Hitlers Wiener Erinnerungen und sein Judenhass in „Mein Kampf“
Der durch ein zerrüttetes Elternhaus, Indoktrination und Traumata fragwürdig sozialisierte Adolf Hitler machte in Wien Bekanntschaft mit der ganz dunklen Seite des Kapitalismus. Mit der Armut einher ging eine Ideologisierung und Politisierung des Menschen Adolf Hitler. Als er in „Mein Kampf“ seine Wiener Erinnerungen rekapitulierte, hatten sich über die tatsächlichen Erfahrungen jener Zeit sein Kriegserleben und die Niederlage des Deutschen Kaiserreiches sowie die der noch jungen politischen Karriere gelegt.
Vorab:
- >>> Hitlers Kampf und sein Weg zur Macht (1)
- >>> Hitlers Kampf und sein Weg zur Macht (2)
- >>> Hitlers Kampf und sein Weg zur Macht (3)
- >>> Hitlers Kampf und sein Weg zur Macht (4)
Hitlers Vorkriegszeit aus Sicht des Jahres 1924
Hitlers Weltkriegserfahrungen sind in die Zeit vor und nach dem Massenschlachten auf vorrangig europäischem Boden eingebettet. Wenn wir in Hitlers Manifest von dessen Empfindungen und Erfahrungen lesen, sollten wir beachten, dass er diese Erfahrungen aus der Perspektive des hochgradig ideologisierten und bereits stark profilierten Machtpolitikers im Jahre 1924 beschreibt. Wir können davon ausgehen, dass Hitler in seiner Wiener Zeit so eben nicht gedacht und gefühlt hat. Das gilt ganz besonders für seinen nun offen demonstrierten, extrem ausgeprägten, radikalen Antisemitismus. Indirekt räumte das Hitler in „Mein Kampf“ sogar selbst ein, als er schrieb:
„Ich erhielt in ihr [Wien] die Grundlagen für eine Weltanschauung im großen und eine politische Betrachtungsweise im kleinen, die ich später nur noch im einzelnen zu ergänzen brauchte, die mich aber nie mehr verließen. Den rechten Wert der damaligen Lehrjahre vermag ich freilich selber erst heute voll zu schätzen.“ (1)
Hitler hat also später die Erlebnisse seiner Wiener Jahre aus der Perspektive des gereiften Antisemiten heraus neu betrachtet und bewertet. Damit hat er sich nicht nur seine Ideologie, sondern auch seine Biografie in gewisser Weise „passend“ gemacht.
Adolf Hitler suchte seit seiner Jugend einfache, schnelle Lösungen. Lösungen, von denen er überzeugt war und die er — aufgrund seiner mangelhaft ausgebildeten sozialen Kompetenz — zunehmend rücksichtslos verfolgte. Entsprechend entfaltete sich in ihm auch ein äußerst simples Bild menschlicher Gesellschaften. In diesem Zusammenhang lässt sich die Beziehung zu seiner Heimat, der Habsburger Monarchie, gelinde gesagt als ambivalent bezeichnen.
1938 würde er mit dem Kampfruf „Ein Volk, ein Reich, ein Führer!“ das republikanische Österreich dem Deutschen Reich „anschließen“, was keine wirklich neue Idee darstellte. Er, Hitler, hatte sie nur populär gemacht und zur Staatsdoktrin erhoben (2). Propagandistisch betrachtet ist das Motto geradezu genial. Es betont die Einheit, welche ihrerseits Stärke und Macht impliziert. Es bietet einen willensstarken, entschlusskräftigen strategischen Führer an, an dem die Massen sich ausrichten und von dem sie sich führen lassen können. So kitschig das Motto heute — vor allem im Kontext zahlloser, oberflächlicher Dokumentationen über das Dritte Reich — auch daherkommen mag, fasziniert es doch aufgrund seiner emotionalen Botschaft. Auf dieser emotionalen Ebene ist es vor allem für Menschen, die Halt suchen, verlockend, einer solchen Bewegung anzugehören, sich über sie zu identifizieren.
