Was haben die US-Tarnkappenbomber tatsächlich bombardiert und welchen Erfolg hatten sie? Hatten sie überhaupt Erfolg? Der Autor behauptet kühn: Ja, sie hatten Erfolg. Weil sie die anvisierten Ziele trafen. Was waren das für Ziele? Wurden iranische Atomanlagen getroffen? Oder wurden eher Ziele in der Nähe dieser Atomanlagen getroffen? Jetzt reden wir nicht vom Informationsraum und den dort verbreiteten Narrativen. Trotzdem sickern in diesen Informationsraum die einen oder anderen zum Verständnis hilfreichen Details.

Zuerst die Narrativpflege — in typischer Trump-Manier:

„»Wenn der Frieden nicht schnell kommt, werden wir die anderen Ziele mit Präzision, Schnelligkeit und Geschick angreifen, die meisten von ihnen können in wenigen Minuten ausgeschaltet werden«, drohte Trump der Führung in Teheran. Das Ziel der USA sei die Zerstörung der iranischen Kapazitäten zur Anreicherung gewesen und die Beendigung der nuklearen Bedrohung durch den »weltweit größten staatlichen Sponsor des Terrors«.“ (24i)

Dicker kann man es wohl kaum auftragen. Außer man heißt Donald Trump. Aber wem galt diese Botschaft denn? Ihnen, liebe Leser — oder mir? Gottchen, wir sollten uns nicht so wichtig nehmen. Also bleiben wir entspannt. Vielleicht war es ja an die iranische Regierung gerichtet? Auch das bezweifle ich. Trumps Botschaft galt diesem hier:

„Medienberichten zufolge hatten die USA Israel vor dem Angriff über den Plan informiert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Attacke als »mutige Entscheidung« von historischer Tragweite. Trump habe mit »großer Stärke« gehandelt, um dem »gefährlichsten Regime die gefährlichsten Waffen der Welt zu verwehren […] Dies sei ein Wendepunkt, der zu Frieden und Wohlstand im Nahen Osten führen könne. Präsident Trump, ich danke Ihnen, das Volk Israel dankt Ihnen.«“ (24ii)

Ja, Netanjahu kann Trump dankbar sein. Brav hat er das auch öffentlich zum Ausdruck gebracht. Frustriert wird er trotzdem sein, aber das kann er nicht nach außen tragen. Er weiß ganz genau, welches Spiel er mitspielen muss. Es ist ein abgestimmtes Spiel. So wie 2018 verdeckte Kommunikationswege den — ja, im Sinne der tatsächlichen Zielerreichung — erfolgreichen Angriff auf „Giftgasanlagen“ in Syrien ermöglichten, ermöglichten sie nun auch den erfolgreichen Angriff auf Atomanlagen (oder eher knapp daneben?) im Iran. In beiden Fällen ging das US-Militär als strahlender Sieger im narrativen Raum hervor. Und das war nur möglich, weil eben diese Kommunikation stattfand.

In beiden Fällen würde es mich nicht wundern, wenn die Kommunikation auch Russland einschloss. Warum nehme ich das an? Weil die Tarnkappenbomber längst nicht so unangreifbar und unsichtbar sind, wie es uns ständig verklickert wird. Es sind keine Wunderwaffen. Man kann sie abschießen. Zum Beispiel mit russischen Luftabwehrraketen, etwa mit den hochmodernen S-400 aus russischer Produktion (26). Stellen wir uns vor, auch nur einer der B-2-Bomber, die den Iran angriffen, wäre vom Himmel geholt worden. Das musste verhindert werden. Weil eine Eskalation nicht gewünscht war. Und verhindern lässt sich das nur über intakte Kommunikationskanäle (a1).

Da das Narrativ als Ziel vorgibt, dass der Zweck des Krieges einzig in der Zerstörung von Atomanlagen im Iran diente, musste natürlich auch ein grandioser Erfolg verkündet werden, um den Krieg vorerst einzustellen. Das tat Trump, in dem er von einer „vollständigen Zerstörung der Anlagen“ sprach (27). So funktioniert Deeskalation unter dem Deckmantel einer abgestimmten Inszenierung mit so einigen Beteiligten. Aber Deeskalation ist nicht gewünscht, also wurden wenig später Geheimdienstberichte in die US-Medien lanciert, um die Inszenierung auffliegen zu lassen (28).

