Das einmal im Jahr stattfindende Bilderberg-Treffen, auch Bilderberg-Konferenz genannt, gibt wenig von sich preis und begründet das mit der Privatheit der Veranstaltung. Dass diese Begründung absurd ist, das haben wir im ersten Teil dieser Artikelreihe schon festgehalten. Die seit einigen Jahren vorliegenden Teilnehmerlisten lassen jedoch durchaus Schlüsse auf Charakter und Ziele des Treffens zu. Nachdem wir im ersten Teil den Fokus auf die Vertreter der Finanzwelt legten, schauen wir nun auf die Realwirtschaft. Die ist nämlich ein unentbehrlicher Mitspieler für das Geschäftsmodell der Banken – und entsprechend bei Bilderberg’s vertreten.


Banken benötigen für ihr Geschäft als Kreditor natürlich die andere Seite, den Debitor. Neben der Gruppe privater Immobilienkäufer war das bis vor wenigen Jahrzehnten hauptsächlich die Realwirtschaft; entweder direkt oder über den Staat. Eine wachsende Wirtschaft finanzierte durch die damit verbundene ständig neue und höhere Kreditaufnahme die zusätzlich zu erbringenden Zinsen.

Der Zwang zum Wachstum der Realwirtschaft wird also nicht ausschließlich und auch nicht zwingend durch Gier, sondern durch Akzeptanz und Nutzung des Zinseszins-Systems der privaten Banken verursacht. Was beide Mitspieler – Finanz- wie Realwirtschaft – nicht wahr haben wollen, ist die Endlichkeit dieses Systems, die Erkenntnis, dass unendliches Wachstum nicht möglich ist und der Weg dahin in letzter Konsequenz katastrophal endet.

Ideologisch und charakterlich in ihrem Geschäftsmodell gefangen, versuchen die Akteure daher, dieses an allen Ecken und Enden bröckelnde System zu optimieren. Sie sitzen im Glashaus und sind offenbar unfähig, von außen auf das Ganze zu sehen. Sie versuchen ihr Gewinnspiel immer und immer weiter zu treiben und suchen ausschließlich im Rahmen des Spiels nach Lösungen. Das ist ein weiterer wichtiger Aspekt, warum bestimmte Vertreter bestimmter gesellschaftlicher Schichten, „privat“ bei einer Bilderberg-Konferenz ihre Gedanken austauschen.

Was wirklich auffällt, ist, dass diese Leute nicht strategisch denken. Sie haben einzig ihren Blickwinkel und definieren dessen Sicht als die Wahrheit, die für die gesamte Gesellschaft gelten muss. Sie sind Gefangene des eigenen Systems und nicht fähig, diese Situation zu erkennen – für sich zuzulassen. Sie sind im eigenen Egotismus gefangen. Aus diesem Grunde sind die erdachten Lösungen auch eher destruktiv, statt kreativ und dabei andere Sichten aufnehmend.

Was nun könnten Finanzeliten und Vertreter der Wirtschaft bei Bilderberger’s besprechen? Aus meiner Sicht liegt es auf der Hand, dass die Banker Kredite ausgeben möchten und die Wirtschaft Projekte sucht, in die sie investieren (was i.A. mit Kreditaufnahmen verbunden ist) und mittels welcher sie die Kredite nebst Zinsen rückzahlen und dabei Gewinn erzielen kann. So wie sie in ihrem ideologischen Käfig verharren, brauchen beide einander. Hinter ihnen stehen die Aktionäre und andere Investoren; große wie kleine, alle getrieben von ihrer Sehnsucht nach Rendite, manisch ausgerichtet, „ihr Geld arbeiten zu sehen“. Und damit zusätzlich Druck auf „ihr“ Unternehmen ausübend, diese Erwartungen um jeden Preis (im wahrsten Sinne des Wortes) zu erfüllen. Und das zwingt Firmen, auf die Suche nach neuen Märkten zu gehen, im In- und Ausland. Dieser Suche stehen gesellschaftliche Widerstände entgegen, die es zu brechen gilt – und deshalb bleiben Banker und Konzerne auch nicht unter sich…

Rohstoffe, Energie, Bau- und Hilfsstoffe

Mit Geld und Wirtschaft haben wir also die Akteure eines „reinen“, „idealen“ Kapitalismus beieinander. Schauen wir mal, welche Konzernvertreter die Einladung zu den Bilderberg-Konferenzen zwischen 2013 und 2015 annahmen. Um etwas Struktur zu bekommen, habe ich grob nach Branchen geordnet. Basis von Industrie sind vor allem Rohstoffe, vorneweg Öl, Gas und Kohle, aber auch Bauxit und Erze sowie der daraus erzeugte Strom und Rohmaterialien wie Stahl, Kunststoffe, Aluminium, Bau- und Zuschlagstoffe usw.