Die gesellschaftlichen Verhältnisse und das ethnische Gemisch des Vielvölkerstaates der K.u.K.-Monarchie widerten Hitler an. Er lehnte diese so vehement ab, dass er im Mai 1913 nach Deutschland, nach München übersiedelte, um nicht Wehrdienst in der Armee der Habsburger ableisten zu müssen (3). Warum aus seiner Sicht in Österreich-Ungarn vor dem Ersten Weltkrieg alles schlecht gewesen sei, fasste Hitler in diesem Satz zusammen (Hervorhebung durch Hitler):
„Das alte Österreich war ein »NATIONALITÄTEN-STAAT«.“ (1i)
Damit kommen wir zum Kern dessen, was sich hinter dem emotional so gut klingenden „Ein Volk, ein Reich, ein Führer!“ versteckt: Faschismus. Es vermittelt die Sicht, dass nur ein starkes Reich faktisch „reinen Blutes“, letztlich geprägt von einer einzigen Ethnie, ja Rasse, attraktiv und dauerhaft lebensfähig sein könne. Diese Ethnie/Rasse, der man sich zugehörig fühlen dürfte, wäre auch noch die wertvollste, allen anderen überlegene (a1). Nach eigener Aussage war Hitler bereits in jungen Jahren zum „fanatischen Deutschnationalen“ geworden (1ii).
Allein schon durch diese, damals weit verbreitete Sicht ist dem Antisemitismus Tür und Tor geöffnet gewesen — mit oder ohne Hitler. Doch waren es logischerweise und nicht ausschließlich Juden, die von Hitler und einem großen Teil seiner Zeitgenossen als minderwertig angesehen wurden. Vor allem Slawen wurden als primitiv und das „Deutschtum“ zersetzend betrachtet. Hitler schrieb in „Mein Kampf“:
„Im Norden und im Süden [des Habsburger Staates] fraß das fremde Völkergift am Körper unseres Volkstums, und selbst Wien wurde zusehends mehr und mehr zur undeutschen Stadt. Das »Erzhaus« tschechisierte, wo immer nur möglich, und es war die Faust der Göttin ewigen Rechtes und unerbittlicher Vergeltung, die den tödlichsten Feind des österreichischen Deutschtums, Erzherzog Franz Ferdinand, gerade durch die Kugeln fallen ließ, die er selber mithalf zu gießen. War er doch der Patronatsherr der von oben herunter betätigten Slawisierung Österreichs.“ (1iii)
Für soziale Schieflagen wurden also „die Fremden“, „die Anderen“ verantwortlich gemacht. So war das zu Hitlers Zeiten — und so ist es leider auch heute. Und wir Menschen sind für so etwas empfänglich. So wir diese Überhebung über „die Fremden“ und die Schuldzuweisung an selbige als eines der Wesensmerkmale von Rassismus definieren wollen, kann dieser Rassismus auch heute sehr rasch von uns Besitz ergreifen, wenn wir nicht achtsam genug sind.
Wenn Hitler also von Leidensgefährten sprach, meinte er selbstredend nur Deutsche — Deutsche als Ethnie, als homogene Volksgruppe untrennbar mit dem Deutschen Reich verbunden. Diesen Filter eingeschlossen charakterisierte er Arbeiterschaft und Kleinbürgertum wie folgt:
„[..] so ist doch die Kluft gerade zwischen diesen wirtschaftlich durchaus nicht glänzend gestellten Schichten [des Kleinbürgertums] und dem Arbeiter der Faust oft tiefer, als man denkt. Der Grund […] liegt in der Furcht einer Gesellschaftsgruppe, die sich erst ganz kurze Zeit aus dem Niveau der Handarbeiter herausgehoben hat, wieder zurück zu sinken in den alten, wenig geachteten Stand […].“ (1iv)
Inwieweit Hitler sich bewusst war, dass er hier seine eigenen Ängste projizierte, ist eine andere Frage. Fakt ist, dass er auf keinen Fall zu den „Handarbeitern“ gerechnet werden wollte — schlicht weil er sich selbst intellektuell auf einer anderen Stufe sah. Entsprechend schämte er sich dafür, eine zeitlang Teil des Lumpenproletariats gewesen zu sein. Denn das war in seiner Wiener Jugendzeit ganz klar der Fall. Scham und Ekel drückten sich bei Hitler so aus:
„Dazu kommt noch bei vielen die widerliche Erinnerung an das kulturelle Elend dieser Klasse, die häufige Rohheit des Umgangs untereinander, wobei die eigene, auch noch so geringe Stellung im gesellschaftlichen Leben jede Berührung mit dieser überwundenen Kultur- und Lebensstufe zu einer unerträglichen Belastung werden lässt.“ (1v)
Mit dem Ausdruck „bei vielen“ meint Hitler aus Sicht des Autors auch und vor allem sich selbst! Standesdünkel macht sich in Verachtung für subjektiv niedriger gestellte Klassen bemerkbar. Dabei werden die eigenen, unterschwellig wahrgenommenen Defizite vornehm ausgeblendet. Die „häufige Rohheit des Umgangs miteinander“ war schon 1923 und danach erst recht eines der Markenzeichen politischen Wirkens des Adolf Hitler.
