Einige neue und im Grunde doch alte Fragen zur Befüllung des Informationsraumes durch die ARD
Populismus spielt im massenmedial kontrollierten Informationsraum eine große Rolle, sowohl als Phänomen wie auch in der freigiebigen Verwendung als Kampfbegriff. In Tschechien finden dieser Tage Parlamentswahlen statt (1). Für die ARD-Tagesschau berichtet seit 2019 ihr Auslandskorrespondent Danko Handrick aus Prag. Sein Bericht zu den aktuellen Wahlen im Nachbarland wirft eine ganze Reihe von Fragen auf. Fragen, die möglicherweise auch für die Leserschaft interessant sind. Kann Herr Handrick sich diesen Fragen stellen?
Der Autor sucht — den Stammlesern ist das natürlich bekannt — nicht zum ersten Male den Kontakt zur ARD-Tagesschau. Und zwar im Sinne einer dringend notwendigen in Gang zu kommenden Sachdiskussion mit Menschen. Sie, die Menschen (2) sind es schließlich, die am Ende dem Sender sein Gesicht geben.
An: publikumsservice’at’tagesschau.de, gremienbuero-beschwerden’at’ndr.de
Betreff: Berichterstattung Parlamentswahlen in Tschechien — zu Händen Herr Danko Handrick
Guten Tag, Herr Handrick,
mit Interesse habe ich bei der ARD-Tagesschau Ihren Bericht aus Prag zu den aktuellen Parlamentswahlen in Tschechien gelesen (3). Auch deshalb, weil ich mich im Bericht mit einer ganzen Reihe von Widersprüchlichkeiten konfrontiert sah, die Sie vielleicht auflösen können. Im Folgenden zitiere ich ausführlich aus Ihrem Bericht und stelle dazu konkrete Fragen. Gleich eingangs schreiben Sie:
„Zwei Tage lang stimmen die Tschechen über ein neues Parlament ab. Umfragen sagen einen Sieg der populistischen ANO-Bewegung des Agro-Milliardärs Babis voraus. Das könnte Folgen nicht nur für die EU haben.“ (3)
Deren Verbindungen zur Wirtschaft und damit verbundenen potenziellen Interessenkonflikten zu benennen, wenn es um Politiker geht, halte auch ich für einen notwendigen Kontext. Ihnen ist offensichtlich wichtig, herauszustellen, dass Babis ein Oligarch ist. Allerdings: Würden Sie, Herr Handrick, so Sie über politische Auftritte des derzeitigen deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz fabulierten, auch den Blackrock-Millionär Merz der populistischen CDU herausstellen? Beispiele in Hülle und Fülle über die wirtschaftliche und finanzielle Verquickung hoher Politiker sind über das gesamte Parteienspektrum hinweg zu finden — in Tschechien wie in Deutschland. Warum also ist das im Falle von Andrej Babis für Sie so wichtig?
Was genau lässt es Sie außerdem notwendig erscheinen, der ANO-Bewegung das Prädikat populistisch voranzustellen? Oder meinen Sie, dass Populismus ein Alleinstellungsmerkmal von, wohlgemerkt ihrer Sicht nach, Parteien des „rechten und linken Randes“ verkörpert?
„Bisher galt Tschechien als einer der aktivsten Unterstützer der Ukraine. Pro Kopf hat das Land die meisten Geflüchteten aus dem Land aufgenommen, viele von ihnen arbeiten längst und zahlen Steuern.“ (3i)
Eine getätigte pauschale Aussage wie die oben, ist so ohne Wert. Außer, dass sie eine Botschaft vermitteln möchte, dass ukrainische Geflüchtete kein Problem für die tschechische Gesellschaft wären? Wieviele der Geflüchteten sind es also genau, die längst arbeiten und Steuern zahlen? Wie haben sich soziale Konflikte in Tschechien in der Zeit des heiß entbrannten Ukraine-Konflikts entwickelt? Wie hoch sind die materiellen und finanziellen Kosten, welche die tschechische Gesellschaft in Bezug auf ukrainische Flüchtlinge zu tragen hat?
