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Nach meinen Informationen wurde die zweite Runde der neu aufgenommenen Verhandlungen in Istanbul komplett in Englisch geführt. „Das Memorandum der Russischen Föderation versteht sich als umfassender Vorschlag, mit dem ein langfristiger Frieden oder zumindest ein Waffenstillstand erreicht werden soll. Das Dokument hat nicht den Charakter eines Ultimatums.“, sagte der Leiter der russischen Verhandlungsgruppe, Wladimir Medinski.


Vollständiger Text des Memorandums

Abschnitt I — Die wichtigsten Parameter der endgültigen Regelung:

  • Völkerrechtliche Anerkennung der Eingliederung der Krim, der LPR [Lugansker Volksrepublik], der DVR [Donezker Volksrepublik], der Regionen Saporoschje und Cherson in die Russische Föderation; der vollständige Rückzug der Einheiten der Streitkräfte der Ukraine und anderer paramilitärischer Formationen der Ukraine aus ihrem Gebiet;
  • Neutralität der Ukraine, was die Ablehnung des Beitritts zu Militärbündnissen und -koalitionen sowie das Verbot jeglicher militärischer Aktivitäten von Drittstaaten auf dem Hoheitsgebiet der Ukraine (einschließlich der Stationierung ausländischer militärischer Verbände, Militärbasen und militärischer Infrastruktur) einschließt;
  • Beendigung und Weigerung, in Zukunft internationale Verträge und Abkommen zu schließen, die mit den Bestimmungen dieses Abschnitts unvereinbar sind;
  • Bestätigung des Status der Ukraine als Staat, der nicht im Besitz von Kernwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen ist, mit der Festlegung eines Verbots ihrer Annahme, Durchfuhr und Stationierung im Hoheitsgebiet der Ukraine;
  • Festlegung der Höchstzahl der Streitkräfte der Ukraine und anderer militärischer Formationen der Ukraine, der Höchstzahl der Waffen und der militärischen Ausrüstung sowie ihrer zulässigen Eigenschaften;
  • Auflösung der ukrainischen nationalistischen Formationen innerhalb der Streitkräfte der Ukraine und der Nationalgarde;
  • Gewährleistung der vollen Rechte, Freiheiten und Interessen der russischen und russischsprachigen Bevölkerung, wobei die russische Sprache den Status einer Amtssprache erhält;
  • gesetzliches Verbot der Verherrlichung und Propaganda von Nazismus und Neonazismus, Auflösung nationalistischer Organisationen und Parteien;
  • Aufhebung aller bestehenden und Ablehnung der Einführung neuer Wirtschaftssanktionen, Verbote und restriktiver Maßnahmen zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine;
  • Lösung einer Reihe von Fragen im Zusammenhang mit Familienzusammenführung und Vertriebenen;
  • Verzicht auf gegenseitige Ansprüche im Zusammenhang mit Schäden, die bei militärischen Operationen entstanden sind;
  • Aufhebung der Beschränkungen für die UOC [Ukrainische Orthodoxe Kirche];
  • schrittweise Wiederherstellung der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen (einschließlich des Gastransits), des Verkehrs und anderer Kommunikationsmittel, auch mit Drittländern.

Abschnitt II — Waffenstillstandsbedingungen

Option 1:

Beginn des vollständigen Rückzugs der Streitkräfte der Ukraine und anderer paramilitärischer Formationen der Ukraine aus den Gebieten der Russischen Föderation, einschließlich der DVR [Donezker Volksrepublik], der LVR [Lugansker Volksrepublik], der Regionen Saporoschje und Cherson, und ihr Rückzug bis zu einer von den Parteien vereinbarten Entfernung von den Grenzen der Russischen Föderation in Übereinstimmung mit der genehmigten Verordnung.