Hitler las als junger Mann viel und er ging ins Theater. Zudem begann er, politisch aktiv zu werden, nicht als „Führer“, sondern im auch analytischen Interesse für Politik und Gesellschaft. Das zusammen unterschied ihn durchaus von der Masse jener gesellschaftlichen Klasse, zu der er zählte. Daher konnte er sich ein Unterscheidungsmerkmal anheften, das in ihm das beruhigende Gefühl auslöste, nur scheinbar und/oder vorübergehend in schwierigen Verhältnissen gelandet zu sein. Sich selbst betrachtete er als Macher, freilich nicht zu seinen Wiener Zeiten aber sehr wohl Anfang der 1920er-Jahre. Die anderen seiner Klasse waren nun, im Gegensatz zu ihm selbst, auf Führung angewiesen, um Teil eines „gesunden Volkskörpers“ zu werden.
Nur darf uns klar werden, dass Hitler — als später aktiv nach Macht Strebender — eines völlig richtig erkannt hatte: Nämlich, dass sich eine große Mehrheit tatsächlich im Sinne einer Masse verhält, oft passiv ist und so durch Macht geführt und gelenkt werden kann. In diesen Strukturen sah Hitler sich 1924 als Deutscher und als Macher — als elitär, als auserwählt. Und tatsächlich war Hitler ein Auserwählter, allerdings nicht von Gott, nicht vom Schicksal und auch nicht von „seinem Volk“.
Aus der Sicht klassenbasierter Ideologien kann Adolf Hitler in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als Unterdrückter, als Ausgebeuteter definiert werden. Er gehörte zweifelsfrei der eigentumslosen, unterdrückten und ausgebeuteten Klasse des Proletariats an. In „Mein Kampf“ spricht er wiederholt über die Wohnverhältnisse der Hilfsarbeiter. Es klingt, als wäre er nur ein interessierter Beobachter gewesen, dem ist aber nicht so. Er selbst war ein Hilfsarbeiter und erzählt in Wahrheit aus dem eigenen Erleben:
„Fast trüber noch waren damals die Wohnungsverhältnisse. Das Wohnungselend des Wiener Hilfsarbeiters war ein entsetzliches. Mich schaudert noch heute, wenn ich an diese jammervollen Wohnhöhlen denke, an Herberge und Massenquartier, an dies[e] düsteren Bilder von Unrat, widerlichem Schmutz und Ärgerem.“ (1vi)
Man muss wirklich in das soziale Milieu der damaligen Zeit eintauchen, einschließlich der Befindlichkeiten der Menschen, um die vorherrschende Popularität des übersteigerten Deutsch-Nationalismus verstehen zu können.
Rassenwahn und Antisemitismus
Das Prinzip „Ein Reich, ein Volk, ein Führer“ verstand sich nicht nur aus der ethnischen Unterscheidung zwischen dem angeblich homogenen deutschen Volk, das vollständig in einem deutschen Staat aufgeht, einerseits und vermeintlich „minderwertigen Rassen“ andererseits. Da diese Unterscheidung ja in einer Ideologie aufging, wurden dem widersprechende Ideologen nicht minder kompromisslos in die Feindschublade gesteckt als Juden oder Slawen:
„In dieser Zeit [Hitler meint seine Wiener Jugendzeit] sollte mir auch das Auge geöffnet werden für zwei Gefahren, die ich beide vordem kaum dem Namen nach kannte, auf keinen Fall aber in ihrer entsetzlichen Bedeutung für die Existenz des deutschen Volkes begriff: Marxismus und Judentum.“ (1vii)
Hitler hat damit ausgedrückt, dass er irgendwann Feinde in Menschen erkannte, die sich bestimmten gesellschaftlichen Gruppen zuordnen ließen — Menschen, denen er vor seiner „Erleuchtung“ wohlgesonnen oder neutral gegenüberstand. Er wurde — und das hat er mit vielen ideologischen Eiferern gemein — durch aus seiner Sicht großartige Menschen faktisch erleuchtet. Ganz speziell Karl Lueger, von 1897 bis 1910 Oberbürgermeister von Wien, der ein überzeugter Antisemit und zudem glänzender Rhetoriker war, hatte es Hitler angetan, und in „Mein Kampf“ lobt er ihn als Impulsgeber für den eigenen, fanatischen Antisemitismus in den höchsten Tönen (1viii, 4, siehe auch Teil 4).
