Wer sich in einem Machtsystem durchsetzen will, muss seine Schritte zuvor gut durchdenken.


Wenn Macht sich verschiebt, geht es zu wie in einer Schlangengruppe. Dort die Rivalen auf Abstand zu halten, sie zu verwirren und zu lähmen, ist Grundvoraussetzung, um überhaupt handlungsfähig zu werden. Glaubt man, voller Enthusiasmus politische Ziele angehen zu dürfen, ohne das Erstgenannte ausreichend berücksichtigt zu haben, dann wird man den Kennedy-Effekt zu spüren bekommen. Ein „verwirrter Einzeltäter“ wird mit einem Schlag all die guten Vorsätze mit dem Opfer mitbegraben.


Regelmäßig treffen wir auf den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit wie auch den zwischen Worten und Taten. Besser gesagt, entwickeln sich solche Widersprüche in unseren Köpfen.

Den Ukraine-Konflikt wollte Donald Trump innerhalb von 24 Stunden beenden. Hat er gesagt. Der Krieg läuft mit unverminderter Intensität weiter. Der Krieg Israels gegen die Palästinenser in Gaza läuft ebenfalls weiter — mit wachsender Brutalität, mit einem Vielfachen an zivilen Opfern im Vergleich zum Krieg in der Ukraine. Trump hat das Blutvergießen auch in Palästina nicht beenden können. Gegen China hat er offensichtlich einen Zollkrieg angezettelt, um unvermittelt wieder einzulenken. Alles spricht dafür, dass Trump nur ein Schaumschläger und ein schwacher Präsident ist.

Ist Trump realitätsfremd oder sind wir es? Was wir glauben, ist oft nicht das, was ist, sondern eben das, was wir auch glauben sollen. Oder auch — wie es ein guter Freund beschrieb: Die Ursache für die Verwirrung liegt im Auge des Betrachters. Bei all unserem Anspruchsdenken vergessen wir zum Beispiel die Schlangengrube, in der sich John F. Kennedy nicht zu behaupten wusste. Seine Popularität schützte ihn nicht vor seinen Feinden. Die formal enorme Macht des US-Präsidenten kollidiert allzu oft mit seiner weit weniger starken praktischen Macht. Und Mut allein genügt nicht, um im Machtkampf zu bestehen. Trump geht diesbezüglich neue Wege, indem er „seine“ Zielgruppen zweckgerichtet anspricht und dafür die Medien und ihr Blasendenken benutzt.

Bislang haben weder die Zielgruppen noch die hörigen Medien wirklich verstanden, was Trump da veranstaltet. Und wenn sie es verstanden haben sollten (was ich für wenig wahrscheinlich halte), dann haben sie bisher einfach keine Mittel gefunden, dem entgegen zu treten. Einen Trump auszukontern, der den Weg für J. D. Vance, den aktuellen Vizepräsidenten, ebnet. Für Vance ist die Zeit noch nicht reif. Wäre er heute in der Position von Trump, dann könnte ihn rasch das Schicksal von Kennedy ereilen. Vance lernt gerade bei Trump, wie man sich im Politikbetrieb behauptet und gleichzeitig aktiv Politik mitgestaltet.

Der von Brüssel aus arbeitende politische Analyst Gilbert Doctorow hat sich auf seinem Blog mit dem Mut oder Nicht-Mut des Donald Trump befasst. Im Folgenden sei ein längerer Abschnitt aus dem entsprechenden Text zitiert:


Donald Trump als schwach zu bezeichnen, ist völlig falsch. Vor einer Woche [Mitte Mai 2025] hörten wir alle, wie Trump in Saudi-Arabien sprach und damit die gesamte von den Neokonservativen gelenkte US-Außenpolitik der letzten 30 Jahre sowohl unter demokratischen als auch unter republikanischen Regierungen in Stücke schnitt. Er lobte die Saudis für ihren beeindruckenden Wohlstand und sagte, dass dies auf ihre eigenen Bemühungen zurückzuführen sei, nicht auf die „Nation Building“-Politik der US-Regierung in den letzten Jahrzehnten, die überall dort, wo sie angewandt wurde, nur Zerstörung und Tod gebracht habe.