Das narrative Spiel, das da stattfand, war aber noch viel komplexer. Denn es musste auch der Iran mitspielen. Für den Informationsraum gab es das vom iranischen Außenminister Abbas Araghtschi:

„Die Ereignisse des heutigen Morgens sind ungeheuerlich und werden dauerhafte Konsequenzen mit sich führen.“ (24iv)

Und noch etwas hatte Araghtschi gesagt, nämlich, dass sich sein Land alle Optionen zur Selbstverteidigung offenhalten würde. Trump wiederum hatte am 22. Juni den Iran vor jeder Art von Vergeltung gewarnt. Wem galten diese Botschaften diesmal? Es waren innenpolitische Botschaften, Botschaften der Stärke. Diese Botschaften bekommen natürlich nur dann Gewicht, wenn man sie auch mit Leben erfüllt. Also musste die Inszenierung noch etwas ausgebaut werden.

Stellen wir uns einfach vor, was vor zehn oder 15 Jahren geschehen wäre, wenn eine der größten US-Luftwaffenbasen und Hauptstützpunkt der US-Luftwaffe im Nahen Osten vom Iran mit Raketen angegriffen worden wäre. Die Konsequenzen müssen hier wohl nicht weiter ausgemalt werden. Vor 60 Jahren hat es genügt, dass angeblich (und später als Lüge entlarvt) zwei vietnamesische Kanonenboote in den eigenen Hoheitsgewässern ein US-Kriegsschiff beschossen hätten, um einen ausgewachsenen Krieg zu beginnen (siehe Tonkin-Zwischenfall).

Aber genau das ist geschehen. Der Iran griff den größten US-Militärstützpunkt im Nahen Osten an: Al-Udeid in Katar. Wobei er exakt die Zahl an Raketen, welche die US-Luftwaffe an Marschflugkörpern und Bomben gegen den Iran einsetzte, auf die Basis abschoss (29, 30). Das Spiel für den Informationsraum sah dann folgendermaßen aus:

„Irans Streitkräfte teilten mit, sie hätten den Stützpunkt mit einem »verheerenden und mächtigen« Raketenangriff attackiert. Man werde keinen Angriff auf iranisches Territorium unbeantwortet lassen.“ (29i)

Noch aufschlussreicher ist das:

„Nach Angaben von Präsident Donald Trump wurden die USA vor dem Angriff auf den US-Militärstützpunkt in Katar gewarnt. Dafür danke er dem Iran, es habe keine Verletzten oder Toten gegeben, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. Er bezeichnete Teherans Vergeltungsangriff als »sehr schwache Antwort« auf das US-Bombardement von drei iranischen Atomanlagen am Wochenende. Vielleicht könne der Iran jetzt zu Frieden und Harmonie im Nahen Osten übergehen — er werde Israel auch mit Nachdruck ermuntern, das ebenfalls zu tun.“ (29ii)

Nur Sieger, mag der Leser denken. Eine Einschränkung sei jedoch gestattet. Aus dem Zitat oben: „Vielleicht könne der Iran jetzt zu Frieden und Harmonie im Nahen Osten übergehen — er werde Israel auch mit Nachdruck ermuntern, das ebenfalls zu tun”. Der Verlierer dieses Spiels heißt Netanjahu und mit ihm der globalistische Tiefe Staat. Sie hatten Trump die nächste Falle gestellt, und um diese Falle zu umgehen, musste Trump vieles berücksichtigen. Israels Iran-Aggression ist verpufft. Das Narrativ des Schutzschildes „Iron Dome“ ist ernsthaft beschädigt. Die USA konnten nicht in einen Krieg gegen den Iran gezwungen werden. Alles steht wieder auf Anfang — wie vor der israelischen Aggression gegen den Iran. Und Trump hat Israel auch noch dringend empfohlen, den Kriegspfad zu verlassen.

Trotzdem hat der Iran — auch gegenüber der US-Administration — eine eindeutige Botschaft gesendet. Die gehört natürlich nicht in den zu veröffentlichenden Informationsraum. Denn bald nach dem Angriff auf Al-Udeid sickerten einige pikante „Details“ über das Ergebnis des iranischen Angriffs durch. Entgegen offizieller Verlautbarungen, dass es „minimale Auswirkungen“ gegeben hätte, wurde deutlich, wie präzise und damit wirksam der Iran inzwischen seine Raketen einzusetzen in der Lage ist.

Unterschiedlichen Quellen zufolge zerstörten die Raketen nämlich zu großen Teilen punktgenau das Auge und Ohr der Basis, ein komplexes, verteiltes Radarsystem (31). Und das, obwohl die Basis mit den fortschrittlichsten Luftabwehrsystemen (Patriot PAC-3 und THAAD) ausgerüstet ist (32). Was das für die Basis bedeutet hätte, wenn der Iran tatsächlich deren Vernichtung geplant hätte, kann sich jeder selbst ausmalen.

