Wem wollen wir glauben? Kann man da etwas in den Augen der Menschen sehen?


Kriege polarisieren. Sie zwingen den Menschen Haltungen auf. Kriege treiben die Spaltung zwischen den Menschen auf die Spitze. Weil dies der Wesenszug eines jeden Krieges ist, gibt es auch keinen Unterschied zwischen (zum Beispiel) dem „Krieg gegen das Virus“ und dem „Krieg gegen Putin“. Jedem mit physischer Gewalt ausgetragenen Krieg geht ein geistiger, emotional vereinnahmender Krieg voraus, welcher wiederum den handfesten Krieg stetig anheizt. Ohne dieses Füttern des physisch sichtbaren Krieges kann selbiger nicht (weiter) geführt werden.


„Das Böse“, das Wesen des Krieges wird sich immer als „das Gute“ offerieren und die Projektion seiner selbst in den ausgemachten Gegnern erkennen. Ohne sich selbst zu erkennen. Das „Böse“ muss sich gut fühlen, sonst könnte es das, was „das Böse“ ausmacht, nicht leben. Dieses „Böse“ möchte uns mitreißen, möchte, dass wir seinen Krieg mitkämpfen. Es wächst an unserem Mittun. Aber wie erkennen wir „das Böse“? Kann es hilfreich sein, mit wachem, empfindsamen Blick in die Augen des „Botschafters“ zu schauen? Können uns dessen Augen davon erzählen, ob der Betreffende den Krieg ablehnt oder nicht? Menschen, die nicht in der Lage sind, den Krieg abzulehnen, werden ihn immer gewinnen wollen, um jeden Preis. Sie sind Opfer wie auch Täter. Solche Menschen sind vereinnahmt, verletzt und voll von Ängsten und Hass. Einen Zugang zu ihnen zu finden, ohne diese Ängste herauszufordern, ist schwierig, manchmal unmöglich.

Wer das Grauen des Krieges tatsächlich erlebt hat, kann sich entsetzt von diesem abwenden und mit großer Leidenschaft für Verstehen und friedliches Miteinander eintreten. Er kann aber auch von diesem Grauen und der damit verbundenen Brutalität mitgerissen werden und so den Krieg zu seinem ganz persönlichen machen. Die Wege sind nicht vorgezeichnet. Auch kann man dem Krieg leichterhand das Wort reden, ohne dessen Grauen je erlebt und gefühlt haben zu müssen. Somit zeichnet man aber auch verantwortlich für das Grauen, dass die ganz persönliche Kriegstreiberei möglicherweise mitauslösen kann.

Wer in die Situation gerät, tatsächlich kompromisslos Krieg führen zu müssen, weil es um die schiere physische Existenz geht, hat vielleicht in der Vergangenheit, als er sehr wohl Wahlfreiheit beim Thema Krieg und Frieden hatte, seinen Beitrag geleistet für die Herbeiführung des physischen Krieges. Eines in dem er nun selbst zum Opfer geworden ist. Was wird man nun in seinen Augen lesen können?

Ein US-amerikanischer Reporter, Brett Redmayne-Titley hat sich im März des Jahres in der Ukraine und Polen aufgehalten. Er hat mit den Menschen gesprochen, vorsichtig und sparsam. Aber vor allem hat er diese reden lassen. Er hat den Menschen sehr aufmerksam zugehört — und ihnen in die Augen geschaut. Und er erzählt uns von Menschen, die diesen Krieg ganz persönlich mitführen, gleichzeitig durch selbigen traumatisiert sind. Und er spricht von jenen, die den Krieg zwar erleiden, ihn aber trotzdem nicht für sich akzeptieren. Die berührend und deshalb verbindend den Frieden in sich tragen. Diese Geschichten sind also, meine ich, bewegend und mögen unsere Sehnsucht nach Frieden als gelebte Einstellung wecken und stärken.


Die Lügen … und die Augen … der Ukraine

von Brett Redmayne-Titley

veröffentlicht unter: https://watchingromeburn.uk/news/ukraine-on-scene-report-lie-and-eye-of-ukraine/

*

Erlaube mir nicht, dich zu vergessen (Gabriel Garcia Marquez)

Lviv, Westukraine.

Wie ich bereits vor meiner Ankunft vor zwei Wochen erwartet hatte, sind die Realitäten dieses Krieges langsam in den Gesichtern, in den Stimmen und tief in den durchdringenden Augen der Betroffenen zu erkennen. Es sind vor allem die Unschuldigen, die eine Geschichte zu erzählen haben und dabei keine Worte verlieren.

Die nächsten sechsundneunzig Stunden sollten ihre persönlichen Schrecken offenbaren.

Nach einer fünfstündigen Fahrt, zusammengepfercht in einem mit Lebensmitteln und medizinischen Hilfsgütern gefüllten Transporter, kommen wir in Lemberg [Lwow beziehungsweise Lviv], Ukraine, an. Jetzt sitze ich zusammen mit meinen fünf anderen begeisterten Kollegen an einem langen Holztisch, der bescheiden gedeckt und für unseren Empfang vorbereitet ist. Wir essen — was wir alle dankbar zugeben — die beste Spaghettisauce, die je serviert wurde. Wir sind sehr hungrig. Unsere Gastgeber sind froh, dass wir hier sind.

Das Essen wird in einem riesigen weißen Saal vor dem Altar einer alten katholischen Kirche serviert, die vom Alter her baufällig ist, aber immer noch von unserem Gastgeber Roman genutzt wird, der zu einer weltweiten christlichen Gemeinschaft namens Praise Chapel gehört. Ich wurde vom Gründer John McGovern eingeladen, dem ich zufällig begegnete, als ich am Warschauer Hauptbahnhof Interviews mit Flüchtlingen führte. Der Warschauer Hauptbahnhof ist der Ankunftsort für viele Kriegsflüchtlinge, und hier versorgen drei riesige weiße Zelte, die von anderen Helfern besetzt sind, alle, die aus der Ukraine kommen, mit Mahlzeiten, Kleinigkeiten und einer Unterkunft.

Hier suche ich nach Interviews mit Flüchtlingen, aber nur wenige sprechen Englisch.

In Konfliktgebieten ist es nicht möglich, ein neutraler, faktenorientierter Reporter zu sein. In den Augen der Betroffenen wird Objektivität so wahrgenommen, als stünde man auf einer Seite der Polaritäten dieses Krieges: Ost oder West. Die wichtigste Lektion, die ich aus meiner Zeit im Libanon und in der Türkei gelernt habe, ist daher, viele, viele Fragen zu stellen, aber gleichzeitig den Mund zu halten.