So wie unzählige andere Menschen — damals wie heute — wurde Hitler manipuliert und sah nun Feinde statt Menschen. Feindbildpflege war und ist allgegenwärtig. Denn Feinde sind keine „richtigen“ Menschen mehr. Sonst könnte man sie schließlich nicht bekämpfen:
„Wo immer ich ging, sah ich nun Juden, und je mehr ich sah, um so schärfer sonderten sie sich für das Auge von den anderen Menschen ab. Besonders die innere Stadt und die Bezirke nördlich des Donaukanals wimmelten von einem Volke, das schon äußerlich eine Ähnlichkeit mit dem deutschen nicht mehr besaß.“ (1ix)
Wie schon mehrfach betont, ist das die ideologisch angepasste Sicht Adolf Hitlers auf die Juden im Jahre 1924, nicht etwa im Jahre 1910. Und was er da in „Mein Kampf“ niederschreibt, ist kein Auswurf eines kranken Gehirns, sondern logische Folge von Indoktrination. Indoktrination bedarf eines bestellten Feldes, das da heißt: verletzte, sozial entwurzelte Menschen. Menschen, die sich von der drückenden Schuld zu befreien suchen, versagt zu haben. Solche Menschen sind dafür prädestiniert, den Einflüsterern zu erliegen, welche vorgeben, die Ursache allen Übels zu kennen. So werden andere, angeblich Schuldige präsentiert. In der Regel wird also personalisiert, damit die Schuld bildhaft wird und dauerhaft als abrufbare Emotion in unserem Gehirn abgespeichert werden kann.
Das ist bis heute so geblieben. Bis in die Gegenwart hinein wird auf ein „böses“ Bild heruntergebrochen: Putin, Assad, Gaddafi, Maduro, „der Vietcong“, „der Moslem“, „der Russe“ und so weiter. Damals war es „der Jude“ (a2). Jede Geschichte über reale wie erfundene Missstände in einer Gesellschaft wurde so konstruiert, dass sie mit dem entsprechenden Feindbild fortan in Verbindung gebracht werden konnte. Dieses auf unsere Emotionen zielende Prinzip hat sich bis heute nicht verändert. Für das gestörte Selbstbildnis Hitlers war „der Jude“ als Feindbild die Rettung. In seinem hier besprochenen Werk taucht das Wort hunderte Male auf.
Und so entfaltete sich Hitlers Selbstverachtung, gekoppelt mit seiner für ihn unwürdigen sozialen Lage und seiner Unfähigkeit, zu differenzieren und zu kooperieren, in grenzenlosem Hass. Dieser Hass benötigte ein Objekt und Hitler bekam es mit „dem Juden“ vorgesetzt:
„Überhaupt war die sittliche und sonstige Reinlichkeit dieses Volkes ein Punkt für sich. Dass es sich hier um keine Wasserliebhaber handelte, konnte man ihnen ja schon am Äußeren ansehen, leider sehr oft sogar bei geschlossenem Auge. Mir wurde bei dem Geruche dieser Kaftanträger später manchmal übel. Dazu kam noch die unsaubere Kleidung und die wenig heldische Erscheinung.“ (1x)
Es ist keine Nebensächlichkeit, dass die reinliche Verfassung und der Zustand seiner Kleidung auch bei Adolf Hitler in den Jahren um 1910 aufgrund seiner Arbeits- und Lebensbedingungen nicht zum Besten gestanden haben. Projektion hat viele Gesichter. Hitler hat sich dafür geschämt und später Schmutz gehasst, was er auch immer wieder drastisch in seiner Sprache formulierte. Zur Abwehr der empfundenen Schuld und Scham mussten für Hitler und viele seiner Zeitgenossen die Juden, dazu gleichgesetzt mit dem verhassten Schmutz, herhalten:
„Statt sich zu schämen — also gleichsam mit dem inneren Selbst zu erröten — wird der angebliche Verursacher der Scham mit Hass belegt und verfolgt und schließlich ermordet. In diesem Projekt waren sich das deutsche Volk und Hitler offenbar einig.“ (5)
Allerdings stellt sich bei Hitlers Judenhass, den er allerspätestens ab 1924 auch für alle an ihm Interessierten mit seinem Buch „Mein Kampf“ öffentlich machte, eine große Frage:
Würde man einen Menschen wie ihn in Macht bringen, dann war doch völlig klar, dass man mit ihm eine tickende Zeitbombe installierte. Adolf Hitler ist national und international in einem Maße hofiert und finanziert worden, dass man sagen kann, ihm wurde der rote Teppich zur Macht ausgerollt. Warum haben die vielen Gönner — und diese waren keinesfalls ausschließlich und schon gar nicht zu Beginn Hitlers politischer Karriere in Deutschland zu Hause — es trotzdem getan? Oder taten sie es gar nicht trotzdem, sondern gerade deshalb?