Unternehmen Branche (Rohstoffe, Baustoffe, Energie) Teilnehmer bei Bilderbergern von 2013-2015
BP plc
Öl und Gas Robert Dudley (2x), Carl-Henric Svanberg
Royal Dutch Shell plc Öl und Gas Henry Simon, Jorma Ollila (2x), Peter R. Voser, Ben van Beurden (2x)
Alcoa Aluminium Klaus Kleinfeld (3x)
S&B Industrial Minerals Mineralien Ulysses Kyriacopoulos
Techint Group Stahl Gianfelice Rocca (2x)
Michelin Group Gummi Jean-Dominique Senard
Norsk Hydro ASA Aluminium Svein Richard Brandtzæg (2x)
Saint-Gobain Baustoffe, Glas, Keramik Pierre-André de Chalendar
Cenovus Energy Inc. Energiekonzern Brian Ferguson
Scottish Power Energiekonzern John Kerr (2x)
Outokumpu Plc Öl und Stahl Jorma Ollila (s.o.)
Statkraft AS Energiekonzern Christian Rynning-Tønnesen
Titan Cement Co. Zement, Baustoffe Dimitri Papalexopoulos
OMV Austria Öl und Gas Gerhard Roiss
Cenovus Energy Inc. Öl und Gas Brian Ferguson

Die beiden weltgrößten Öl- und Gaskonzerne BP und Shell sind mit insgesamt neun von 26 Nominierungen angemessen vertreten. Mit OMV und Michelin findet man weitere bekannte Namen.

Einige Unternehmen mögen uns nicht geläufig erscheinen, sind aber in ihren Branchen Giganten. So beschäftigt Saint-Gobain als einer der weltgrößten Hersteller von Baustoffen, Industriekeramik, Glas und Spezialkunststoffen 180.000 Mitarbeiter. [1] Der griechische Konzern Titan Cement gehört zu den größten Herstellern von Zement und Zuschlagstoffen weltweit. [2] Alcoa aus den USA wiederum liegt auf Rang zwei in der Liste der weltgrößten Aluminiumhersteller. [3] Sein Vorstandsvorsitzender, der Deutsche Klaus Kleinfeld, führte von 2005 bis 2007 den Siemens-Konzern.

Der für Scottish Power angetretene John Kerr hat übrigens eine recht aufschlussreiche Biografie in Politik und Wirtschaft. Seit 1966 bis 2002 nahm er verschiedene Funktionen im Auswärtigen Amt der britischen Regierung wahr. [4] Anschließend führte er zwei Jahre den Europäischen Konvent, dessen Aufgabe die Erarbeitung einer Europäischen Verfassung war. [5][6] Danach wechselte er zwanglos zum Ölgiganten Shell, für den er sieben Jahre im Vorstand arbeitete. Zwischen 2005 und 2009 war er auch Mitglied der Fulbright-Kommission, welche Stipendiaten für das Fulbright-Programm auswählt, einem Programm welches zu großen Teilen vom US-Außenministerium finanziert wird. [7]

Nun arbeitet John Kerr zwar für einen schottischen Energiekonzern, ist aber durch seinen Werdegang eng mit der britischen, europäischen und US-amerikanischen Politik verbunden. Gerade letztgenanntes Fulbright-Programm ist eine typische Studieneinrichtung zum Heranziehen neuer Eliten. Und „Fulbright Alumni haben in der Vergangenheit Schlüsselrollen in Regierungen, Hochschulen und Industrie besetzt“ [8][9][10]:

  • 10 wurden als Mitglieder in den US Kongress gewählt (Stand 2012).
  • 31 wurden zu Regierungs- oder Staatschefs gewählt (Stand 2015).
  • 20 wurden Außenminister ihrer Länder (Stand 2012).
  • Boutros Boutros-Ghali wurde später UN-Generalsekretär  (Stand 2012).
  • Javier Solana wurde später NATO-Generalsekretär (Stand 2012).
  • 54 Absolventen aus 14 Ländern erhielten den Nobelpreis (Stand 2015).
  • 82 Absolventen erhielten den Pulitzer-Preis (Stand 2015).

Wir schweifen ab von der Privatwirtschaft, jedoch ist das nur logisch, denn immer wieder zeigen sich enge Verbindungen aus dieser in andere gesellschaftliche Schichten – gerade bei den ausgesuchten Teilnehmern der Bilderberg-Konferenz.