Allein diese Episode kann uns klar machen, dass Politik nicht im Wolkenkuckucksheim betrieben wird. Sie ist ein Spiel der Macht, dem Ausloten von Möglichkeiten, dem Austarieren, dem Intrigieren, der Kontrolle und der Erlangung von Freiheitsgraden. Was das betrifft, zählt Donald Trump und sein ihn tatsächlich unterstützendes Umfeld sicher nicht zu den schlechtesten der Zunft.

Bitte bleiben Sie schön aufmerksam, liebe Leser


Anmerkungen und Quellen

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung — Nicht kommerziell — Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen — insbesondere der deutlich sichtbaren Verlinkung zum Blog des Autors — kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei internen Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden.

(a1) Drei Atomanlagen griffen die USA am 22. Juni 2025 an. Aber eine davon wurde nicht mit den Tarnkappenbombern sondern „nur“ mit Marschflugkörpern beschossen. Das ist die Anlage in Isfahan (24iii). Genau dort war ein russisches S-400-Luftabwehrsystem im Kampfmodus aktiviert worden (25i). Diese Information dürfte den US-Militärs bekannt gewesen sein.

(1) 11.04.2018; blue News, AP; Zeke Miller, Jill Colvin; „Zur Hölle damit“: Trump ist Rat von Mitarbeitern immer mehr leid; https://www.bluewin.ch/de/news/international/zur-hoelle-damit-trump-ist-rat-von-mitarbeitern-immer-mehr-leid-87186.html

(2) EKD; Katechismus; https://www.ekd.de/Katechismus-11525.htm; abgerufen: 22.07.2025

(3) 19.04.2017; ARD-Tagesschau; Einsatz von Giftgas „unbestreitbar“; https://www.tagesschau.de/ausland/syrien-giftgas-opcw-101.html

(4) 06.09.2017; ARD-Tagesschau; Assad-Regime für Giftgasangriff verantwortlich; https://www.tagesschau.de/ausland/syrien-chan-scheichun-101.html

(5) 07.04.2017; ARD-Tagesschau; „Strafaktion mit Bedacht“; https://www.tagesschau.de/ausland/syrien-angriff-105.html

(6) 14.04.2018; ARD-Tagesschau; Viele Raketen, einige Widersprüche; https://www.tagesschau.de/ausland/syrien-luftangriffe-faq-101.html

(7) 13.04.2018; OPCW; Opening Statement By The Director-General To The Executive Council At Its Eighty-Seventh Session; https://www.opcw.org/fileadmin/OPCW/EC/87/en/ec87dg21_e_.pdf

(8, 8i) 18.04.2018; Peds Ansichten; Eine syrische Woche als Augenöffner; https://peds-ansichten.de/2018/04/eine-syrische-woche-als-augenoeffner/

(9) 13.06.2025; Telegram; Изнанка военки; https://t.me/milinside/475?single

(10) 13.06.2025; Telegram; Изнанка военки; https://t.me/milinside/477

(11) 18.06.2025; Top War; Сплошные руины: появились фото НИИ им. Вейцмана в Израиле после прилёта иранских ракет; https://topwar.ru/266521-sploshnye-ruiny-pojavilis-foto-nii-im-vejcmana-v-izraile-posle-prileta-iranskih-raket.html

(12) 16.06.2025; Top War; В сети появились фото, обозначенные как последствия иранского ракетного удара по промзоне израильской Хайфы; https://topwar.ru/266416-v-seti-pojavilis-foto-oboznachennye-kak-posledstvija-iranskogo-raketnogo-udara-po-promzone-izrailskoj-hajfy.html

(13) 19.06.2025; Merkur; Paula Völkner; Geheime Mission im Israel-Iran-Krieg? Mullah-Flieger mit Kurs auf Oman entdeckt; https://www.merkur.de/politik/verhandlungen-israel-iran-krieg-iranische-regierungsfluege-richtung-oman-doch-us-93791744.html

(14, 14i) 12.04.2025; ARD-Tagesschau; Moritz Behrendt; USA und Iran wollen Atomgespräche fortsetzen; https://www.tagesschau.de/ausland/asien/oman-verhandlungen-usa-iran-korri-100.html

(15) 09.06.2024; Politico; Jessica Piper, Hailey Fuchs; Bipartisanship or Republican meddling? AIPAC is biggest source of GOP donations in Dem primaries; https://www.politico.com/news/2024/06/09/aipac-republican-donors-democratic-primaries-00162404

