Über Botschaften, die nicht ernst genommen wurden.


Wenn es um Russlands Teilhabe am Ukraine-Konflikt geht, dann zeigt sich im medialen Raum hierzulande ein bislang nicht aufgelöster Widerspruch. Russland gibt Gründe für seine aktive Beteiligung am Konflikt vor. Diese Gründe werden von westlichen Entscheidungsträgern und Massenmedien jedoch einfach vom Tisch gewischt und Russland dafür gänzlich andere Gründe unterstellt. Die Ignoranz gegenüber den von Russland vorgebrachten Argumenten geht einher mit unversöhnlicher, bellizistischer Rhetorik. Während man selbst das Leid von Menschen instrumentalisiert, wird der anderen Seite einfach Propaganda unterstellt, wenn sie Leid thematisiert. Leid auf der anderen Seite ist für den sogenannten Wertewesten kein zu prüfendes Argument. 


Schaut man offen und vorurteilsfrei auf die ukrainischen Ereignisse ab dem Frühjahr 2014 zurück, dann kommt man um das Leid der Menschen in der Ostukraine (Donbass, Lugansk) nicht herum. Dann kommt man auch nicht umhin, einen Vorsatz in Betracht zu ziehen, um die Menschen dort gefügig zu machen. Denn es brach nicht etwa ein schicksalhafter Krieg in der Ostukraine aus, sondern es wurde der Terror in die Region gebracht. Projektion hat viele Gesichter — in diesem Falle nannte sich die „Befriedungsaktion“ nämlich „Antiterroroperation“. Wohlgemerkt „Antiterroroperation“ einer nicht legitimierten und deshalb auch nicht anerkannten an die Macht geputschten Regierung.

Terror ist ein strategisches Instrument zur Gestaltung von Politik. Er basiert auf Disziplinierung und Eskalation. Westliche Medien redeten, schrieben, ja schrien 2014 einen Einmarsch russischer Truppen in der Ostukraine herbei. Dafür gibt es keinerlei Belege, bis zum heutigen Tage nicht. Doch weist es uns auf einen anderen Aspekt hin. Nämlich darauf, dass es Geostrategen im Westen zu gern gesehen hätten, wenn genau das geschehen wäre. Doch Russland hielt sich zurück. Obwohl die Tragödie sich genau hinter den eigenen Grenzen abspielte. Das heißt aber nicht, dass dieser Terror, der Krieg gegen die Zivilbevölkerung, folgenlos für die russische Politik der kommenden Jahre gewesen wäre.

Wenn man heute russischen Regierungsvertretern — insbesondere Putin, Lawrow und Sacharowa — aufmerksam zuhört, dann wird man von diesen immer und immer wieder an die Ereignisse in der Ostukraine im Jahre 2014 und danach, sowie die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für die russische Politik erinnert. Und damit kommen wir zur Allee der Engel.

Die Allee der Engel bezeichnet eine Gedenkstätte in Donezk, die unter anderem aus einer Steintafel mit Namen von Kindern besteht, die seit Beginn des Konfliktes im Jahr 2014 getötet wurden (1). In den acht Jahren fielen mindestens 152 Kinder im Donbass dem Konflikt zum Opfer, inzwischen sind die Opferzahlen viel höher. Dies ist eine unbequeme Aussage, die nicht ins mediale Bild des „guten Krieges“ auf westlicher Seite passt. Dass dieser Konflikt im Jahr 2014 nach dem Putsch der demokratisch gewählten ukrainischen Regierung begann, wird gerne ausgeblendet (2).

Am 6. April 2014 beschloss der Sicherheitsrat der Ukraine, unter Anwesenheit von CIA-Direktor John Brennan, den Beginn eines „Anti-Terroreinsatz“ im Donbass, als Reaktion auf den Versuch der Region sich nach dem Putsch von der Ukraine unabhängig zu erklären. Viele der zuerst mit dem Auftrag zur Bekämpfung der eigenen Landsleute entsandten Soldaten lehnten die Teilnahme an dieser Art von „Befriedung“ ab und liefen sogar mit samt ihrer militärischen Ausrüstung zu den Aufständischen über (3).