Verarbeitende Wirtschaft und Technologie

Schauen wir als nächstes auf die verarbeitende Industrie, ist das Ergebnis recht mager, nehmen wir den Sektor Technologien hinzu, sieht es dann schon anders aus:

Unternehmen Branche (Verarbeitung, Technologien) Teilnehmer bei Bilderbergern von 2013-2015
Telecom Italia S.p.A.
Telekommunikation Franco Bernabè
Heineken N.V. Brauerei Jean François van Boxmeer
BAE Systems plc Rüstung Sherard Cowper-Coles
Rolls-Royce plc Triebwerke, Automobilbau Ian Davis
EADS Rüstung, Luft- u. Raumfahrt
Thomas Enders
Haldor Topsøe A/S Chemie, Energie Ulrik Federspiel (3x), Henrik Topsøe
Inditex Group Textilien Pablo Isla
Bilfinger SE Bau, Industrieanlagen, Dienstleistungen Roland Koch
Siemens AG Industrieanlagen, Elektro, Kraftwerksanlagen Peter Löscher, Joe Kaeser
Novartis AG Pharma Daniel L. Vasella (2x)
Carlsberg Group Brauerei Flemming Besenbacher
Saab AB Flugzeugbau, Rüstung Håkan Buskhe
Fiat S.p.A. Automobilbau John Elkann (2x)
Airbus Group Rüstung, Luft- u. Raumfahrt Thomas Enders (2x)
Volvo AB Automobilbau Carl-Henric Svanberg
Umoe Schiffbau Jens Ulltveit-Moe
F. Hoffmann-La Roche Ltd Pharmakonzern Christoph Franz
Siemens Austria Elektro, Kraftwerksanlagen, Industrieanlagen Wolfgang Hesoun
Syngenta Biotechnologie, Pflanzenschutz Martin Taylor
RyanAir Plc Fluggesellschaft Michael O’Leary
Kone Aufzugsanlagen, Fahrtreppen
Matti Alahuhta
Höegh Autoliners AS Reederei (Gastanker, Kfz)
Leif O. Høegh, Westye Høegh
Klaveness Marine Holding AS
Logistik Matti Alahuhta

Die IT-und Telekommunikations-Branche ist hier nicht berücksichtigt. [a1] Auffallend ist der hohe Anteil skandinavischer Unternehmen (immerhin acht von 23). Bilderberg-Teilnehmer Carl Henric Svanberg wechselte als Manager von BP zu Volvo, seine Verbindungen vom Ölkonzern mitnehmend zu einem Autombilbauer.

Aber es gibt zwei weitere bemerkenswerte Persönlichkeiten unter den 31 Repräsentanten, die uns den Grad an Vernetzung erahnen lassen. Der den Fiat-Konzern vertretende John Elkann steht gleichzeitig der Holding-Gesellschaft Exor vor, die mehrheitlich den Agnellis gehört [11]. Die Familie Agnelli ist Mitbegründer und Hauptbesitzer auch des Fiat-Konzerns [12]. Was Exor so interessant macht, ist aber auch dessen 43-prozentige Beteiligung an der Economist-Gruppe. [13] Dieser Zeitschriften-Verlag ist bekannt durch seine gleichnamige politische Zeitschrift – und wird uns beim Defilee an den Bilderbergern vorbei noch mehrmals begegnen.

Am 4.August 2014 überraschte der Bau- und Industriekonzern Bilfinger mit der Nachricht, dass dessen Vorstandsvorsitzender vier Tage später das Unternehmen verlassen wird. Der Name des Geschassten: Roland Koch; zwei Monate zuvor Teilnehmer der Bilderberger-Konferenz in Kopenhagen und früherer Ministerpräsident des Landes Hessen. Sein fürstliches Jahresgehalt von 2,35 Millionen Euro bezog Koch trotzdem noch bis zum Vertragsende im Februar 2016 weiter. [14] Hier hatte sich die „Investition“ des Konzerns in einen Politiker offenbar nicht ausgezahlt. Der trotzdem weich fiel, bekam er doch schon im März 2015 den Posten eines Aufsichtsrates bei Vodafone. Doch was wir immer wieder erkennen, ist diese Nähe von Eliten aus Finanzen und Wirtschaft zur Politik und deren Affinität für Annäherungsversuche aus jener Richtung.