Und, zuzuhören … und genau hinzuschauen!

Viele, die ich hier in Lemberg oder auf den Straßen Warschaus treffe, haben diesen Krieg miterlebt, allerdings an seiner Peripherie, westlich des Dnjepr mit Kiew an seinem nördlichen Ende nahe Weißrussland. Das heißt nicht, dass sie nicht betroffen sind oder keine starken Emotionen zeigen. Aber es sind die Augen der Befragten, die nach Westen reisen, die zeigen, ob eine Person tatsächlich von diesem Krieg innerlich betroffen ist. Die Augen sind der Spiegel der eigenen Seele.

Da ich viele interviewt habe, sind es ihre Augen, auf die ich mich konzentriere, um ihre vielen angebotenen Wahrheiten zu bestätigen. Jedes Mal werde ich daran erinnert, was mir ein hartgesottener Hisbollah-Soldat 2018 sagte, als er an der vom Krieg zerrütteten Grenze zwischen Israel und dem Libanon stand und die von Israel gestohlenen palästinensischen Felder überblickte.

„Wenn man seinen ersten toten Mann sieht, erinnert man sich für immer an ihn. Wenn ein Mensch einen Menschen sterben sieht, wenn er sieht, wie dieser Mensch seinen letzten Atemzug tut und dann still wird, dann bleibt das für immer in seinen Augen…“

Ich habe diese Augen gesehen. Im Libanon. In der Türkei. Auf Flughäfen in den hageren, blassen Gesichtern vieler in Khaki gekleideter GIs, die aus dem Krieg zurückkehrten: Ihr „Tausend-Meilen-Blick“, der so konzentriert ins Leere starrt, eine unangezündete Zigarette in der linken Hand, nach vorne gebeugt in tiefen, tiefen Gedanken, das Kinn auf die rechte Hand gestützt, als einzige Stütze.

In den kommenden vier Tagen werde ich diese Augen noch dreimal sehen.

*

Auf der Fahrt nach Lviv, Ukraine, sitzt John McGoverns Schwiegersohn Paul, unser Fahrer und ein älteres Mitglied der Praise Chapel, neben James, der als Beifahrer mitfährt. Er ist ein jüngerer Veteran, der den Krieg erlebt und einen engen Freund in Afghanistan verloren hat. James ist hier, um eine vom Militär geförderte Evakuierung von unbekannten Personen zu beginnen, wozu ich, wie üblich keine dummen Fragen stelle.

Sowohl Paul als auch James kennen den Hintergrund und die Gründe, die Russland kaum eine andere Wahl ließen, als sich aufgrund seiner nationalen Interessen vor der NATO-Erweiterung zu schützen und gleichzeitig die verwüsteten Ostukrainer zu schützen, die in Bezug auf Kultur und Sprache eher Russen als Ukrainer sind. James sagte: „Als der Krieg begann, dachte ich, Putin sei ein Schachmeister. Aber“, fuhr er fort, „ich habe meine Meinung geändert. Jetzt ist er am Verlieren.“ Er gibt zu, dass diese Meinung am Familientisch zu Hause in Georgien nicht sehr beliebt ist und dass sie sich auf US-Geheimdienstinformationen stützt. Aber in einem Punkt sind wir uns alle einig: Wir hassen diesen Krieg.

Obwohl westliche Medien behaupten, Zelenskijs Familie sei zur Unterstützung in Kiew, Ukraine, geblieben, ist dies wahrscheinlich nicht wahr. Wenn man zwei und zwei aus einem Gespräch mit meinem christlichen Gastgeber nur wenige Tage zuvor zusammenzählt, ist es sehr wahrscheinlich, dass es James und sein Team, das jetzt in Lviv auf ihn wartete, waren, die die „Evakuierung“ von Zelenskijs Tochter aus Kiew nach Lviv zwei Wochen zuvor abgeschlossen hatten. James hatte nichts dagegen, zuzugeben, dass er dieses Mal für eine ähnliche Mission hier war (a1).

Während unsere Kameraden auf den anderen Plätzen zuhören, hindern mich der Anstand und eine aufkeimende Freundschaft, die durch meine Liebe für geistreiche Diskussionen entstanden ist, daran, Paul und James zu einigen der Informationen und Meinungen, die sie teilen, zu befragen. Bessere Männer habe ich noch nie getroffen, aber in unserem Dialog fehlten Teile und ich behalte sie für mich, weil ich befürchte, dass ein Versprecher in die falsche Richtung die Freundschaft in Bitterkeit verwandeln könnte, wie es im ersten Teil dieser Serie auf sehr traurige Weise deutlich wurde.

Da ich noch keine sichere Passage in die Ostukraine gefunden habe, habe ich unseren Gastgebern an unserem Abendbrottisch meine begrenzten medizinischen Fähigkeiten und meine Unterstützung beim Transport von Hilfsgütern in den Osten angeboten. Aufgrund der Gefahren stapeln sich in Lviv die Vorräte an medizinischer Hilfe und Lebensmitteln für den Osten. Die Gefahren sind nicht besonders russisch.

Zelenskij, der nach den massiven Verlusten verzweifelt nach Truppen suchte, öffnete die Gefängnisse der Westukraine für Kriminelle und bewaffnete sie in dem abwegigen Glauben, dass sie sich trotz brutaler Haft auf die Seite der Ukraine stellen und ihre Waffen nach Osten richten würden. Er behauptete, dies beschränke sich auf die Gefangenen mit Kampferfahrung, was jedoch nicht stimmt, da es sich dabei nur um eine sehr kleine Gruppe handelt, denn abgesehen von der kriminellen Verwüstung des Donbass, einem sanktionierten Verbrechen, ist dies der erste Krieg, den die Ukraine in letzter Zeit geführt hat. Es überrascht nicht, dass viele ihre Waffen und ihre neu gewonnene Freiheit stattdessen dem Westen zugewandt haben, um eine neue kriminelle Gelegenheit zu nutzen. Im Krieg sind medizinische Hilfsgüter oft Gold wert. Die Hilfslieferungen für die Flüchtlinge haben also mehr als nur mit einer russischen Bedrohung zu kämpfen.