Aber es ist völlig klar, dass mit dem Maidan-Putsch auch der Ukraine-Konflikt auf militärischer Ebene in Gang gebracht wurde. Verdeckt waren die USA in diesen Krieg nicht nur involviert, sie beförderten ihn sogar (4). Routinemäßig, so die Berichterstattung westlicher Medien (5), besuchte 2014 der damalige CIA-Chef John Brennan die ukrainische Hauptstadt. Jener John Brennan, der nun wegen diverser anderer „Vorkommnisse“ wie staatlich gesteuerten Folterprogrammen, dem Drohnenkrieg gegen Drittstaaten und illegaler Spionage im eigenen Land uner Anklage steht (6). Das war 2014, nicht etwa 2022. Und der Krieg ging von der Putsch-Regierung in Kiew aus, nicht etwa von Donezk. Bei Forbes, einer Plattform von US-Eliten, las man im April 2014:

„Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie entscheidend diese Phase der Konfrontation ist, muss man sich nur ansehen, wie Bilder von ukrainischen Panzerfahrzeugen, die jetzt von Milizen gefahren werden, um die Welt gegangen sind. Moskau wird diese Nachrichten lautstark verbreiten und behaupten, dass selbst ukrainische Soldaten nicht kämpfen wollen und dass die USA künstlichen Hass schüren. Die Regierung in Kiew wird sich in einer Zwickmühle befinden — entweder muss sie zugeben, dass ihre Kommunikationskanäle hoffnungslos kompromittiert sind und sie daher keine überzeugende Militäroperation durchführen kann, oder sie muss zugeben, dass solche Vorfälle spontan, aber begrenzt sind. Beides sind schwierige Positionen. Eines ist sicher: Der Krieg hat begonnen.“ (3i)

Folgerichtig eskalierte der politische zu einem bewaffneten Konflikt. Etwas überspitzt gesagt, begann der Konflikt nach dem derzeit gängigen westlichen Narrativ jedoch erst im Jahr 2022 und sozusagen aus heiterem Himmel, nämlich nachdem Putin verrückt geworden war und russischen Truppen den Marschbefehl erteilte hatte. Man wählte mit Vorsatz imaginäre Motive, statt rationale, für jedermann prüfbare Gründe, um den Konsumenten diesen Krieg zu erklären.

Aber Fakt ist, dass es in den Jahren niemals einen „Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine“ gegeben hatte. Auch für einen von den „prorussischen Separatisten“ initiierten „Marsch auf Kiew“ finden sich keinerlei Indizien. Dafür gab einen „Marsch auf den Donbass“, einen von Kiew aus entfachten Bürgerkrieg, einen Krieg gegen die eigenen Bürger. Das waren Bürger, welche die Kiewer Putsch-Regierung mit ihrem ultranationalistischen, faschistoiden und extrem antirussischen Gebaren nicht zu akzeptieren bereit waren. Damit hatte Kiew allerdings auch jeden Anspruch auf „seine Bürger“ in der Ostukraine verloren. Und DAS ist Völkerrecht. Dass man eine Gewaltherrschaft nicht hinnehmen muss. Kiews Militärs würden dann auch die Bevölkerung des Donbass als Ganzes ins Visier nehmen, auch die Kinder im Donbass.

Natürlich hatte auch die Allee der Engel auf Wikipedia eine Seite. Im Laufe des Jahres 2022 wurde die Seite auf Wikipedia, sowohl in englischer als auch in deutscher Fassung kurzerhand gelöscht (a1, 2i, b1).

Der Beitrag war in obiger Form durch die bei Wikipedia verantwortlichen Wächter der zu veröffentlichenden Meinung bereits systematisch fragmentiert worden. So sah der Beitrag aus, bevor er regelrecht verhunzt und schließlich aus Wikipedia entfernt wurde:

Man vergleiche das nur mit dem bei Wikipedia aufgebauschten Eintrag zum angeblichen Massaker von Butscha, einer grotesken wie zynischen Inszenierung russischer Kriegsverbrechen (7).

Man löscht Botschaften, welche die eigenen Botschaften stören. Man versucht, Erinnerungen zu löschen, weil diese Erinnerungen störend sind (8). Also wecken wir diese Erinnerungen wieder auf. Der ungetrübte Blick auf die Vergangenheit ist unumgänglich, um die Gegenwart tatsächlich verstehen zu können.

„»Allee der Engel« ist ein Denkmal für die, seit 2014 ermordeten Kinder aus Donezk. Auf den Tafeln stehen heute 136 Namen. Dieses Denkmal wurde am 02. Juni 2017, dem Kindertag eingeweiht. Der Bildhauer Denis Saleznev hat diese Skulptur angefertigt. Im Rahmen eines von der Russischen Föderation organisierten internationalen Projektes wurden Kinderzeichnungen und Skizzen weltweit gesammelt. Daraus ist dann der Entwurf entstanden, der durch den Bildhauer umgesetzt wurden. Seit Beginn des Krieges im Donbass sind mittlerweile mehrere hunderte Kinder ums Leben gekommen. Wie schlimm muss es für die Eltern sein, die eigenen Kinder gehen zu sehen. Auch in anderen Städten des Donbass gibt es solche Denkmäler.“ (9)

Im Schmerz und im durch den Krieg verursachten Leid fühlten sich die Menschen beiderseits der russisch-ukrainischen Grenze von Beginn an verbunden. Das Leid der Zivilbevölkerung in der Ostukraine ist nicht nur authentisch, weil vor allem die russische Ethnie betroffen ist, sondern die Menschen auf beiden Seiten über Generationen hinweg sprachlich, familiär, beruflich und kulturell verbunden sind. Sie spüren sehr wohl, dass genau das, diese vielfältige Verbundenheit, zerstört werden soll.