Hinter den Technologiekonzernen steht u.a. auch der Rüstungssektor. Und dabei überraschte mich: Bei drei aufeinander folgenden Bilderberg-Treffen repräsentierte nicht ein einziger Vertreter direkt ein Unternehmen der US-amerikanischen Hochtechnologie und Rüstungsindustrie. Und nur 2013 war auch der europäische Rüstungssektor mit dem britischen BAE-Konzern und dem deutsch-französisch dominierten EADS-Konzern nennenswert vertreten. Die allerdings sind riesig, es handelt sich um die beiden größten Rüstungskonzerne Europas. Ein Jahr zuvor scheiterte übrigens eine Fusion beider Unternehmen und damit die Entstehung eines neuen weltgrößten Rüstungskonzerns. BAE hat zudem Beteiligungen an US-Rüstungsunternehmen wie Boeing und Lockheed-Martin und ebenso Anteile an den europäischen Konzernen Saab und Rolls-Royce. 2014 firmierte EADS um in Airbus Group SE; das Unternehmen ist mit Thomas Enders als Stammgast bei der Bilderberger-Konferenz. [15] Außerdem war auffällig: Bis auf Rolls-Royce, Volvo und Fiat wurden auch keine Vertreter der großen europäischen Automobilhersteller eingeladen (oder nahmen mglw. die Einladung nicht an).

Zwischenfazit

Fassen wir das in den ersten zwei Artikeln Untersuchte zusammen, stellen wir fest: Die Menschen, die zu Bilderberger-Konferenzen eingeladen werden, vertreten Branchenführer, Marktführer, oft die Größten ihres Geschäftsfeldes. Das trifft für den Finanzsektor (83 Teilnehmer) ebenso zu wie für die klassische Realwirtschaft (mit 57 Teilnehmern). [a2]  Es ist völlig klar, dass die im Rahmen des gelebten Systems anerkannte Marktmacht gefestigt und ausgeweitet werden soll, anders hätten die monopolartigen Strukturen der heutigen Wirtschaftswelt auch nicht entstehen können. Die Vertreter dieser Gilde; eingeladen von Vertretern dieser Gilde, treffen sich deshalb auch nie und nimmer zum gemütlichen, privaten Plauderstündchen bei Bilderberger´s, um über die Verbesserung der Welt zu beraten. Sie loten bei einem solchen Treffen neue Möglichkeiten zur gewinnbringenden Verwertung ihres Kapitals aus. Und dabei haben wir einige wichtige gesellschaftliche Gruppen noch gar nicht betrachtet. Von der Logik her sehe ich es so, dass Finanz- und Wirtschafts-Mächtige schon vor langer Zeit erkannt haben, dass es unerlässlich ist, diese Gruppierungen mit in´s Boot zu holen, wenn das Gewinnspiel noch eine Weile weitergehen soll. Dazu mehr im Folgeartikel.


Teil 1 <<< Stippvisiten bei den Bilderbergers >>> Teil 3

Anmerkung

[a1] Die Bereiche Informations-Technologie und Telekommunikation werden im dritten Teil dieser Artikelreihe untersucht.

[a2] „Klassische Realwirtschaft“ dient einzig der strukturierten Analyse im Rahmen dieser Artikelreihe und soll eine Unterscheidung zu den „neuen“ Industrien im Bereich Informations-Technologie und Telekommunikation herstellen.

Quellen

[1] 22.5.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Compagnie_de_Saint-Gobain

[2] 22.5.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Titan_Cement

[3] 22.5.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Alcoa

[4] 22.5.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/John_Kerr,_Baron_Kerr_of_Kinlochard

[5] 22.5.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Konvent

[6] 22.5.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_%C3%BCber_eine_Verfassung_f%C3%BCr_Europa

[7][8] 23.5.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Fulbright-Programm

[9] 23.5.2016; http://bolivia.usembassy.gov/educational_exchange/fulbright-scholars.html

[10] 23.5.2016; https://eca.state.gov/fulbright/fulbright-alumni/notable-fulbrighters

[11] 23.5.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Exor

[12] 23.5.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Fiat_%28Marke%29

[13] Fiat-Erben stocken Anteil am Economist auf; 12.8.2015; http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/fiat-erben-stocken-anteil-am-economist-auf-a-1047813.html

[14] Bilfinger zahlt Roland Koch Millionengehalt weiter; Michael Gassmann; 5.8.2014; http://www.welt.de/wirtschaft/article130916291/Bilfinger-zahlt-Roland-Koch-Millionengehalt-weiter.html

[15] 25.5.2016; https://de.wikipedia.org/wiki/Airbus_Group

[Allgemein]

Teilnehmerliste – Bilderberg-Treffen 2013; http://www.bilderbergmeetings.org/participants2013.html

Teilnehmerliste – Bilderberg-Treffen 2014; http://www.bilderbergmeetings.org/participants2014.html

Teilnehmerliste – Bilderberg-Treffen 2015; http://www.bilderbergmeetings.org/participants2015.html

[Titelbild] Quelle: peds-ansichten.de; Lizenz: Public Domain

Von Ped