Trotz vieler gegenteiliger Darstellungen in den Medien ist das achtzig Kilometer von der polnischen Grenze entfernte Lemberg [Lwow, Lviv] nur deshalb von diesem Krieg betroffen, weil es in der Nähe eines Standortes liegt, der für die Lieferung und Lagerung von Waffen und ausländischen Söldnern genutzt wird. Lemberg wurde von den russischen Raketen getroffen, doch beschränkten sich diese auf rein militärische Ziele. Es gab keine zivilen Opfer, wie der Bürgermeister von Lemberg in mehreren von den westlichen Medien zensierten Telegrammposts erklärte. Aber wenn die Raketen fallen, weiß es jeder. Es sind riesige Explosionen.

Drei Tage zuvor habe ich mich mit Michael getroffen, der zu einer anderen christlichen Gruppe gehört. Er war in der Nacht von Bidens Warschauer Rede am 26. März in Lviv, als drei russische Raketen ein Munitionsindustriegebiet und eine Öl- und Schmierstoffanlage zerstörten. Quellen gaben an, dass in diesen Anlagen auch vom Westen gelieferte Munition gelagert wurde. „Es hat uns aus dem Bett geschüttelt“, sagte Mike am Sonntag zu mir. Dies war nicht überraschend, da der stellvertretende Außenminister Sergej Rjabkow am 13. März „die USA gewarnt hatte, dass das Abpumpen von Waffen aus einer Reihe von Ländern, die dies orchestrieren, nicht nur ein gefährlicher Schritt ist, sondern eine Aktion, die diese Konvois zu legitimen Zielen macht.“

Ich sprach auch mit einem Mitarbeiter einer Hilfsorganisation in Lemberg, der sich am 18. März in dem nahe gelegenen Dorf Deliatyn in der Region Iwano-Frankiwsk, 50 km von der rumänischen Grenze entfernt, aufhielt, als Russland Berichten zufolge zum ersten Mal eine Hyperschallrakete einsetzte, die mit einer Geschwindigkeit von Mach 5,5 einschlug und einen tiefen unterirdischen Bunker traf, in dem sich vom Westen gespendete ukrainische Raketen und Flugzeuge befanden. Berichten zufolge waren dort auch über 200 ankommende Söldner zur Erstausbildung untergebracht. Die Explosion, die auf dem Video zu sehen ist, war kolossal. Vincent sagte: „Unser ganzes Hotel bebte, und wir waren mehr als 20 Kilometer entfernt! Das Zeug fiel wie bei einem Erdbeben auf den ganzen Boden. Gott sei Dank gab es nur eine Explosion.“

Alle Munition und Söldner und ihr Bestreben, die Schrecken des Krieges nach Osten zu verlagern, wurden auf der Stelle vernichtet. Keine Zivilisten wurden verletzt.

Trotz dieser Angriffe geht das Leben in Lemberg seinen gewohnten Gang. Ich sehe, dass die Geschäfte geöffnet sind und die Menschen lässig spazieren gehen, während die Busse und Züge wie üblich vorbeifahren. Dies deutet darauf hin, dass die Öffentlichkeit hier aufgrund dieser Erfahrungen weiß, dass Russland nicht versucht hat, die unschuldige Bevölkerung von Lemberg zu opfern, sondern stattdessen fortschrittliche Präzisionsmunition nur für rein militärische Ziele einsetzt.

Nach dem Abendessen werden wir auch von Antone begrüßt, der, wie er sagt, gerade aus dem Osten in Odessa zurückgekommen ist. Mosha, Ukrainerin und unsere einzige weibliche Begleiterin auf dieser Reise, übersetzt, während Antone uns mit seinen Geschichten von Heldentaten im Kampf gegen die Russen versorgt. Er ist die ganze Zeit über wortgewandt und umgänglich, während er uns erzählt, wie er den Russen immer wieder entkommen ist, nachdem er sie mit Gewehrfeuer und einer gespendeten Panzerfaust angegriffen hatte.

Dieser Mann könnte mein Leben in der Hand haben, wenn ich dabei helfe, Vorräte nach Osten zu bringen.

Ich höre also sehr genau hin. Was meine Tätigkeit als Reporter betrifft, so sind meine Kollegen zu meinem Schutz zur Verschwiegenheit verpflichtet worden. Sie halten sich an dieses Versprechen. Während Antone seine Geschichte fortsetzt, bitte ich Mosha gelegentlich, ihm eine strategisch unbedenkliche Frage oder mehr zu übersetzen.

Ein kleiner, stämmiger, stoppelgesichtiger Mann steht still in der Ecke und sagt nichts. Während die Geschichte weitergeht, schaue ich ihn oft genau an, bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Antone richte. Irgendetwas scheint an seiner Erzählung nicht zu stimmen.

Aber wenn dieser Mann sieht, dass ich in seine Richtung schaue, und er mir wieder in die Augen schaut, mit ausdruckslosem Gesicht, dann weiß ich, was los ist. Es ist der Geschichtenerzähler.

Der schweigsame Mann dreht sich nun um und geht. Ohne sich zu verabschieden, ist er weg, aber er sieht mich ein letztes Mal an, und zum ersten Mal auf dieser Reise sehe ich das unverkennbare Leiden des Krieges. Diese Augen.

Als Antone seine Erzählung beendet, stelle ich noch ein paar Fragen, nicht mehr wegen seiner Aussage, sondern wegen des Gesichts dieses Mannes selbst, der lächelt und so schnell spricht. Nein, ich werde mit ihm nicht mein Leben aufs Spiel setzen. Nein, er hat den Krieg nicht gesehen.

Im Gegensatz zu dem Mann, der nichts gesagt hat, sehe ich nicht… diese Augen.

*

Nachdem wir unsere Arbeit in Lemberg erledigt haben, setzen wir Helfer uns in den Bus, um unsere lange Rückfahrt nach Warschau anzutreten. Ein Platz ist noch frei.

Plötzlich kommt die Nachricht von einem neuen Raketeneinschlag in Lviv über Moshas Telefon…

Es beginnt zu schneien. Seltsam für den späten Frühling Anfang April… ein scheinbar sehr düsterer natürlicher Beiklang zu diesem gottverdammten Krieg, der uns allen auferlegt wird!

In den letzten zwei Wochen habe ich sehr viel gehört. Ich befinde mich jedoch in der Westukraine, einer ganz anderen Realität als im Osten, wo der wahre Krieg Stadt für Stadt, Stunde für Stunde wütet. Warschau ist überall mit leuchtend gelben und blassblauen ukrainischen Flaggen zugepflastert, die den Krieg in der Ukraine inbrünstig unterstützen. Verkäufer verkaufen sie an vielen Straßenecken wie Obst, und ihre Farben schmücken Plakatwände, Geschäfte, Busse, Laternenpfähle und U-Bahnen, während die Radio- und Fernsehsender alle zehn Minuten Werbespots zur Unterstützung der Ukraine als Teil dieser kollektiven Unterstützung des Krieges ausstrahlen.