„Prag schickte Kampfhubschrauber und Soldaten nach Polen, reagierte sofort auf russische Drohnenangriffe und half der Ukraine früh mit schweren Waffen.“ (3ii)
Wie meinen Sie das? Von welchen russischen Drohnenangriffen reden Sie — etwa von russischen Drohnenangriffen auf Polen? Ist das nur rhetorische Schlamperei oder wissen Sie tatsächlich von zweifelsfrei nachgewiesenen russischen Drohnenangriffen auf Polen? Wenn ja, dann lassen Sie den Konsumenten doch bitte Einzelheiten dazu wissen.
„Mit der tschechischen Munitionsinitiative leistete die Regierung von Premier Petr Fiala einen wichtigen Beitrag zur Ausrüstung der ukrainischen Armee. Doch damit dürfte es bald vorbei sein: Babis wirbt mit »Czechia First« — er will die Initiative stoppen, weniger Geld in Verteidigung stecken und die Milliarden im Inland nutzen. Auch das NATO-Beitragsziel von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung stellt er infrage.“ (3iii)
Wie meinen Sie das mit „weniger Geld in Verteidigung stecken“? Meinen Sie mit Verteidigung das Ziel der NATO, „Russland eine strategische Niederlage beizubringen“ (4, 5) und die damit verbundene Beteiligung Tschechiens an diesem Krieg? Oder geht es hier tatsächlich um Landesverteidigung?
„Die tschechische Gesellschaft ist gespalten. Ein großer Teil fühlt sich überfordert von den internationalen Krisen, will eine Konzentration auf die eigenen Probleme.“ (3iv)
Die gesellschaftliche Spaltung ist ein wichtiger und zu benennender Aspekt. Das gilt übrigens auch für Deutschland. Die Ursachen lassen wir an dieser Stelle einmal außen vor. Woran aber machen Sie fest, dass sich „ein großer Teil überfordert fühlt von den internationalen Krisen“? Wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, dass diese gesellschaftliche Gruppe nicht in der Lage ist, diese internationalen Krisen zu begreifen und daraus logische, vernünftige Schlussfolgerungen zu ziehen? Möchten Sie uns vermitteln, dass es vor allem Unbedarfte sind, die eine Hinwendung auf die inneren Probleme Tschechiens für wünschenswert halten? Können Sie das näher erläutern?
„Andere fürchten, dass das Land mit einem Rückzug auf sich selbst seinen Platz in EU und NATO gefährdet. Premier Fiala warnte in einer Wahlkampfdebatte vor einer »Regierung des nationalen Verrats«, die das Land Richtung Osten treibe. Damit würde Tschechien seine Sicherheit und am Ende auch seinen Wohlstand verlieren.“ (3v)
Wen meinen Sie mit „Andere“, wenn Sie von Ängsten über eine Gefährdung von EU- und NATO-Mitgliedschaft schreiben? Wie repräsentativ ist „Andere“? Teilen Sie die Sicht des noch amtierenden tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala, Herr Handrick? Oder teilen Sie möglicherweise eher meine Sicht, dass Fialas Behauptung einer drohenden „Regierung des nationalen Verrrats“ nicht nur hochgradig populistisch, sondern sogar diffamierend, spaltend und polarisierend wirkt? Fialas polarisierende Aussage, von Ihnen, Herr Handrick, selbst zitiert, wird allerdings im nächsten Absatz quasi umgedreht:
„Viele Tschechen verstehen die anstehende Abstimmung als Richtungswahl. Entsprechend aufgeheizt ist die Stimmung. Ein aufgebrachter Gegner von Babis verletzte den ANO-Spitzenkandidaten bei einem Wahlkampfauftritt mit einer Krücke am Kopf. Der Politiker unterbrach seine Tour für einen Tag, kehrte dann aber zurück. Alle Parteien verurteilten den Angriff — und machten gleichzeitig deutlich, wie sehr Babis die Gesellschaft polarisiert.“ (3vi)
Wie passt es für Sie, dass alle Parteien „deutlich machen“, dass Andrej Babis die Gesellschaft polarisiert? Fiala polarisiert nicht, obwohl seine Aussagen doch eindeutig polarisierend sind? Wollen Sie zum Ausdruck bringen, dass Babis irgendwie selbst daran schuld ist, wenn er tätlich angegriffen wurde? Das frage ich Sie auch deshalb, weil von Medienleuten auch und gerade der ARD eine ganze Reihe von Politikern in Deutschland und anderen Ländern, die nicht die „korrekte politische Mitte“ der Gesellschaften vertreten, in ähnlicher Art und Weise für die erlittene Gewalt unterschiedlicher Schwere mehr oder weniger subtil selbst verantwortlich gemacht wurden. Ihnen als Journalisten sind diese Fälle sicher genügend bekannt.