Ein System Hitler — das war 1924 durch sein Buch mehr als offensichtlich geworden — würde morden. Wer so etwas schreibt, wie das hier:
„Sowie man nur vorsichtig in eine solche Geschwulst hineinschnitt, fand man, wie die Made im faulenden Leibe, oft ganz geblendet vom plötzlichen Lichte, ein Jüdlein.“ (1xi),
ist entsozialisiert genug, jederzeit zu töten oder töten zu lassen. Das sind keine verbalen Ausrutscher gewesen. Hitler hat geradezu manisch in „Mein Kampf“ die Juden als Inkarnation des Bösen dargestellt und fortwährend entmenscht. Ja, er war zutiefst davon überzeugt, als „Guter“ das „Böse“ in einem heiligen Feldzug bekämpfen zu müssen (Großschreibung durch Adolf Hitler):
„So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: IN DEM ICH MICH DES JUDEN ERWEHRE, KÄMPFE ICH FÜR DAS WERK DES HERRN.“ (1xii)
Freilich waren auch solche Gedanken nicht von ungeheuerlicher Einzigartigkeit: Die kolonialen Eroberungen des Westens in den vergangenen Jahrhunderten wurden durch die Bank weg — mitsamt ihren unvorstellbaren Genoziden — „im Namen des Herrn“ durchgeführt. Ab dem 20. Jahrhundert „bereicherte“ man diesen missionarischen Anspruch noch um das Motto „im Namen der Demokratie“.
Hat tatsächlich keiner von Hitlers zahlungskräftigen Gönnern im In- und Ausland dessen Buch gelesen? Oder brauchten seine Gönner das Buch nicht einmal zur Hand zu nehmen — weil sie nämlich bereits zuvor wussten, was für ein Charakter ihnen da begegnet war? Anders gefragt: War „Mein Kampf“ möglicherweise sogar eine Art „Bewerbungsschreiben“? Das Buch ist ein Augenöffner! Die These des Autors, die es noch zu belegen gilt, lautet:
Hitler hat den Gipfel der Macht nicht erklommen, nein, er wurde dorthin gehoben. Wer hatte daran ein Interesse und warum? Sind wir bereit, den Vergleich mit der Gegenwart zu wagen?
Hitler war später, in den 1930er-Jahren, für die großen westlichen Demokratien ein „guter Diktator“. Dass er Menschen in Konzentrationslager stecken und die zerbrechliche Demokratie der Weimarer Republik einstampfen ließ, tat dem keinen Abbruch. Die brutalen Repressionen gegen Andersdenkende wie auch die zunehmende Diskriminierung jüdischer Bürger — auch sie konnten die exzellenten Beziehungen der britischen und US-amerikanischen Politik zum Deutschen Reich kaum trüben. Und selbstverständlich wusste man in London und Washington, was da für ein politisches System installiert worden war. Trotzdem tolerierten die Regierungen Großbritanniens und der USA Hitlers Ambitionen und sein später etabliertes Machtsystem nicht nur — sie unterstützten und stärkten es aktiv.
Nicht zuletzt war Hitlers unbändiger, mörderischer Hass auf die Juden jenen Leuten bestens bekannt. Das Deutsche Reich hatte schließlich bereits im Jahre 1935 mit großer Offenheit die Nürnberger Rassengesetze verabschiedet (6). Zur Belohnung — und das ist nur bedingt sarkastisch zu verstehen — durften ein Jahr später trotzdem unverändert zwei Olympische Spiele in ein und demselben Land, im faschistischen Deutschen Reich, ausgetragen werden (a3).