Hier in Warschau sind die meisten Flüchtlinge, mit Ausnahme derer aus Kiew, aus dieser geschürten Angst und nicht wegen des direkten Konflikts geflohen. Viele geben dies offen zu. Ja, sie haben dort Familie und haben viel gehört, aber die meisten haben ihre eigene Meinung, die sie schon Jahre vor Kriegsbeginn hatten: Antirussland. Dieses Gefühl ist im Osten nicht gegeben.

Wenn ich mir die Abendnachrichten ansehe, übersetzt mein Hotelangestellter schnell dieses rein westliche Narrativ. Im Gegenzug schickt mir mein Übersetzer und Freund Andrew, der Ukrainer ist, regelmäßig zu ungeraden Zeiten SMS mit Informationen aus dem Osten, und es wird schnell klar, dass die Medien sowohl in Polen als auch in der Ukraine die Realität des Krieges absichtlich verwischt haben.

Zelenskij hat alle Medienberichte in der Ukraine verboten, mit einer Ausnahme, und alternative Ansichten, die den Frieden befürworten, sind, wie ich herausfinden werde, ein Todesurteil. Krieg ist die einzige sanktionierte Meinung, die erlaubt ist. Für Frieden wird man verhaftet oder erschossen.

Dies zeigte sich am 14. April, als sowohl Viktor Medwedtschuk, ein ukrainischer Politiker, der am 29. August 2019 zum Volksvertreter der Ukraine gewählt wurde, als auch Generalmajor Valery Shajitanow vom ukrainischen Sicherheitsdienst (SBU) unter dem sehr fadenscheinigen Vorwurf des „Verrats“ verhaftet wurden. Die gesamte Bandbreite westlicher Medien schloss sich dem an und beschuldigte beide Männer fälschlicherweise, „Putins Verbündete“ zu sein.

Das ist völliger Blödsinn. Ich habe dies heute Morgen (am 16. April) in einem Telefongespräch von einem US-Insider, der beide Männer gut kennt, bestätigt bekommen.

Ihr wahres Verbrechen besteht darin, dass sie den Fehler begangen haben, der Ukraine vorzuschlagen, den Krieg zu beenden und Frieden zu akzeptieren. Beide Männer kennen die Wahrheit: Die ukrainische Armee hat enorme Verluste an Männern, Material und der Fähigkeit, beides wieder zu beschaffen. Zelenskjis fortlaufender Säuberung von Friedensbefürwortern und „Anti-Helden“ ging vor zwei Wochen die Entlassung von Naumov Andriy Olehovych, dem ehemaligen Leiter der Hauptabteilung für innere Sicherheit des Sicherheitsdienstes der Ukraine, und Kryvoruchko Serhiy Oleksandrovych, dem ehemaligen Leiter des Büros des Sicherheitsdienstes der Ukraine in der Region Kherson, voraus. Auch diese beiden Männer sind schuldig, das neue ukrainische Kapitalverbrechen „Frieden“ lediglich vorgeschlagen zu haben.

Der Verrat von Zelenskij persönlich und der NATO besteht darin, dass sie zulassen, dass dieser Krieg bis zum letzten Ukrainer geführt wird.

Ich bin frustriert. Mein Ziel, in den Osten zu gelangen, wo die Flüchtlinge mit Sicherheit die wahren Geschichten über die dortigen Grausamkeiten erzählen werden, wurde von den eigenen Umständen durchkreuzt. Die russische Botschaft hier in Warschau ist jetzt geschlossen. Die Mitarbeiter verbrennen alles, bevor sie abreisen. Vermutlich befindet sich mein Visumantrag für Russland auf einem der Stapel.

Trotz meiner derzeitigen räumlichen Entfernung vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht Videos und Bilder von den Schrecken im Donbass und im Osten erhalte. Meine Kontaktdaten sind leicht zu finden, und seit Beginn dieser Serie habe ich zahlreiche Nachrichten auf Instagram, Telegram, Tick Toc oder Whatsapp erhalten, in denen ich gebeten wurde, diese Bilder mit den Lesern zu teilen. Aber ich weigere mich, mir auch nur eine davon anzusehen.

Videos und Bilder können manipuliert und dazu benutzt werden, die Arbeit eines Reporters in die falsche Richtung zu lenken, weg von einer objektiven Berichterstattung. Dieser Krieg ist jetzt eine von den Medien angezettelte Drecks-Show, und ich werde mich daran nicht beteiligen. Also lege ich diese vielen Aufforderungen zu den Akten und schaue mir keine einzige an, denn ich weiß bereits, was sie enthalten, den Horror. Ich muss nicht hinsehen… oder hinhören.

Außer einmal.

In meinem ersten Hotel treffe ich Lee. Da ich gelegentlich Englisch spreche, hat er mich angehalten und nach Informationen gefragt. Im Gegenzug erbitte ich gleichermaßen von ihm Informationen.

Lee gibt zu, ein US-Söldner zu sein — ein ehemaliger Airborne — der wie James dafür bezahlt wurde, unbekannte Personen aus einem Gebiet in der Nähe von Kiew zu holen. Er gibt bereitwillig zu, dass er von der Nazi-Philosophie weiß, die vielen Mitgliedern des ukrainischen Militärs anhaftet, aber er wird für seinen Dienst so gut bezahlt, dass es ihn nicht interessiert. Ihm scheint es an qualitativ hochwertigen US-Informationen zu mangeln, da sich seine Fragen hauptsächlich auf die Straßen und das Militär jenseits von Kiew beziehen und ich keine Antworten, die über Lviv hinausgehen, geben kann.

Er scheint hier nicht in seiner Liga zu spielen. Interessanterweise fragt er mich, ob ich Kontakte für den Zugang zu Schutzausrüstung wie Warnwesten und Helme habe. Ich warne ihn vor den Gefahren, die nicht von den Russen ausgehen, die sich meist östlich seines Ziels aufhalten, sondern von den Ukrainern. Tage zuvor hatte Andrew, mein Übersetzer, mir drei der vielen Videos geschickt, die ich erhalten habe, und mir gesagt: „Der Mann, der gefoltert wird, spricht Russisch. Seine Mörder sprechen ukrainisch“, um mich aufzuklären.

Aber auch hier weigere ich mich, auf diese Videos zuzugreifen.