„Babis‘ Chancen stehen diesmal besser. Vor allem, weil sich am linken wie rechten Rand neue Bündnisse gebildet haben: auf der einen Seite Kommunisten gemeinsam mit Sozialdemokraten und pro-russischen Desinformationsparteien; auf der anderen Seite ein rechtsextremer, nationalistischer Block. Beide könnten ANO im Parlament zur Mehrheit verhelfen und Druck machen, dass Referenden über den EU- und NATO-Verbleib abgehalten werden.“ (3vii)
Was diese, Ihre obigen Aussagen betrifft, bin ich besonders neugierig, Herr Handrick. Wie definieren Sie den „linken wie rechten Rand“? Wie definieren Sie „pro-russische Desinformationsparteien“? Was verstehen Sie überhaupt unter pro-russisch? Ist das was Schlechtes? Ist anti-russisch dafür etwas Gutes? Was verstehen ganz persönlich Sie, Herr Handrick, unter Desinformation? Höre ich zu Unrecht eine versuchte Konnotation Ihrerseits zu bestimmten politischen Parteien heraus? Was exakt macht für Sie einen Block „rechtsextrem“, was macht ihn „nationalistisch“? Was daran ist eine präzise Information? Ist das tatsächlich eine Information, die journalistischen Wertemaßstäben genügt? Oder ist das nicht eher eine Manipulation, eine Information, die dem Konsumenten „das richtige Bild“ aufdrücken möchte — eine Desinformation?
Nur für den Vergleich: Was halten Sie von einflussreichen rechtsextremen, nationalistischen Parteien, welche die Politik der Ukraine maßgeblich bestimmen?
Bleiben wir beim Blick in den Spiegel, von dem der noch amtierende tschechische Premier Fiala bereitwillig berichtet:
„Premier Fiala und seine Koalition SPOLU stehen derweil in den letzten Umfragen abgeschlagen um gut zehn Prozentpunkte hinter Spitzenreiter Babis. Seine Warnungen vor einfachen Antworten auf schwierige Fragen verhallen vielerorts.“ (3viii)
Außer einer emotionalen Botschaft, dass der Globalist und PLandemiker Fiala (6) vor irgendetwas warnt, liegt der Informationswert lediglich in den Umfragedaten. Aber die Verbindung mit Fialas Warnungen ist völlig willkürlich und unlogisch, dafür emotional. Welche schwierigen Fragen sind es denn und wie lauten die angeblich einfachen Antworten? Wer stellt die Fragen, wer liefert die Antworten? Wieso muss man davor warnen? Anders gefragt: Wieso verbreiten Sie, Herr Handrick den Populismus des Petr Fiala?