Option 2 — „Paketangebot“:

  • Verbot der Verlegung der Streitkräfte der Ukraine und anderer paramilitärischer Formationen der Ukraine, mit Ausnahme von Bewegungen zum Zwecke des Rückzugs in eine von den Parteien vereinbarte Entfernung von den Grenzen der Russischen Föderation;
  • Beendigung der Mobilisierung und Beginn der Demobilisierung;
  • Beendigung der ausländischen Lieferungen von Militärgütern und der ausländischen Militärhilfe an die Ukraine, einschließlich der Bereitstellung von Satellitenkommunikationsdiensten und nachrichtendienstlichen Daten;
  • Verhinderung der militärischen Präsenz von Drittländern im Hoheitsgebiet der Ukraine, Beendigung der Beteiligung ausländischer Spezialisten an militärischen Operationen auf Seiten der Ukraine;
  • Garantien, dass die Ukraine auf Sabotage und subversive Aktivitäten gegen die Russische Föderation und ihre Bürger verzichten wird;
  • Einrichtung eines bilateralen Zentrums zur Überwachung und Kontrolle des Waffenstillstandsregimes;
  • Amnestie für Inhaftierte („politische Gefangene“) und Freilassung der inhaftierten Personen;
  • Aufhebung des Kriegsrechts in der Ukraine.

Abschnitt III — Abfolge der Schritte und Zeitrahmen für ihre Durchführung

  • Beginn der Arbeit am Text des Abkommens;
  • Ausrufung eines zwei- bis dreitägigen Waffenstillstands, um die Leichen der Toten in der „Grauzone“ einzusammeln;
  • einseitige Überführung von 6.000 Leichen ukrainischer Militärangehöriger an die Streitkräfte;
  • Unterzeichnung eines Memorandums über den Waffenstillstand mit konkreten Terminen für die Umsetzung aller seiner Bestimmungen und Festlegung des Termins für die Unterzeichnung des künftigen Vertrags über die endgültige Regelung (im Folgenden „Vertrag“ genannt);
  • ab dem Zeitpunkt des Beginns des Rückzugs der ukrainischen Streitkräfte wird ein 30-tägiges Waffenstillstandsregime eingeführt. Gleichzeitig müssen innerhalb dieser 30 Tage der vollständige Rückzug der ukrainischen Streitkräfte aus dem Hoheitsgebiet der Russischen Föderation und die vollständige Umsetzung der „Paketvereinbarung“ erfolgen;
  • Durchführung von Wahlen und Bildung von Regierungsorganen auf dem Territorium der Ukraine;
  • Unterzeichnung des Abkommens;
  • Genehmigung des unterzeichneten Vertrags durch eine rechtsverbindliche Resolution des UN-Sicherheitsrats;
  • Ratifizierung, Inkrafttreten und Umsetzung des Vertrags (a1, 1).

Es finden sich alle Forderungen wieder, welche Russland als Gründe für seine Militäroperation in der Ukraine bereits im Jahre 2021/22 genannt hatte: Demilitarisierung der Ukraine (zu einem neutralen Staat), „Denazifizierung“ (Abkehr vom extremen faschistoiden, russophoben Nationalismus) und damit untrennbar verbunden Schutz der russischen Ethnie in der Ukraine. Allerdings sind nunmehr, und das als Ergebnis des militärischen Konflikts mit der NATO-Ukraine, weitere Bedingungen hinzugekommen.

Wie üblich in solchen Fällen erfährt der deutsche massenmediale Leser natürlich nicht den Inhalt des Dokuments. Erst recht nicht in einer übersetzten, leicht zugänglichen Fassung. Stattdessen wird ihm eine frisierte, konnotierte und selbst kommentierte Variante, eine Interpretation vorgelegt (2). Der mündige Bürger wird von ARD und Co. nicht wahrgenommen.

Bitte bleiben Sie schön aufmerksam, liebe Leser.


Anmerkungen und Quellen

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung — Nicht kommerziell Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er — einschließlich der Primärquelle — gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden.

(a1) Die Übersetzung erfolgte unter Zuhilfenahme von DeepL.com.