Aber Lee scheint ein guter Junge zu sein, allerdings zu sehr von den USA inspiriert, um meine Warnung zu beachten. Um ihm zu helfen, erzähle ich ihm von Andrews Videos, obwohl ich sie nicht gesehen habe. Er glaubt mir nicht und bittet mich, sie ihm zu zeigen. Ich scrolle auf Whatsapp an die richtige Stelle und reiche ihm mein Mobiltelefon, woraufhin er eifrig das erste, zweite und dann das dritte Video anklickt.

Schreie, wie man sie nicht vortäuschen kann, schallen aus meinem Telefon und ich schließe meine Augen fest, in dem verzweifelten und gescheiterten Versuch, nichts zu hören.

Er gibt mir mein Handy zurück. „Ja“, sagt er, „das ist ziemlich schlimm.“

„Bitte, erzählen Sie meine Geschichte.“

Während ich meine Stiefel ein weiteres Mal auf den Boden stelle und immer noch in Warschau festsitze, erinnere ich mich an den Schutzengel, der mich während meiner Reportagen in fremden Ländern gut geleitet hat. In einem feuchten Hotelzimmer zu sitzen und zu schmoren, bringt keine Story… und auch kein Glück.

Ich kehre also zum Hauptbahnhof in Warschau zurück. Während ich ein paar Fotos bearbeite und auf einer der nahe gelegenen Betonbänke auf dem Gelände vor dem massiven sowjetischen Palast für Kultur und Wissenschaft sitze, hebt sich mein Blick vom Bildschirm meines Smartphones. Direkt vor mir steht in gebückter Haltung ein alter Mann mit einem Stock in der Hand. Er bewegt sich direkt auf mich zu. Er wirkt recht gebrechlich und ist nur noch wenige Meter entfernt, so nah, dass ich befürchte, er sei blind. Aber er bleibt stehen, jetzt nah genug, um zu sprechen. „Sie sind Journalist“, sagt er in perfektem, aber stark akzentuiertem Englisch, nicht als Frage, sondern merkwürdigerweise als Feststellung. Ich nicke, nicht sicher, wie weit mich mein Englisch bringen wird. „Würden Sie mir helfen“, bietet er an, und ich nehme an, dass er eine Spende meint und greife nach meinem roten Tagesrucksack. „Nein, nein, nein…“, antwortet er, „ich muss dir etwas sagen.“

Ich stehe auf und biete ihm meinen Arm an, den er leicht in beide Hände nimmt, während ich ihm helfe, seinen halb gebeugten Körper neben mir auf die Betonbank zu lenken. Mehr als eine Stunde später, als das Schneegestöber wieder aus der grauen Düsternis über mich kommt, verabschiede ich mich von ihm. Was er mir erzählt hat, treibt mir Tränen in die Augen, Gebete auf die Lippen und Hass in mein Herz.

Abram stammt aus Markiwka und hat das Kriegsgebiet im Osten durchquert, um seine Tochter und seine beiden Enkelinnen zu treffen, die bereits in den letzten zwei Wochen von südlich von Kiew hierher gekommen waren. Es stellte sich heraus, dass ich mit seiner Tochter Taisaya bereits am Morgen am Hauptbahnhof gesprochen hatte, da sie ebenfalls ausreichend Englisch sprach. Ich war anscheinend viel zu schnell gegangen, denn ihre beiden kleinen Mädchen hatten gesagt, dass sie auf die Ankunft ihres Großvaters warteten, aber die Züge hier fahren nicht mehr nach einem festen Fahrplan. Die Mädchen warteten mit einem fröhlichen Lächeln. Ich hatte ihrer Mutter gesagt, dass ich Zeugnisse aus dem Osten haben wollte, aber sie konnte mir nicht helfen. Ich hatte ihre Namen vergessen, erinnerte mich aber gut an die Begegnung.

Während ich in der nächsten Stunde wütend herumkritzelte, erzählte mir Abram, wie er zu Beginn des Krieges in Markiwka eingeschlossen war, nicht von den Russen, sondern von der ukrainischen Armee (AFU), die er wiederholt als „Banderisten“ bezeichnete. Diejenigen, die diese Serie verfolgen, wissen, was das bedeutet: Nazis.

Abram ist ein russischer Jude und gibt stolz zu, in der Roten Armee gedient zu haben, insbesondere in Afghanistan. „Wir haben dort viel Falsches getan“, begann er, „aber diese Banderisten, sie hassen, ihre Herzen sind voller Hass. Immer Hass. Viele Jahre, nur Hass!“ Dummerweise stellte ich die Suggestivfrage: „Warum?“. Abram, der den Blick gesenkt hatte, während er seine Gedanken vortrug, richtete sich auf und sah mir nun in die Augen wie ein Vater, der mit seinem Kind schimpft: „Weil wir Russen sind!“

Abram sprach dann über die Zeit lange vor den Ereignissen auf dem Maidan 2014 und der Orangenen Revolution (a2), eine Zeit, in der die Ukraine sicherlich in ethnische Regionen aufgeteilt war, aber als der Donbass, Donezk, Lugansk und die Ostukraine, obwohl sie einen viel größeren Prozentsatz von Juden und ethnischen Russen anzogen, genau das waren, eine Region der Ukraine. Der Osten arbeitete gut mit dem Westen zusammen. Er sprach von kleinen Fällen von Antisemitismus und antirussischer Stimmung, aber, wie er es ausdrückte: „Als wir sowjetisch waren, waren wir alle Freunde.“

Laut Abram änderte sich das 2014 schnell: „Wir wurden zu Hunden!“, spottete er. „Aber wenn man einen Hund einmal tritt, läuft er weg. Wenn du einen Hund noch einmal trittst, schaut er dir in die Augen und fragt, warum“, aber er verlangsamte seine Worte, um zu betonen: „Wenn du einen Hund dreimal trittst, beißt er.“ Er sprach über die unmittelbaren Angriffe der AFU [Armed Force of Ukraine], nachdem der Westen die Wahl von Viktor Janukowitsch, der selbst aus Donezk in der Ostukraine stammte, gekippt hatte. Weiter sagte er,

„Was wir wollen, ist die Unabhängigkeit. Das waren wir bereits. Nicht, um uns Russland anzuschließen. Dass wir das wollten, ist eine Lüge. Sie haben vom Westen her Krieg gegen uns aus dem Osten geführt. Weil wir Russisch sprechen? Wir lieben Russland? Nicht nur, das…“

und hier blickte er wieder aus seinen Gedanken auf und zur Betonung,

„Weil die Banderisten Russland hassen. Weil ihr … es tut mir leid … euer Land … Russland hasst. Und wir sind in unserem Herzen Russen! Wir hassen Amerika nicht. Wir lieben die Ukraine! Aber ihr… es tut mir wieder leid… euer Land, es hasst Russland!“