(16) open secrets; Pro-Israel Summary; https://www.opensecrets.org/industries/indus?ind=Q05; abgerufen: 30.07.2025

(17) 22.04.2024; The Guardian; Chris McGreal; The pro-Israel groups planning to spend millions in US elections; https://www.theguardian.com/world/2024/apr/22/aipac-pro-israel-lobby-group-us-elections

(18 bis 18ii) 02.05.2025; ARD-Tagesschau; Ralf Borchard; Warum wurde Waltz entmachtet?; https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/waltz-posten-wechsel-100.html

(19) 02.05.2025; zdf heute; Katharina Schuster; Trump-Regierung: Was Waltz‘ Rauswurf bedeutet; https://www.zdfheute.de/politik/ausland/trump-usa-waltz-regierung-100.html

(20, 20i) 10.05.2025; The Palestine Chronicle; Robert Inlakesh; ‘Cutting Off Communications’: Did Trump Really Just Turn His Back On Israel?; https://www.palestinechronicle.com/cutting-off-communications-did-trump-really-just-turn-his-back-on-israel/

(21) 03.05.2025; The Washington Post; Michael Birnbaum, John Hudson, Emily Davies und weitere; Inside Waltz’s ouster: Before Signalgate, talks with Israel angered Trump; https://www.washingtonpost.com/politics/2025/05/03/waltz-trump-israel/

(22) 03.05.2025; The Times Of Israel; Toi Staff; Waltz’s coordination with Netanyahu on Iran strike contributed to his firing — report; https://www.timesofisrael.com/waltzs-coordination-with-netanyahu-on-iran-strike-contributed-to-firing-report/

(23) 23.05.2025; ARD-Tagesschau; Kein Durchbruch bei Atomverhandlungen; https://www.tagesschau.de/ausland/asien/usa-iran-verhandlungen-102.html

(24 bis 24iii) 22.06.2025; ARD-Tagesschau; Trump verkündet Zerstörung iranischer Atomanlagen; https://www.tagesschau.de/ausland/asien/usa-angriff-iran-atomanlagen-100.html

(25) 10.12.204; zdf heute, dpa, AP, Reuters; Netanjahu sagt im Korruptionsprozess aus; https://www.zdfheute.de/politik/ausland/benjamin-netanjahu-israel-korruption-gerichtsprozess-100.html

(26, 26i) 28.07.2025; Defence Security Asia; Iran Reportedly Conducts First-Ever Operational Test of Russian S-400 Air Defense System Near Isfahan; https://defencesecurityasia.com/en/iran-operational-test-s400-isfahan/

(27) 22.06.2025; Tagesspiegel; „Atomanlagen vollständig zerstört“ Die USA greifen den Iran an — die wichtigsten Fragen und Antworten; https://www.tagesspiegel.de/internationales/atomanlagen-vollstandig-zerstort-die-usa-greifen-den-iran-an–die-wichtigsten-fragen-und-antworten-13893694.html

(28) 25.06.2025; BR24; Zweifel an US-Erfolg: Irans Atomprogramm wirklich „ausgelöscht“?; https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/zweifel-an-us-erfolg-irans-atomprogramm-wirklich-ausgeloescht,Up7dBIN

(29 bis 29ii) 23.06.2025; ARD-Tagesschau; Iran greift US-Basis in Katar an; https://www.tagesschau.de/ausland/asien/angriff-iran-katar-102.html

(30) 23.06.2025; Axios; No casualties reported after Iran missile attack on U.S. base in Qatar; https://www.axios.com/2025/06/23/iran-retaliation-trump-israel-war

(31) 11.07.2025; AP; Jon Gambrell; Iran’s attack on Qatar air base hit geodesic dome used for US communications, satellite photos show; https://apnews.com/article/iran-qatar-udeid-air-base-attack-us-aace65a65a0ce69090a7b65fe85cfac8

(32) 15.07.2025; Defence Security Asia; Latest Photos Reveal Devastating Radar Damage at US Al-Udeid Base After Iran Strike; https://defencesecurityasia.com/en/latest-photos-reveal-devastating-radar-damage-at-us-al-udeid-base-after-iran-strike/

(b1) 13.04.2018; Screenshot; http://ixquick.de; Suchbegriff: „Kornblum Trump“

(Titelbild) Tarnkappenbomber B-2 Spirit; 30.06.2006; https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:B-2_Spirit_original.jpg; Lizenz: US-Regierung, gemeinfrei

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Von Ped

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