Die russische Führung ist, wenn wir das anerkennen, überhaupt nicht so weit weg von den Menschen. Der Großteil der russischen Bevölkerung stimmt ihrer Führung zu, unterstützt sie sogar. Russlands Regierung hat nicht etwa Druck auf die Bevölkerung ausgeübt, damit diese die Intervention in der Ukraine akzeptiert. Vielmehr haben breite Schichten der russischen Gesellschaft von Moskau gefordert, endlich in den Krieg gegen die russische Ethnie in der Ostukraine einzugreifen. Tote Zivilisten, tote Kinder spielten dabei eine große Rolle. Und Russlands Präsident hat das in seinen Stellungnahmen mehrfach eindringlich zum Ausdruck gebracht. Das aber soll Thema eines gesonderten Artikels sein.

Bitte bleiben Sie achtsam, liebe Leser.


Anmerkungen und Quellen

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung — Nicht kommerziell Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden.

(a1) Die Informationen zur Löschung des Wikipedia-Eintrags zur Allee der Engel entnahm ich der Webseite Zukunft Freiburg, die leider seit einem Jahr nicht mehr online ist. Eine Reihe von auf dieser Webseite veröffentlichten Beiträgen ist noch im weltweiten Webarchiv verfügbar.

(1) 26.09.2022; Ostdeutsches Kuratorium von Verbänden e.V.; Falko Hartmann; Donezk — Zentralpark, Allee der Engel; https://web.archive.org/web/20221204001125/https://okv-ev.de/2022/09/26/donezk-zentralpark-allee-der-engel/

(2, 2i) 2022; Zukunft Freiburg; Die Allee der Engel; https://web.archive.org/web/20221227182006/https://zukunft-fr.de/die-allee-der-engel/

(3) 16.04.2014; Forbes; Melik Kaylan; Why CIA Director Brennan Visited Kiev: In Ukraine The Covert War Has Begun; https://www.forbes.com/sites/melikkaylan/2014/04/16/why-cia-director-brennan-visited-kiev-in-ukraine-the-covert-war-has-begun/

(4) 16.04.2014; Welt; André Eichhofer; Wie die CIA Kiew mit Geheim-Informationen hilft; https://www.welt.de/politik/ausland/article127038833/Ukraine-Wie-die-CIA-Kiew-mit-Geheim-Informationen-hilft.html

(5) 14.04.2014; Huffpost, Reuters; CIA Director John Brennan Visits Ukraine Amid Crisis; https://www.huffpost.com/entry/john-brennan-ukraine_n_5147869

(6) 31.07.2014; The Guardian; Trevor Timm; CIA director John Brennan lied to you and to the Senate. Fire him; https://www.theguardian.com/commentisfree/2014/jul/31/cia-director-john-brennan-lied-senate

(7) deutsche Wikipedia; https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Butscha; abgerufen: 23.10.2025

(8) 24.02.2023; tkp; Andrea Drescher; Wiederauferstehung toter Kinder — Danke Wikipedia!; https://tkp.at/2023/02/24/wiederauferstehung-toter-kinder-danke-wikipedia/

(9) 26.09.2022; Friedensbrücke — Kriegsopferhilfe e.V.; Besuch der „Allee der Engel“; https://fbko.org/?S=Berichte_Lage-Detail&lang=DE&D=EnB8PM5SnfFKzQEX

(b1) Allee der Engel, Donbass, Ukraine, Bürgerkrieg; deutsche Wikipedia; 2022 (vor Löschung des Eintrags); Bildschirmfoto

(b2) Allee der Engel, Donbass, Ukraine, Bürgerkrieg; deutsche Wikipedia; 2022 (vor Löschung des Eintrags); Quellen und Literaturnachweise

(Titelbild) Allee der Engel, Grabplatte, Denkmal, Donezk; 18.11.2015; Autor: Andrew Butko; https://web.archive.org/web/20220325174657mp_/https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2015-11-18._Аллея_ангелов_в_Донецке_03.jpg; Lizenz: GNU Free Documentation License 1.2

Von Ped

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