Seine Wut war verständlich. Abrams Frau war bei dem wahllosen Artilleriebeschuss durch die AFU ums Leben gekommen, als ein Geschoss am frühen Morgen das Geschäft traf, in dem sie als Angestellte arbeitete und das sie gerade für den Tag öffnete. Er fragte mich, ob ich wisse, was Terror sei, antwortete aber auf seine eigene Frage: „Es ist, nie zu wissen, wann der Tod kommt.“ Er sagte, die Banderisten würden Tage, Wochen, Monate lang keinen Schuss auf sein Dorf abgeben und dann plötzlich das Feuer aus vielen Meilen Entfernung und auf kein bestimmtes Ziel eröffnen. „Viele Jahre lang konnten wir nicht wissen, wer als nächstes sterben würde. Und…“, fügte er hinzu, „sieben Jahre lang haben wir Putin um Hilfe angefleht.“

Es dauerte drei Wochen, bis er Marikiva endlich verlassen konnte, aber da hatte die russische Armee die AFU bereits vertrieben. Laut Abram hielt die AFU sie die ganze Zeit über im Keller fest — ein Horror für sich. Wenig Essen, keine Toilette, Eimer — viel zu viele suchten dort Zuflucht, nachdem die AFU das Gebäude [ironisch] für ihre Sicherheit beschlagnahmt hatte und es wegen der Aussichtspunkte und Schießmöglichkeiten, die die hohen Gebäude boten, nutzte. Als die AFU von den Russen vertrieben wurde, beschossen sie es mit Panzerfäusten, während er und die mehr als vierzig Menschen im Keller vor Angst schrien.

Er war aus Markivka geflohen und über Weißrussland nach Westen gezogen, doch sein jüngerer Bruder wurde getötet, als er versuchte, den humanitären Korridor zu nutzen, der nicht von der AFU, sondern von den Russen geschaffen worden war. Er hatte vor, seinen Bruder Leonid in Prosian auf dem Weg zur weißrussischen Grenze wieder zu treffen. Er hat es nicht geschafft. Ein befreundeter Nachbar erzählte ihm davon.

Abram erzählte, dass er von seinem Fenster aus sah, wie AFU-Soldaten Minen in die Straßen gruben, um die Menschen daran zu hindern, seine Stadt zu verlassen. „Wir gehen nur auf Beton. Aber wenn du auf Beton gehst, schießen sie auf dich“, sagte er. Sein Bruder starb, als er und zwei Familienmitglieder, zwei Frauen und ihre Kinder durch einen von der AFU gelegten Stolperdraht traten, als sie durch das Gebüsch am Straßenrand der Straße nach Prosian gingen. Ein befreundeter Nachbar und andere waren mit einer anderen Gruppe weit genug zurück, um zu überleben. Es war die russische Armee, die reagierte, nicht die AFU. Die führenden Männer waren auf der Stelle tot. Die anderen starben noch am Tatort.

Der Nachbar seines Bruders hatte ihm die Uhr seines Bruders gebracht, um ihm die schreckliche Nachricht auf Prosianisch mitzuteilen. Als Abram in seine Tasche griff, zitterten sein Gesicht und seine Hände. Ich wusste, was kommen würde. Zitternd hielt er eine alte, abgenutzte, aber schöne goldene Aufzugsuhr hervor, das goldene Armband größtenteils zerstört, das Glas in ungleichmäßigen Quadranten zersplittert, aber ich konnte immer noch die genaue Zeit dieses Grauens erkennen: 5:39. Am. Nachmittags. Es spielte einfach keine Rolle … mehr.

„Das ist von meinem Bruder übrig geblieben…“

Seine Tochter Taisaya und seine Enkelinnen Kristina und Alina überraschen mich. Sie haben während der gesamten Zeit, die Abram bei mir verbracht hat, außer Sichtweite gewartet und kommen nun auf mich zu, um ihrem Großvater nach Hause zu helfen. Ich weiß nicht, ob sie von diesem Schrecken gehört haben. Ich umarme sie alle ohne Grund, oder nur aus einem Grund.

Als ich ihm auf die Beine helfe, Abrams Stock wieder in seine Hand lege und mich vergewissere, dass er das Gleichgewicht hält, hat er Mühe, sich ganz aufzurichten, um mir die Hand zu reichen. Ich war überrascht, dass er fast so groß ist wie ich. Ich erwidere seine Hand, und er nimmt sie in die seine, eine sanfte Berührung, und sieht mich nun aufmerksam an, als wolle er mich ein letztes Mal prüfen.

Abram lächelt jetzt. „Meine Tochter sagte, du bist Journalist. Geh in den Osten, wie du willst. Du wirst wissen, dass das, was ich gesagt habe, wahr ist“, sagt er zum Schluss. „Dann erzähle bitte meine Geschichte.“

„Danke…“, fügt er hinzu, bevor er sich für immer abwendet. Doch kurz bevor er sich abwandte, sah ich sein Gesicht deutlich, und ich wusste, dass seine Geschichte wahr war.

Ich sah noch einmal… diese Augen.

*

Ich würde sie mir jetzt ansehen, diese Videos, diese Bilder. Ich fühle eine Verpflichtung. Gegenüber Abram, Leonid, meinen christlichen Freunden in Lemberg, Andrew und jedem Flüchtling, den ich interviewt habe, und denen, die ich nicht interviewt habe, ob lebend oder tot.

Auf meinem Hotelbett sitzend, die Kissen hinter mir aufgestapelt, lade ich diese Bilder und Videos auf meinen Laptop und greife auf die Dateien auf meinem Telefon zu, während ich mich mit einem Sixpack in der Hand stütze. Ich habe meine Übersetzer-App zur Hand, um zu wissen, welche Sprache in diesem Krieg gesprochen wird. Während ich mich vorbereite, schließe ich meine Augen und erinnere mich noch einmal an den letzten Kommentar von Lee, dem Söldner, denn ich weiß, dass es „ziemlich schlimm“ werden wird.

Das wird es auch.