Die Geschichtsschreibung der Meinungshoheit tut so, als ob die westliche Politik Adolf Hitler und seinen Apparat unterschätzt und deshalb eine sogenannte Appeasement-Politik, eine Politik der Zurückhaltung und Beschwichtigung, gegenüber Deutschland betrieben hätte. Bis es schließlich zu spät gewesen sei und der Zweite Weltkrieg losgetreten wurde.
Es ist immer das Gleiche: Die Propaganda, der wir heute ausgesetzt sind, vermittelt uns das übliche Gut-Böse-Schema auch im Falle des Dritten Reiches. Die Legende lautet: Hitler war ein „böser Diktator“ — was man leider zu spät erkannt haben wollte — und im Grunde ein Betriebsunfall gewesen, dessen Schaden durch eine konzertierte, gewaltige Anstrengung der „Völkergemeinschaft“, heute wohl „Wertegemeinschaft“ genannt, in Grenzen gehalten wurde.
Immer dann, wenn man uns solch emotionale, märchenhafte Geschichten vom Kampf des Guten gegen das Böse auftischt, dürfen wir hellhörig werden. Diese simplen Geschichten gehen gut ins Hirn und werden so zur eingepflanzten Wahrheit. Mit dem damals tatsächlich Geschehenen haben sie allerdings herzlich wenig zu tun und sie sind deshalb auch voller Widersprüche. So man sich diesen nicht allzu stark widersetzt, ist das Hinnehmen durchaus bequem. So funktioniert sie halt — die Matrix.
„Gute Diktatoren“ gibt es heute auch. Gut sind sie aber nur so lange, wie sie sich an die Spielregeln halten. Solange sie nützlich sind, werden sie nicht nur toleriert, sondern sind sogar gern gesehen. Seien es reale oder angebliche Diktatoren, so befinden sie sich doch — ungeachtet ihrer vermeintlichen Machtfülle — jederzeit in Abhängigkeiten. Der Versuch, sich aus diesen zu befreien, endete in der Regel mit dem „Sturz des Tyrannen“, wie man etwa an Muammar al-Gaddafi oder Saddam Hussein sehen konnte. In der Regel wurde dann um die „Bestrafung des Unfolgsamen“ eine Geschichte vom „Volksaufstand“ oder der einer „Demokratiebewegung“ gestrickt.
Was also war der Grund, der Adolf Hitler schließlich im Informationsraum der „freien Welt“ von einem nützlichen Diktator zu einem „bösen“ Diktator“ mutieren ließ? Lassen wir uns Zeit. Arbeiten wir uns geduldig weiter durch Adolf Hitlers Manifest. Es wird uns noch viel offenbaren.
Bitte bleiben Sie schön aufmerksam.
Die Veröffentlichung des nächsten Teiles erfolgt im März.
Anmerkungen und Quellen
(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung — Nicht kommerziell — Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen — insbesondere der deutlich sichtbaren Verlinkung zum Blog des Autors — kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei internen Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden. Letzte Bearbeitung: 20. Februar 2025.
(Allgemein) Die Artikelreihe „Hitlers Kampf und sein Weg zur Macht“ fußt auf der vor Jahren veröffentlichten Reihe „Lesungen aus einem verbotenen Buch“. Die ursprünglichen Texte, bestehend aus acht Artikeln, wurden umfassend überarbeitet — sowohl inhaltlich als auch redaktionell. Außerdem fanden sie ihre Fortsetzung in weiteren Artikeln, die letztlich in eine unter einer Creative-Commons-Lizenz verfügbaren Buchedition (online) münden werden.
(a1) Der Nationalismus selbst, der oft auch mit der Verbundenheit zur Heimat verschmilzt, stellt nicht zwingend ein Problem dar. Es ist die Überhebung der Einzigartigkeit von Vertretern einer Ethnie oder Nation, die zu einem übersteigerten Nationalismus und Hass auf andere Ethnien — wie immer sie sich auch definieren mögen — hinführt.
(a2) „Der Jude“ — im Ausdruck der Personifizierung auf einen Dämon, den es zu bekämpfen gilt — in der Einzahl benutzt, bricht eine gesellschaftliche Ethnie und Glaubensgemeinschaft herunter auf „Das Böse“ (in der Einzahl) schlechthin. Es ist allgemeiner Sprachgebrauch in Propaganda, dass man dem angeblich Bösen ein Gesicht gibt: entweder das realer Menschen oder als Simplifizierung vermeintlich homogener, stigmatisierter Gruppen wie „der Russe“, „der Iwan“, „der Vietcong“ und so weiter.