(1) 02.06.2025; Reporter; Full text of tough memorandum handed over to Kyiv by Russia published; https://en.topcor.ru/60578-opublikovan-polnyj-tekst-zhestkogo-memoranduma-peredannogo-rossiej-kievu.html; in eckige Klammern gefasste Anmerkungen wurden zum besseren Verständnis durch den Autor hinzugefügt

(2) 02.06.2025; ARD-Tagesschau; Russland stellt Maximalforderungen an die Ukraine; https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-russland-verhandlungen-124.html

(Titelbild) Ukraine, NATO, Flagge; Autor: Wilfried Pohnke (Pixabay); 15.04.2022; https://pixabay.com/photos/nato-ukraine-flag-solidarity-7131948/; Lizenz: Pixabay License

Von Ped

4 Gedanken zu „Russisches Memorandum zur Beendigung des Ukraine-Konflikts“
  1. Danke Ped! In der Tat ein wichtiges Dokument, über das sich selber ein Urteil zu bilden dem deutschen Konsumenten von Regimemedien weitgehend vorenthalten wird. Ein Link zum Originaltext fehlt dort natürlich immer – fehlende direkte Quellenangaben (außer gelegentlich lapidare Verweise auf Presseagenturen) sind ja dort ohnehin die Norm; als ob die Erfindung des Webs mit Hyperlinks irgendwie ausgerechnet bei „journalistischen“ Inhalten nicht nutzbar zu machen wäre; _nicht_ auf unsere offiziellen „Feinde“ zu verlinken ist dann natürlich so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber eine vollständige Übersetzung ist natürlich noch wichtiger, und die fehlte (bisher) erst recht.

    .

    Bei dem genannten Bericht der „Tagesschau“ sehe ich (neben den vielen Auslassungen und der üblichen Dekontextualisierung) sofort zwei offensichtliche Lügen:

    .

    1. Es wird der Beginn des ukrainischen Rückzugs mit dessen vollständigen Abschluß ersetzt (was ja viel schwerer erfüllbar wäre):
    > Damit eine „30-tägige Waffenruhe“ in Kraft treten könne, sei ein „vollständiger Rückzug“ der ukrainischen Streitkräfte […] notwendig, heißt es in dem Papier.

    .

    2. Es wird behauptet, die russischen Forderungen (zu den Bedingungen eines dauerhaften Friedens) wären unannehmbar für die Ukraine, obwohl doch drei Jahre zuvor ein Großteil der exakt gleichen Forderungen von der ukrainischen Seite laut Zeugen von allen Seiten angenommen worden war. Und was die hinzugekommenen Forderungen auf Anerkennung des Beitritts der Krim und der vier Frontregionen zur Russischen Föderation per Volksabstimmung angeht: Selbst die heutigen Forderungen der ukrainischen Gegenseite verlangen ja gar keinen Rückzug der Russen aus diesen Gebieten:
    > Die in dem Memorandum genannten Forderungen Russlands waren von der Ukraine in der Vergangenheit bereits wiederholt abgelehnt worden.

    .

    Interessanter Weise werden anscheinend beide Lügen von so ziemlich allen deutschen Medien auch weitergereicht – wie von Zauberhand. Auch die Einheitlichkeit der Redeweise von den „Maximalforderungen“ erstaunt – wo man doch als Leser zumindest vergessen haben müßte, daß uns bisher die Absichten der Russen immer als auf Unterwerfung oder Eroberung der _gesamten_ Ukraine angelegt verkauft worden sind.

  2. Beim Überfliegen Ihrer Zeilen, Ped, las ich erst dies:
    „Wie üblich in solchen Fällen erfährt der deutsche, massenmediale „Loser“ natürlich nicht den Inhalt des Dokuments.“
    Passt, finde ich.
    Im Übrigen benimmt sich der Kiewer Clown gewohnt infantil und Teile seiner Bande sind einmal mehr bei Trump auf Lügen- und Betteltour. Ob sie bereits realisiert haben, dass ihre Hütte lichterloh brennt?
    Letztendlich heisst es auch hier, wie bestellt, so geliefert: Wenn nicht über 5 jetzt zu Russland gehörende Gebiete geredet wird (zu verhandeln gibt es da nichts mehr), dann halt später über 6 oder 8 Gebiete. So formulierte es der russische Verhandlungsführer Wladimir Medinski bereits am Schluss des ersten Treffens in Istanbul.
    Irgendwie interessant, wie die Kokser Koalition, der NATO-Lautsprecher bis hin zu Trump immer noch der Ansicht sind, sie könnten irgend etwas bestimmen. Sie müssen die einzige Regel wieder lernen:
    The winner takes it all.