Die Toten, die Verwundeten, die sich winden, ihre Schreie, die immer lauter werden, bis sie verstummen, ihre Worte, die ich nicht verstehe, und doch verstehe ich sie, die Blicke der barbarischen AFU, die Minen legt, auf zivile Ziele schießt, auf die Bewohner der Gebäude oder nur auf die Gebäude, die blutverschmierten Gesichter, die in die Kamera nach Rache schreien, die Artillerieeinschläge in Gebäude, während weiße Fahnen wehen, die aufgeschlitzten Kehlen, die Tränen, die Kinder, die ihre toten Mütter umarmen, die Mütter, die ihre toten Söhne, Ehemänner, Brüder zum letzten Mal oder zum letzten Atemzug umarmen, das Blut, so, so viel Blut, und die ganze Zeit zu, zu, zu viel Horror. Es muss ein besseres Wort geben, um es zu sagen, aber ich bin sprachlos. Es ist schlicht und einfach… Horror!

Jedes Mal, wenn ich zur nächsten Akte gehe, zwinge ich mich dazu und trinke Bier, um meine Empörung zu dämpfen, die mit jedem Zug an der Flasche und jeder neuen Gräueltat nur noch größer wird. Ich werde sie alle ehren, muss beenden, was ich begonnen habe.

Mehr als zwei Stunden später bin ich erschöpft. Ich bin fertig. Ich bin betrunken. Ich habe jetzt mit eigenen Augen gesehen…

Ich stolpere über Flaschen, als ich auf dem Weg zu meinem Badezimmer bin. Ich muss mir das alles aus dem Gesicht waschen. Es aus meinem Kopf waschen.

Vom Waschbecken aus spritze ich mir kaltes, kaltes Wasser über den ganzen Kopf, verzweifelt nach Erleichterung suchend. Ich greife nach einem weißen Handtuch und schaue in den Spiegel, aber meine Augen können sich nicht konzentrieren. Alles, was ich sehe, ist ein Kaleidoskop dieser Bilder, die sich in einer rot gefärbten Kakophonie vermischen, die nicht verschwinden will (2).

Als ich das Handtuch von meinem Gesicht ziehe, kann ich mich langsam wieder konzentrieren. Im Spiegel blicke ich tief in mein eigenes aschfahles Gesicht, gezeichnet, müde, erschöpft von den zwei Wochen, die ich bis zu diesem Moment zu Unrecht von diesem verdammten Krieg geplagt wurde.

Und dann sehe ich sie, wie sie mich punktgenau anstarren, mein Zeugnis für die brutale Wahrheit dieses Krieges. Dort, im Spiegel, der mich anschaut, sehe ich…

Diese Augen!

– Ende –

Widmung: An Matias R., Michel C., Ron U., Jeff B., Jan O. und SF. Danke, dass ihr mich am Laufen gehalten habt! Frieden…

Anmerkung von Brett Redmayne-Titley: Dies ist der Abschluss des dritten Teils meiner Serie „Reiseziel Ukraine“. Weitere Informationen finden Sie in Teil Eins, „Die Ignoranz des Krieges„, und Teil Zwei, „Wird Polen abtrünnig?„.

*

Danke Brett, bitte bleiben Sie achtsam, liebe Leser.

Als Nachtrag hier einige Aussagen „der Guten“, der vom Westen aufmunitionierten Verteidiger der freien, demokratischen Welt, im Alltag Menschen wie Du und ich. Aber jeder von ihnen ist innerlich bereit für Kriegsverbrechen. Sie sind Erschaffer des Grauens, denn der Krieg ist kein schicksalhaftes Phänomen, sondern dem Willen von Menschen entsprungen. Hören/Lesen Sie Projektionen, die entlarven (v1):


(Allgemein) Über den Autor: Brett Redmayne-Titley hat das letzte Jahrzehnt damit verbracht, die „Sorrows of Empire“ [Verwüstungen des Imperiums] zu bereisen und zu dokumentieren. Er hat mehr als 200 Artikel verfasst, die von Nachrichtenagenturen auf der ganzen Welt veröffentlicht und oft neu aufgelegt und übersetzt wurden. Ein Archiv seiner zahlreichen Artikel ist unter watchingromeburn.uk zu finden. Er kann unter live-on-scene ((@))gmx.com kontaktiert werden. (1)

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden. Übersetzung des Textes aus dem Englischen unter Zuhilfenahme von DeepL.com. Einige Verlinkungen wurden nachträglich durch Peds Ansichten hinzugefügt, ebenso in eckige Blockklammern gesetzte Kommentare. Brett Redmayne-Tiley erlaubt die Verbreitung seiner Artikel im Rahmen der fair-use Bestimmungen (siehe Disclaimer auf dessen Webseite).

(a1) Es ist zu beachten, dass die Annahme über Selenskijs Aufenthalt außerhalb Kiews, ja der Ukraine aus dem März/April 2020 stammt, als Brett Redmayne-Titley die Erstfassung seiner Reportage veröffentlichte.

(a2) Die sogenannte Orangene Revolution in der Ukraine wird auf den Zeitraum zwischen 2004 und 2006 datiert.

(1) 20.03.2022; Watching Rome Burn; Brett Redmayne-Titley; The Lies … the eyes … of the Ukraine; https://watchingromeburn.uk/news/ukraine-on-scene-report-lie-and-eye-of-ukraine/

(2) 13.05.2022; Orbisnjus; SS-Post von Selenskyj, bestätigt Schilderungen von Augenzeugen. „Nazi-Ideologie in der Ukraine allgegenwärtig.“; https://orbisnjus.com/2022/05/13/ss-tweet-von-selenskyj-bestaetigt-schilderungen-von-augenzeugen-nazi-ideologie-in-der-ukraine-allgegenwaertig-videos/

(v1) https://alive528.com/video/14480/die-kriegsverbrechen-ukrainischer-soldaten

(Titelbild) Kind, Versteck, Gefängnis, Licht; Autor: Free-Photos (Pixabay); 05.04.2020; https://pixabay.com/de/photos/ausblenden-junge-m%C3%A4dchen-kinder-1209131/; Lizenz: Pixabay License

6 Gedanken zu „Die Lügen … und die Augen … der Ukraine“
  1. Solange rot lackierte Weltverbesserungs-Extremistinnen montags auf dem Jorge-Gomondai-Platz nicht den wahren historisch bedingten Motivtionsgrund für häßlichen Russophobie-Rassismus der vor allem westukrainischen Ukrainerinnen erkennen und aufarbeitend gedenken wollen, den stalinistischen Genozid Holodomor und dabei selbst ihren rot lackierte Geschichtswahrnehmung ad acta legen und schlußendlich dialektisch dann auch ihre widerliche Dauerromantisierung und Schönfärberei [und so weiter und so fort, daher Peds ZENSUR zum Opfer gefallen]


    Sie sind für mich kein Troll, daher eine Antwort: Solange Sie sich nicht einer respektvollen, friedensdienlichen Diskussionskultur zu befleißigen vermögen, war es das auf dieser Bühne erstmal für Sie.
    Freundliche Grüße, Ped

    1. „Solange Sie sich nicht einer respektvollen, friedensdienlichen Diskussionskultur zu befleißigen vermögen, war es das auf dieser Bühne erstmal für Sie.“
      Das selbe gilt für Stefan übrigens auch am offenen Mikro, montags, 19 Uhr auf dem Jorge-Gomondai-Platz (gemeint ist die Mahnwache für Frieden).