(a3) Beim „guten Diktator“ Adolf Hitler — einem, der seine Rolle zur Zufriedenheit ausfüllte — konnten daher auch ein Jahr nach Verabschiedung der Nürnberger Rassengesetze ohne weiteres gleich zweimal Olympische Spiele abgehalten werden. Das waren die Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen und dann die Sommerspiele in Berlin. Wobei die Vergabe beziehungsweise das Vorrecht zur Austragung durch das Internationale Olympische Komitee bereits im Jahre 1931 erfolgt war (7).
(1) Mein Kampf, Erster Band — Eine Abrechnung; Adolf Hitler; Zwei Bände in einem Band; ungekürzte Ausgabe; Zentralverlag der NSDAP., Frz. Eher Nachf., G.m.b.H., München; 851. bis 855. Auflage 1943; S. 137; (1i) S. 10; (1ii) S. 10/11; (1iii) S. 13; (1iv, 1v) S. 22; (1vi) S. 28; (1vii) S. 20; (1viii) S. 58/59; (1ix) S. 60; (1x, 1xi) S. 61; (1xii) S. 70
(2) 04.03.1988; Die Zeit; Golo Mann; Ein Volk, ein Reich, ein Führer; https://www.zeit.de/1988/10/ein-volk-ein-reich-ein-fuehrer/seite-4; Artikel hinter Bezahlschranke
(3) 2007; cpw Medien- und Publikationsdienste; Roland Detsch; Adolf Hitler; http://www.cpw-online.de/kids/adolf_hitler.htm
(4) Vienna-Tourist; Karl Lueger; http://www.vienna-tourist.com/lueger-denkmal/; abgerufen: 21.10.2024
(5) September 2000; literaturkritik.de; Claudia Schmölders; Schamabwehr und Judenhass; https://literaturkritik.de/id/1567; aus: Paul Matussek, Peter Matussek: Hitler, Karriere eines Wahns; Herbig Verlag, München 2000
(6) 100[0] Schlüssel-Dokumente; Die Nürnberger Gesetze, 15.09.1935; https://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0007_nue&l=de; abgerufen: 21.10.2024
(7) 29.04.2004; Deutsches Historisches Museum; Die IV. Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen; https://web.archive.org/web/20070203133620/http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/winterspiele/index.html
(Titelbild) Volksempfänger, Mein Kampf; Spengler Museum Sangerhausen; 06.08.2007; Autor: Giorno2 (Wikimedia); https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Spengler_Museum_Sangerhausen_4.jpg; Lizenz: Creative Commons 4.0
Ich bräuchte mal etwas Orientierung zu Deiner Artikelserie.
Verstehe ich Dich richtig, dass Du vier Rollen konzertiert am Werk siehst, um die verhängnisvolle Entwicklung hin zum Dritten Reich zu erklären: Da sind zum einen ein potentieller Menschenverächter wie Adolf Hitlers und ein Einflüsterer wie Karl Lueger, der eine menschliche Zeitbombe sucht, findet und entschärft. Da sind zum anderen die Machteliten im Hintergrund, die einen ihre Interessen wahrnehmenden Diktator protegieren und das Volk, das sich über Emotionen steuern lässt. Du interessierst Dich für die psychologisch-mentale Prävalenz der Menschen, die diese vier Rollen ausfüllen, wie sie auf der individuellen und systemischen Ebenen zusammenwirken und dabei ein solches Unheil heraufbeschwören. Du willst aus der Analyse von »Mein Kampf« neue Erkenntnisse gewinnen, um sie für das Heute nutzen zu können.
Könnte man das so sagen?
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Ja, das hast Du schon ziemlich treffend beschrieben – und es gibt noch einiges mehr.
Herzlich, Ped
Es wäre sehr nett wenn ich immer informiert würde wenn ein neuer Beitrag erscheint. Ich bin ein begeisterter Leser Ihrer tiefgründigen Artikel!!
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Funktioniert die Option unterhalb des Kommentarfeldes „Benachrichtige mich über neue Beiträge via E-Mail.“ nicht?