„Fialas politische Laufbahn dürfte sich dem Ende zuneigen, doch der Politologie-Dozent fürchtet eine ganz andere Zäsur: Zum ersten Mal seit November 1989 sei er ernsthaft besorgt, was mit Tschechien geschehen könne, wenn Populisten und Extremisten die Wahlen gewinnen, so Fiala.“ (3ix)
Das hat schon etwas. Ein Populist warnt vor Populismus und Extremismus und die Bühne für den Populisten stellt (unter anderen) ein öffentlich-rechtlicher Sender her.
Populismus zog sich wie ein roter Faden durch Ihren Beitrag, Herr Handrick. Aber nicht etwa des Andrej Babis, auch nicht der des scheidenden Premiers Petr Fiala ist im konkreten Fall problematisch, sondern der Ihre. Tatsächlich relevante Sachinformationen, die uns zum Verständnis des anstehenden Politikwechsels in Tschechien dienlich sein könnten, waren dagegen rar und teilweise im Populismus des Gesamtwerkes versteckt. Aber tatsächlich habe ich herausgelesen:
Große Teile der tschechischen Gesellschaft wünschen keine weitere militärische Beteiligung Tschechiens am Ukraine-Konflikt. Was mit dem polarisierenden pro- oder anti-russisch nichts zu tun hat, genauso wenig wie mit pro- oder anti-ukrainisch. Die Beteiligung an diesem Krieg wird abgelehnt — eine tatsächlich einfache Antwort auf eine gar nicht so komplizierte Frage. Das Problem einer für tschechische Verhältnisse — Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen — extrem hohen Zahl ukrainischer Flüchtlinge ist real. Die Logik, dass das eine Problem, das der Flüchtlinge, ein Sekundärproblem darstellt, das auf dem Primärproblem, dem der tschechischen Beteiligung am NATO-Krieg gegen Russland, fußt, ist so verblüffend simpel wie sie eingängig ist.
Da ist es nur folgerichtig, wenn ein Großteil der Tschechen von den Regierenden verlangt, sich auf die Probleme im Inneren zu konzentrieren, als das Ressourcen für das Anfachen von Konflikten im Außen verschwendet werden.
Für eine achtungsvolle Diskussion auf der Sachebene bin ich jederzeit offen.
Freundliche Grüße,
Peter Frey
Bitte bleiben Sie schön aufmerksam, liebe Leser.
Anmerkungen und Quellen
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(1) 02.10.2025; Bundeszentrale für politische Bildung; Parlamentswahl in Tschechien 2025; https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/571374/parlamentswahl-in-tschechien-2025/
(2) ARD-Tagesschau; Danko Handrick; https://www.tagesschau.de/korrespondenten/danko-handrick-109.html; abgerufen: 03.10.2025
(3 bis 3vi) 03.10.2025; ARD-Tagesschau; Danko Handrick; Mit Babis Kurswechsel zu „Czechia First“?; https://www.tagesschau.de/ausland/europa/tschechien-vor-parlamentswahl-100.html
(4) 25.12.2023; Frankfurter Rundschau; Patrick Mayer; NATO-General verkündet „strategische Niederlage“ Russlands — doch Ukrainer widersprechen; https://www.fr.de/politik/putin-nato-generalsekretaer-stoltenberg-strategische-niederlage-russland-ukraine-krieg-zr-92744838.html
(5) 30.11.2023; Konrad Adenauer Stiftung; Christoph Bors; „Russland muss in der Ukraine eine strategische Niederlage erfahren und für sein Handeln zur Rechenschaft gezogen werden.“; https://www.kas.de/de/web/niedersachsen/veranstaltungsberichte/detail/-/content/wunstorfer-wintervortrag-23-11
(6) Global Governance Project; Investment in our future; https://www.globalgovernanceproject.org/investments-in-our-future/petr-fiala/; abgerufen: 03.10.2025
(Titelbild) Brief, Hand, Fingerzeig, Hinweis; Autor: Gerd Altmann (Pixabay); 19.11.2017; https://pixabay.com/de/photos/gesch%C3%A4ftsmann-finger-ber%C3%BChren-2956974/; Lizenz: Pixabay License