      Mit freundlichen Grüßen,
      Daniel

  2. Ich dachte vor dem Krieg gute Freunde in der Westukraine, in Rivne, zu haben. Ich habe ihnen immer geraten, zwischen dem Westen und Putin eine neutrale Haltung einzunehmen. Mir war von der deutschen Einheit her klar, dass sie niemals das bekommen würden, was sie sich von der EU oder der NATO versprachen. Sie würden wirtschaftlich über den Tisch gezogen werden, wie die Ostdeutschen. Nur noch schlimmer. Heute werden sie als amerikanische Hilfstruppen behandelt, allerdings als jene, die die Drecksarbeit machen müssen. Es gibt unter den Hilfstruppen verschiedene Ränge, und man muss mit dem niedrigsten anfangen. Wegen meiner pazifistischen Haltung habe ich jetzt nach dort keine Verbindungen mehr. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ist es zu gefährlich für meine Bekannten, zu einem Pazifisten Kontakte zu haben. Oder sie sind von den Ereignissen selbst so mitgerissen dass sie glauben, wer nicht auf ihrer Seite des Krieges kämpft, ist ein Verräter. Während der Corona-Beschränkungen war es kompliziert, in die Ukraine zu reisen. Heute, zu Kriegszeiten, könnte ich einfach mit dem Flix-Bus von Warschau nach Rivne fahren. Niemand interessiert sich jetzt mehr für die Impfpässe und die ukrainischen Kontroll-Apps und Quarantäne-Bestimmungen. Ich sehe den Krieg als zweite Phase des Great Reset zur Umgestaltung unserer Welt. Phase 3 ist dann die Inflation und Einführung der digitalen Zentralbankwährungen. In Phase 4 sind die letzten Ungeimpften dann bis 2030 völlig isoliert und marginalisiert, eventuell in Sanitäts-Lager oder Sonderzonen verbracht. Ich weiß nicht, ob wir uns ständig mit den menschenverachtenden Einzelheiten dieser Prozesse beschäftigen sollten. Ich würde lieber Artikel mit praktischen Ratschlägen lesen. Wie man wieder die Kleingärten bestellt und praktische Hilfs- und Versorgungsnetze aufbaut, Wildpflanzen-Rezepte, gesunde Lebensweise in Krisenzeiten. Etwas praktisch tun. Sich in bereits existierenden genossenschaftlichen Gemeinschaften engagieren. Analog. Wir werden die Krisen vor allem mit praktischem Handeln überleben.

    1. @ Reinhardas
      „Wie man wieder die Kleingärten bestellt und praktische Hilfs- und Versorgungsnetze aufbaut, Wildpflanzen-Rezepte, gesunde Lebensweise in Krisenzeiten. Etwas praktisch tun. Sich in bereits existierenden genossenschaftlichen Gemeinschaften engagieren. Analog. Wir werden die Krisen vor allem mit praktischem Handeln überleben.“
      Da auch ich großes Interesse an entsprechenden Netzwerken und Aktivitäten habe, würde ich mich freuen, wenn wir unsere E-Mail-Adressen über peds-ansichten austauschen könnten. Peter Frey gebe ich hiermit meine Einwilligung, meine E-Mail-Adresse an Sie weterzuleiten ( mit herzlichem Dank im Voraus an Peter Frey ).

    2. @Reinhardas,
      „Ich weiß nicht, ob wir uns ständig mit den menschenverachtenden Einzelheiten dieser Prozesse beschäftigen sollten.“
      Wir müssen uns mit diesen widerlichen Einzelheiten beschäftigen. Breit informiert sein erachte ich als grundlegende Pflicht jedes wachen Geistes. Aber es ist wichtig, die Balance zu finden zwischen reagieren und agieren.
      Die tägliche, perverse Propagandaflut dient dem Ziel, uns zu beschäftigen, pausenlos auf Trab zu halten. Mit der täglichen Feststellung und Diskussion, was gerade läuft, hinken wir der Realität dauern hinterher, sind bestenfalls am reagieren und das ist so gewollt.
      Informiert sein beschäftigt sich ausschliesslich mit der Vergangenheit und bringt uns letztendlich keinen Schritt vorwärts. Hören wir doch mal genau hin bei Schwab, Gates und Konsorten: Selten ein Wort zur Vergangenheit, die schauen vorwärts. Auch wir sollten diese passive Rolle verlassen und uns auf unsere Zukunft konzentrieren. Ich bin da voll mit Ihnen: Das echte Leben findet analog statt, jetzt!!!
      Aber machen Sie Vorschläge in die von Ihnen angedachte Richtung und beachten die Reaktionen: Deutschsprachiges Internet auf und ab dröhnende Stille. Ich vergleiche diesen Zustand mit der dementen, passiven Haltung in Altersheimen: Resigniert, keine Erwartungen mehr an das Leben, früher war alles besser, hier schmerzt es und dort juckt es, mein Arzt hat gesagt… und die Pflege bringt mir täglich noch mehr Pillen. Diesen Zustand bemängle ich auch in allen einschlägigen Medien, welche ich mir mit abnehmender Tendenz noch täglich zumute.
      Schauen Sie aus dem Fenster: Ausserhalb des selbstgefälligen, verkommenen Wertewesten gibt es noch 85% der übrigen Weltbevölkerung. Dort herrscht Leben, dort bewältigt man den Alltag mit seinen grundlegenden Sorgen und Problemen. Dort engagiert man sich, man hilft sich gegenseitig in Not. Die Welt dort draussen ist nicht friedlicher, aber engagiert und real, eben analog und aktiv. Die Regierungen handeln zumindest teilweise noch im Sinn ihres ursprünglichen, verfassungsmässigen Auftrages. Da gibt es tatsächlich vom Wertewesten verschriene, „diktatorische oder militärische Regimes“, die der arbeitenden Bevölkerung 6% Einkommenssteuer (sechs Prozent!) abknöpfen.
      Man nenne mir einen Blog, wo Menschen sich positiv, zukunftsgerichtet austauschen. Ich bin sofort dabei.

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