Herzlich, Ped
@Andreas aus Dresden
Vielen Dank für Ihren Korrekturhinweis, er ist berücksichtigt. Bitte benutzen Sie aber für die Kommunikation zum Thema zukünftig diese hier zur Verfügung stehende Kommentarfunktion. Auf Mails reagiere ich nur, wenn mir – und nur mir – der damit verbundene Zeitaufwand auch ausreichend lohnend erscheint. Die Bitte, spontan per Brief oder persönlich in Kommunikation mit mir zu treten, wird standardmäßig nicht beantwortet.
Freundliche Grüße, Ped
Vielen Dank für Deine klugen Aufsätze, lieber Ped! Diese Aufsatzreihe gefällt mir besonders gut. Die Lesungen aus dem verbotenen Buch sind sehr aufschlussreich. Du zeigst, unter welchen elenden Bedingungen kriegerisches und zerstörerisches Denken entsteht. Wir können damit nicht nur das Vergangene besser verstehen, sondern auch wie gegenwärtige und zukünftige Vorgänge in unserer Gesellschaft beeinflusst werden. Diejenigen, die Krieg und Zerstörung verursachen und daraus einen Vorteil ziehen, haben Erfahrung darin, das Denken und Handeln der ins Elend gerutschten zu lenken:
https://www.spiegel.de/einestages/hitlers-karrierestart-a-947399.html
Ich hoffe, die Reihe wird fortgesetzt. Vielen Dank auch für den kurzen Gedankenaustausch, der mich erfrischt hat.
Mal angreifende Maoris gesehen ? Ich habe die zum ersten mal auf dem Karneval der Kulturen in Berlin gesehen, horible !
https://tatuajeclub.com/wp-content/uploads/2016/05/tatuaggi-maori-7.jpg
Später war ich dann in Neuseeland, auch in den (sehr guten) Bibliotheken. Den Briten fehlte es an Bodentruppen, drum haben sie eine Insulaner- Truppe aufgestellt, die waren aber alle als Soldaten nicht zu gebrauchen, außer den Maoris, die ja im Prinzip stolze Krieger sind, bloß etwas heruntergekommen waren. So verehrten sie also den in der Bucht vor Picton festgesetzten Graf Luckner als großen Führer UND bewiesen in den Britischen Streitkräften ihre Manneskraft. Waffen erhielten sie nicht, aber sie gruben Gräben mit dem Spaten, wo sich kein Brite traute. Und zuletzt hatte hatte jeder Maori seine Mauser, die er einem toten Deutschen Offizier zwischen den Linien abgenommen hatte. Wenn es an Reis oder Bier fehlte, besorgten sie das Gewünschte rückwärts, sie wurden respektiert.
Das ereignete sich nun just dort, (in Flandern) wo auf der anderen Seite der Österreicher A Hitler sich in der Deutschen Truppe rumdrückte, als Ordonanz (so was wie Schweik, aber ohne Humor). Nach einem aufreibenden Einsatz wurde Hitler’s Truppe jeweils zur Erholung und Aufstockung an ruhigere Schauplätze verlegt, z.B. ins Elsaß. Hitler hatte es drauf, Urlaub jeweils dann zu erhalten, wenn es wieder ernst wurde (er hat sich dann z.B. in Berlin amüsiert).
Zuletzt hat’s diesen Drückeberger aber doch erwischt, bei einem Giftgasangriff erblindete er und erlebte das Kriegsende in einem Lazarett bei Anklam. Auf einen Giftgasangriff pflegte ein Angriff zu folgen, das war die Ratio des Giftgaseinsatzes. Man stelle sich also vor: das letzte was dieser Österreichische Bauernbub sah, waren angreifende Maoris ! dann wacht er im Lazarett auf, alles ist schwarz. Der Krieg ist aus, das D Reich hat verloren, die Briten setzen ihr 1916 erklärtes Kriegsziel um und zerschlagen die Donaumonarchie, seine Heimat.
Ist doch klar, daß dieser Bauernbub durchknallt, Untergang des Abendlandes und so (Spengler)!
Übrigens kann man bei Kisch nachlesen, wie er zur Arbeiter- Partei kam, er wurde als Spitzel angeworben ! Hitler selber beschwert sich, weil die Post sein Spiel mit seinen Mäusen stört.
Vielen Dank für Deine klugen Aufsätze, lieber Ped! Diese Aufsatzreihe gefällt mir besonders gut. Die Lesungen aus dem verbotenen Buch sind sehr aufschlussreich.