  3. Präzisiere: das Memorandum der Ukrainischen Seite, S. 2, lautet bezüglich der Gebietsabtretungen genau [1]:
    > Von Rußland seit dem Jahr 2014 gemachte Gebietsgewinne werden von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt. Die [gegenwärtige] Kontaktlinie ist der Ausgangspunkt für Verhandlungen. Territorialkonflikte werden erst nach einem vollständigen bedingungslosen Waffenstillstand diskutiert.

    .

    Also sie verlangen zwar tatsächlich _nicht_ den russischen Abzug als Vorbedingung für irgendwas, sondern wollen darüber erst noch verhandeln. Aber bei den anderen russischen Kernforderungen (Neutralität, NATO-Mitgliedschaft, Demilitarisierung) sind sie nach drei Jahren verlustreichen Krieges inkompatibel, also in Richtung Westen geschwenkt.

    .

    Was das Herumreiten auf dem bedingungslosen 30-tägigen Waffenstillstand als Vorbedingung für alles andere angeht: Eigentlich hatte der „Wertewesten“ sich ja diesbezüglich schon verraten, als am 20. Mai der belgische Kriegsminister, Theo Francken, am Rande eines Treffens des „Rates für Auswärtige Angelegenheiten“ der EU den Kameras erklärte:
    > Es gibt eine Arbeitsgruppe der Koalition der Willigen, und die entwickelt unter der Führung der Briten und Franzosen in enger Zusammenarbeit einen Plan. In dem Moment, wo es einen Waffenstillstand gibt, können wir sofort mit der Koalition der Willigen auf Ukrainischem Boden operieren.

    .

    Zu dumm, daß die Russen diese Falle schon vorher erkannt haben!

    .

    1: https://x.com/ChristopherJM/status/1929498190488678549/photo/2

    2: https://tass.com/world/1960569, https://www.youtube.com/watch?v=hcRfPTRDL18

  4. Im Prinzip ‚verraten‘ haben sich die westlichen Parteien, (spätestens) als 2014 eine gewisse ‚Siegerin‘ dem US-Botschafter in der Ukraine ins Telefon sprach, wie die Regierung nach dem illegalen Putsch auszusehen habe. Und mit illegalem Putsch meine ich nicht die ‚Maidan-Bewegung‘.
    .
    Oder als sie in selbigem Gespräch selbigem Botschafter darlegte, das man nun 5 Milliarden Dollar in die Ukraine investiert hätte (über mehrere Jahre; das müssen im wesentlichen Gelder gewesen sein, die über US-AID und Derivate davon geflossen sein müssen) und die nicht einfach abschreiben würde.
    .
    Oder daran, dass sie zusammen mit dem CIA-Chef in die Ukraine reiste um dort auf dem ‚Maidan‘ Kekse zu verteilen.
    .
    Was sagte die Tagesschau dazu?
    Die Siegerin ist echt ungehobelt. Die hat doch tatsächlich ‚fuck the EU‘ gesagt. Und das als Amerikanerin!
    Warum hat sie das gesagt? Keine Ahnung, das kam nicht in der Tagesschau. (kleiner Scherz ;- )
    .
    Mein Punkt ist der: wenn das obige nicht ausreicht, um ein klares Bewusstsein dafür zu schaffen, was in der Ukraine passiert, wie sollen Details von Waffenstillstandsverhandlungen das leisten? Die sind ihrer Natur nach unübersichtlich.
    Und das deutsche Publikum ist ja noch nicht einmal die Zielgruppe, auf das die russische Strategie abzielt.
    .
    Auf das deutsche Publikum zielte dagegen „Wir hatten nie vor Minsk umzusetzen. Es ging immer nur darum, der Ukraine Zeit zu verschaffen, um sich auf den russischen Angriff vorzubereiten.“
    .
    Wir sind freilich weder Zielgruppe der Kanzlerin*innen noch der Tagesschau.
    Darum Dankeschön für die Übersetzung der Memoranden und die Kommentare.

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