Alles, was Trump getan hat, um die von Neokonservativen dominierten Geheimdienste in Washington zu enthaupten, USAID zu schließen, den Verwalter von Regimewechsel-Programmen, die von der CIA ausgearbeitet und finanziert werden, zu schließen, die woke und ideologisch motivierte Förderung jeder seltsamen Minderheit in den Streitkräften und im Pentagon zu unterbinden — all diese Aktionen zeugen von der Art von Mut eines US-Präsidenten, die wir seit einem Jahrhundert nicht mehr erlebt haben. Und Scott Ritter nennt diesen Mann „schwach“!

Ganz zu schweigen von dem spontanen Mut, den er während des Attentats auf sein Leben während einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania an den Tag legte. Nachdem eine Kugel sein Ohr gestreift hatte, stand er auf, fuchtelte mit der Faust und schwor, den Kampf fortzusetzen.

Was ich damit sagen will, ist, dass die alternativen Medien oft genauso gegen Trump sind wie die Mainstream-Medien. Sie wollen nicht glauben, dass ein US-Präsident etwas Gutes tun kann oder dass er wissen kann, was er tut. Sie bestehen darauf, dass die letzte Person, die sein Ohr hat, diktiert, was er als nächstes sagen wird, und sie weigern sich zu sehen, wie der Präsident Verwirrung stiftet, nicht weil er verwirrt ist, sondern weil dies seine Feinde in Schach hält. Diese Feinde glauben alle fälschlicherweise, dass sie mit einer weiteren Anstrengung Trump auf ihre Seite bringen können.

Ich bestehe darauf, dass Trumps Versagen, gegen den israelischen Völkermord zu sprechen oder zu handeln, durch realistisches, wenn auch zynisches politisches Kalkül erklärt werden kann. Das ist das Kalkül, das Machiavelli vor mehr als fünfhundert Jahren für uns beschrieben hat, und es ist in vielen Machthallen dieser Welt immer noch wirksam.

In der Außenpolitik hat Donald Trump es zu seiner obersten Priorität gemacht, den Krieg in der Ukraine zu beenden und gleichzeitig die normalen zwischenstaatlichen Beziehungen zu Russland wiederherzustellen. Dies war und ist ein Ziel, das auf dem Capitol Hill keine Mehrheit genießt.

Um in diesem Punkt zu gewinnen, der von entscheidender Bedeutung ist, um zu verhindern, dass der Stellvertreterkrieg zu einem heißen Krieg zwischen dem kollektiven Westen und Russland wird, der in einem nuklearen Schlagabtausch endet, der uns alle tötet, brauchte Trump die Unterstützung der zionistischen Mehrheit in beiden Parteien. Hätte er in Bezug auf den Völkermord durch Israel „das Richtige getan“, hätte er dieses übergeordnete außenpolitische Ziel sofort geopfert.

Aus dem gleichen Grund würde er, wenn er zu Beginn seiner Amtszeit das Richtige in Bezug auf Israel getan hätte, sein innenpolitisches Programm zum Scheitern verurteilen, einschließlich seines Haushaltsgesetzes, das auch heute noch am seidenen Faden hängt (1).

Bitte bleiben Sie schön aufmerksam, liebe Leser.


Anmerkungen und Quellen

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung — Nicht kommerziell — Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen — insbesondere der deutlich sichtbaren Verlinkung zum Blog des Autors — kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei internen Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden.

(1) 22.05.2025; Gilbert Doctorow; Scott Ritter on ‚Judging Freedom‘, 21 May 2025; https://gilbertdoctorow.com/2025/05/22/scott-ritter-on-judging-freedom-21-may-2025/; Hervorhebungen im Zitat wurden durch den hiesigen Autor vorgenommen

(Titelbild) Schuh, Schraube, Falle, Gefahr; Autor: Ralphs_Fotos (Pixabay); 23.06.2017; https://pixabay.com/de/photos/sicherheitsschuh-arbeitsschutz-2432467/; Lizenz: Pixabay License

Von Ped

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert